Das Schmelzen der Gletscher hat globale Folgen für das Leben auf dieser Erde. Einerseits stellen die Gletscher unsere Süßwasserspeicher dar. Ein Schmelzen würde zuerst zu Überschwemmungen und dann zu Wassernot führen. Andererseits verursacht das Schmelzen der Gletscher Klimaänderungen und damit verbunden einen Temperaturanstieg auf der Erde. Genau hier setzt das Physikexperiment an, in dem die Schüler*innen der 5. und 6. Klasse das Schmelzen von Eis erforschen und einen Zusammenhang mit dem Klimawandel herstellen. Hierfür wird eine digitale Experimentierumgebung im Comicformat zur Verfügung gestellt, die durch gestufte Lernhilfen adaptives Lernen ermöglicht.
Ein Beitrag von Prof. Dr. Silke Mikelskis-Seifert, David Wiedemann und Dr. Jens Wilbers
In den letzten 150 Jahren wurde es auf der Erde aufgrund des Klimawandels immer wärmer. Die Temperatur in den Alpen ist beispielsweise um etwa 2 Grad Celsius gestiegen, was dazu führt, dass die Gletscher immer kleiner werden. Laut Expert*innen könnten die Alpen ab dem Jahr 2100 sogar ganzjährig eisfrei sein.
Physikalischer Hintergrund
Das Experiment untersucht das Schmelzen von Eis auf verschiedenen Untergründen und berücksichtigt dabei die physikalischen Konzepte der Reflexion und Absorption von Licht. In diesem Zusammenhang ist die Albedo ein Maß dafür, inwieweit Licht beim Auftreffen auf den Körper absorbiert bzw. reflektiert wird. Dabei hängt die Albedo sowohl von der Oberflächenbeschaffenheit der Körper als auch vom Spektralbereich des einfallenden Lichts ab und wird als Zahl zwischen 0 und 1 angegeben. Je kleiner die Albedo ist, desto mehr wird Licht vom Körper absorbiert. Je größer die Albedo ist, desto mehr wird Licht vom Körper reflektiert. Die weißen Gletscher unserer Welt erhöhen die Albedo unseres Planeten. Sie sorgen somit dafür, dass mehr Licht reflektiert wird. Dadurch haben die Gletscher einen positiven Einfluss auf das Klima unserer Erde. Die Erde hat eine Albedo von etwa 0,3. Das heißt, 30 Prozent des Lichts werden von der Erde reflektiert. Die Schüler*innen erhalten mithilfe des Experiments zum Schmelzen von Eis auf verschiedenen Untergründen die Möglichkeit, Erfahrungen mit abstrakten physikalischen Konzepten zu sammeln und diese dann in Beziehung zum Klimawandel zu setzen.
Gefördert durch das BMBF hat das Projekt AdUmint das Ziel, Experimentierkompetenz und Selbstwirksamkeitserwartung im Bereich MINT zu fördern. Dazu werden digitale, barrierearme Anleitungen, unterschiedliche Darstellungsformen und gestufte Lernhilfen während der Durchführung von Experimenten zum Klimawandel eingesetzt.
Hintergrundgeschichte
Die Untersuchung des Schmelzvorgangs von Eis ist in eine für die Schüler*innen sinnstiftende Geschichte nach dem Ansatz des Storytelling eingebettet. Zwei pädagogische Agenten – Kim und Paul – begeistern sich für die Natur. Sie schildern ihre Abenteuer in den Bergen und berichten, dass ihnen das Abschmelzen eines Gletschers aufgefallen sei. Bei Wanderungen haben sie beobachtet, dass immer mehr dunkle Gesteinsschichten unterhalb des Gletschers frei werden. So werfen die beiden die Forschungsfrage auf, ob die frei werdenden dunklen Gesteinsschichten einen Einfluss auf das Abschmelzen des Gletschers haben.
