Einen kreativen Unterrichtseinstieg suchen, differenzierte Lernziele erstellen, Fehlerschwerpunkte in Klassenarbeiten erarbeiten oder auch einen Entwurf für einen Elternbrief formulieren lassen – künstliche Intelligenz (KI) eröffnet uns schon jetzt ganz schön nützliche Möglichkeiten zur Vereinfachung unseres Unterrichtsalltags. Aber auch unseren Schüler:innen bietet KI mindestens genauso viel Hilfestellung bei der Bearbeitung schriftlicher Lern- und Leistungsaufgaben.
Ein Beitrag von Svenja Zwirner
ChatGPT aufrufen und los geht’s! Wenn künstliche Intelligenz im Klassenzimmer nicht eingesetzt werden darf, dann greifen die Schüler:innen eben zu Hause darauf zurück. Sollten Hausaufgaben also einfach gestrichen werden? Das ist zumindest derzeit nicht vorstellbar, fungieren sie doch als elementarer Bestandteil des Lernprozesses zur individuellen Erarbeitung und Vertiefung von Lerninhalten. Und wie heißt es so schön: Never change a running system. Was also tun? Einfach abwarten und die Existenz von KI ignorieren?
KI geht nicht einfach weg
Nein! KI geht nicht wieder weg – ganz im Gegenteil: Künstliche Intelligenz wird sich in allen Bereichen unseres Lebens bemerkbar machen und sie kann unseren Alltag durchaus bereichern, wenn wir es wollen. Daher sollten wir auch im Kontext Schule nicht die Augen davor verschließen, dass künstliche Intelligenz schon längst im Alltag unserer Schüler:innen angekommen ist. Der Umgang mit KI liegt in der Verantwortung der gesamten Schulgemeinschaft.
Es gilt also vielmehr, schriftliche Aufgabenformate so zu transformieren, dass sie die KI einbinden, um ein Lernprodukt zu erarbeiten – ohne aber die ganze Arbeit an sie abzutreten. Da eine solche Unterrichtspraxis jedoch eine gewisse Professionalisierung aller Kolleg:innen im Umgang mit KI erfordert, steht zunächst die Implementierung des Themas KI in der gesamten Schulgemeinschaft im Fokus.
Was bedeutet KI für die individuelle Schulentwicklung?
Die Schulentwicklung hat im Hinblick auf die Digitalisierung von Schulen primär zwei Aufgaben:
- Unterricht mithilfe der Möglichkeiten der Digitalisierung entwickeln
- Unterricht entwickeln, der Digitalisierung als Gegenstand dessen ansieht
Zu erlernende Kompetenzen im Hinblick auf den Umgang mit KI lassen sich dabei in beiden Aufgaben verorten. Das Digitalteam einer jeden Schule sollte dem Kollegium also als beratende Instanz Möglichkeiten und Ideen für beide Dimensionen aufzeigen.
Fortbildungen für Lehrkräfte anbieten
Mini-Fortbildungen zu verschiedenen KI-Tools oder selbst gedrehte Erklärvideos zum Umgang mit digitalen Tafeln als gut portionierte Learning Snacks können helfen, das gesamte Kollegium mitzunehmen oder zumindest Angebote zu unterbreiten. Es muss ein Bewusstsein dafür geschaffen werden, dass digitaler Unterricht keine Substitution von analogen Möglichkeiten meint.
KI-Verhaltensregeln vermitteln
Wenn wir über KI als Gegenstand des Unterrichts sprechen, sollten zunächst im Digitalteam KI-Verhaltensregeln erarbeitet oder festgelegt werden, um überhaupt verbindliche, grundlegende Regularien für alle Schüler:innen bei der Nutzung von KI für schriftliche Aufgaben zu schaffen. Dafür muss man das Rad nicht neu erfinden. Unser Plakat beispielsweise (s. Download-Kasten unten) ist aus einer Vorlage aus dem digitalen Fobizz-Adventskalender entstanden. Als Aushang im Klassenzimmer kann es den Fokus immer wieder auf die grundlegenden KI-Verhaltensregeln zurückführen. Verankert auf der Homepage schafft es zudem Transparenz für die Elternschaft.
Was bedeutet KI für Lehrkräfte?