Das Experiment
Im Experiment bedeutet dies, dass das Schmelzen eines Eiswürfels in Abhängigkeit von der Beschaffenheit des Bodens untersucht wird. Hierbei ist die Farbe der Böden relevant. Im Sinne der Extremwertstrategie werden zwei unterschiedliche Situationen hergestellt und miteinander verglichen:
- ein Eiswürfel auf einem schwarzen Untergrund (Hintergrund: hier wird das einfallende Licht absorbiert)
- ein Eiswürfel auf einem weißen Untergrund (Hintergrund: hier wird das einfallende Licht reflektiert
Vier Phasen des Experiments
Die Forschungsfrage für die Schüler*innen besteht darin, zu untersuchen, wie Eis auf einem schwarzen Boden bzw. auf einem weißen Boden schmilzt. Das Experiment unterteilt sich gemäß dem Forschungskreislauf in die Phasen Vermuten, Planen, Durchführen und Auswerten. Dementsprechend stellen die Schüler*innen im ersten Schritt Vermutungen darüber an, wie das Eis auf den unterschiedlichen Böden schmelzen wird. Im zweiten Schritt geht es in die Planung des Experiments. Um das Schmelzen der Eiswürfel quantitativ erfassbar zu machen, kommen Trichter zum Einsatz. Den Schüler*innen werden notwendige Experimentiermaterialien genannt, wie Trichter unterschiedlicher Farbe, Messzylinder, Eiswürfel und eine Lampe zum Beleuchten. Sie erhalten die Aufgabe, einen geeigneten Versuchsplan bei der Farbe der Trichter, der Größe der Eiswürfel und dem Abstand der Eiswürfel zur Lampe zu entwickeln. Im dritten Schritt führen die Schüler*innen das Experiment gemäß der Variablenkontrolle durch, indem sie einen schwarzen und einen weißen Trichter verwenden und diese jeweils in einen Messzylinder stecken. Anschließend werden in die Trichter jeweils gleich große Eiswürfel gelegt. Der gesamte Aufbau wird von einer 400-Watt-Halogenlampe bestrahlt. Im Abstand von zwei, vier und sechs Minuten lesen die Schüler*innen die Menge des geschmolzenen Wassers am Messzylinder mit schwarzem und weißem Trichter ab. Das Volumen des Schmelzwassers wird in Abhängigkeit von der Zeit in ein Koordinatensystem eingetragen. Aufgrund der niedrigeren Albedo bildet sich im schwarzen Trichter mehr Schmelzwasser als im weißen Trichter. Die Messergebnisse werden im letzten Schritt ausgewertet, indem einerseits ein Bezug zu den angestellten Vermutungen hergestellt und andererseits eine Erklärung für das unterschiedliche Schmelzen der Eiswürfel gegeben wird.
Gestufte Lernhilfen reduzieren Lernbarrieren
Um sicherzustellen, dass alle Schüler*innen aktiv am Experimentierprozess partizipieren, ist es wichtig, Lernbarrieren zu reduzieren. Eine effektive Methode hierfür ist die Verwendung von gestuften Lernhilfen, die es den Schüler*innen ermöglichen, unter Berücksichtigung ihrer individuellen Lernvoraussetzungen und im eigenen Tempo zu lernen und zu arbeiten sowie schrittweise zur Lösung zu gelangen. Instruktionale Unterstützungsmaßnahmen helfen den Schüler*innen, komplexe Aufgaben beim Experimentieren eigenständig zu lösen. Gestufte Lernhilfen stehen den Schüler*innen in allen Phasen des Experiments zum Schmelzen von Eis zur Verfügung. Zu jeder Teilaufgabe werden zunächst lernstrategische oder inhaltliche Hinweise bereitgestellt. Danach werden drei mögliche Lernhilfen – Hinweise, Beispiele und Lösungen – zur jeweiligen Aufgabenstellung zur Verfügung gestellt. Die Schüler*innen können selbst entscheiden, ob sie eine Lernhilfe nutzen oder nicht. Durch das selbstständige Experimentieren können Autonomie- und Kompetenzerleben der Lernenden gefördert werden, was wiederum einen positiven Einfluss auf ihre Motivation hat. Die Nutzung gestufter Lernhilfen kann darüber hinaus die metakognitive Handlungsplanung, reflektierendes Verhalten und die Aktivierung von Vorwissen positiv beeinflussen. Darüber hinaus können gestufte Lernhilfen von den Lernenden als Instrument zur Selbstdiagnose im Lernprozess genutzt werden.