Die Akzeptanz solcher neuen Regelungen kann aber immer nur dann erwartet werden, wenn sie auch von allen Mitgliedern der Schulgemeinschaft getragen werden. Dies setzt jedoch voraus, dass sich auch jede einzelne Person in der Verantwortung sieht, Medienkompetenz im Bereich des Umgangs mit KI im eigenen Fachunterricht zu vermitteln. Eine Einführung von etwa den KI-Verhaltensregeln sollte so im Idealfall zum neuen Schuljahr von allen Klassen- und Stufenleiter:innen flächendeckend thematisiert und gemeinsam besprochen werden. Nur so können wir von den Schüler:innen erwarten, diese auch in die Praxis umzusetzen.
Auch bei der Besprechung von Hausaufgaben muss von der Lehrkraft immer wieder der Bezug zu den Regeln hergestellt werden, etwa mithilfe der folgenden Fragen: Wurden die Regeln berücksichtigt? Sind Verweise an den Stellen eingefügt, wo KI genutzt wurde?
Unterstützt werden können die Lehrkräfte dabei neben den Mitgliedern des Digitalteams zum Beispiel von ausgebildeten Medienscouts einer Schule, die besonders in der Unterstufe Medienerziehung in den Blick nehmen und auch versuchen sollten, schon die Jüngsten für das Thema KI zu sensibilisieren.
Kooperation mit Eltern
Die Eltern sollten sowohl über die KI-Verhaltensregeln als auch über erarbeitete Digitalkonzepte in Kenntnis gesetzt werden. Dies kann zum Beispiel in Form einer kurzen Vorstellung auf den Elternabenden geschehen. Genauso bietet ein „World Café“ die Möglichkeit, in einem informellen Rahmen gemeinsam mit den Lehrkräften Ideen und Bedenken im Hinblick auf den Einsatz von KI im Unterricht zu diskutieren. Medienerziehung kann nur gelingen, wenn sie als Aufgabe aller Beteiligten gesehen wird – weder Eltern noch Lehrkräfte allein sind diesen so schnell fortschreitenden Anforderungen gewachsen. Im stetigen Austausch jedoch können beide Gruppen der Schulgemeinschaft voneinander profitieren und aktuelle Bedürfnisse der Lernenden erkennen und in den Blick nehmen.
KI als Chance für den Lernprozess sehen
Auch wenn der Kampf durch den KI-Tool-Dschungel erst einmal unüberwindbar scheint – wer ausprobiert, gewinnt! Nicht jedes Tool wird für jede Lehrkraft als gleichermaßen gewinnbringend empfunden, und das muss es auch nicht – essenziell ist hier die Bereitschaft, verschiedene Werkzeuge zu erproben und für sich selbst zu bewerten, inwiefern es sich als zielführend für die Erarbeitung bestimmter Lerninhalte herausgestellt hat.
Unterrichtsbeispiel: Chatten mit einem Autor aus dem 19. Jahrhundert
Hier ein Beispiel aus dem Deutschunterricht: Anstatt den vierseitigen Anhang in Henrik Ibsens „Nora oder ein Puppenheim“ als Grundlage für die Rechercheaufgabe zu Ibsens Leben zu nehmen, lasse ich die Schüler:innen mihilfe eines KI-Tools mit Henrik Ibsen chatten. So können sie selbstbestimmt Kriterien wählen, die sie im Hinblick auf die Darstellung seines Lebens(werks) wichtig finden, und diese in Form von Fragen formulieren. Sind die Prompts nicht konkret genug, wird die KI auch nicht das gewünschte Ergebnis bringen – schon hier liegt ein grundlegender Lernprozess im Umgang mit KI. Ergänzend steht der Anhang in der Textausgabe den Lernenden natürlich trotzdem zur Verfügung.
Hier kommt ein wichtiger Punkt zum Tragen: Es geht vielmehr um eine didaktisch zielführende Vernetzung von analogen und digitalen Möglichkeiten zur Erarbeitung eines Lerngegenstands als um ein Ausschließen der einen oder anderen Zugangsweise.
Wie KI gewinnbringend auch für Hausarbeiten eingesetzt werden kann, lesen Sie im zweiten Teil dieser Minireihe: „Wenn die KI dazwischengrätscht – Facharbeiten 2.0“.