Biokraftstoff gilt als umwelt- und klimafreundliche Alternative zu fossilen Treibstoffen. Denn weil er aus Pflanzen erzeugt wird, gibt er bei seiner Verbrennung kaum mehr Kohlendioxid ab, als die Pflanzen zuvor bei ihrem Wachstum aufgenommen haben – so jedenfalls die Theorie. Doch gibt es bei der Sache vielleicht einen Haken?
Ein Beitrag von Clemens Sarholz
Möglicherweise gibt es den. Eine von der Deutschen Umwelthilfe (DUH) in Auftrag gegebene Studie zeigt: Der Anbau der benötigten Pflanzen verbraucht immense Flächen. Würde auf diesen Flächen eine natürliche Vegetation aufwachsen, würde dort mehr CO2 gespeichert werden, als durch die Nutzung von Biokraftstoffen eingespart werden kann. Das Fazit der Autor*innen: Der Einsatz von Agrokraftstoffen – so nennt man die Biokraftstoffe – nützt dem Klima nicht, sondern schadet ihm.
Riesige Anbauflächen sind nötig
Fast eine halbe Million Hektar belegen die Agrarflächen für Biokraftstoffe allein in Deutschland. Das entspricht gut 700.000 Fußballfeldern. Zusätzlich würde Deutschland pflanzliche Kraftstoffe in großen Mengen aus dem Ausland importieren, sodass weltweit über 1,2 Millionen Hektar der Produktion von Biokraftstoffen deutschen Tankstellen dienen. Im Jahr 2019 sparte
die Nutzung von Biokraftstoffen zwar 9,2 Millionen Tonnen CO2 ein. Würde man die Flächen allerdings der Natur überlassen, könnte man dadurch jährlich über 16 Tonnen CO2 der Atmosphäre entziehen und binden. Unterm Strich bleibt also ein Defizit von gut 7 Millionen Tonnen CO2.
Die DUH spricht sich dafür aus, E-Mobilität stärker in den Fokus zu rücken. Elmar Baumann, Geschäftsführer beim Verband der Deutschen Biokraftstoffindustrie, hält dagegen: Selbst wenn die ehrgeizigen Ziele der Bundesregierung erreicht würden und 15 Millionen Elektroautos im Jahr 2030 in Deutschland fahren, seien noch über 30 Millionen Verbrenner auf der Straße.
So viele Fahrzeuge könnten nur mit nachhaltig produzierten Biokraftstoffen klimafreundlicher fahren.
Problem: deutsche Ökosysteme sind kaputt
Das Bundes-Klimaschutzgesetz gebe verbindliche Ziele für natürliche Kohlenstoffspeicher wie Wälder und Moore vor. Ab 2030 sollten die jährlich mindestens 25 Millionen Tonnen CO2 binden, ab 2045 sogar 40 Millionen Tonnen. Wie diese Ziele erreicht werden sollen, sei völlig unklar, gibt die DUH zu bedenken. Die natürlichen Ökosysteme in Deutschland seien in einem derart desaströsen Zustand, dass sie sich derzeit von CO2-Senken zu CO2-Quellen entwickeln.
Die Bundesregierung selbst gehe davon aus, dass der Landnutzungssektor bis 2040 nicht nur kein CO2 binden, sondern jährlich bis zu 23 Millionen Tonnen CO2 freisetzen werde. Dabei habe Deutschland das selbst gesteckte Ziel, bis 2020 auf 2 Prozent der Landesfläche (etwa 715.000 Hektar) Wildnis zuzulassen, bereits weit verfehlt – nicht einmal ein Drittel davon wurde erreicht.
Lösung: fortschrittliche Kraftstoffe
Der Ausstieg aus den Biokraftstoffen könnte eine Möglichkeit sein, diese Ziele nachträglich noch mal anzupeilen. Denn gegenüber der insgesamt 1,2 Millionen Hektar großen Agrarfläche, die für die Produktion von Biokraftstoffen benötigt wird, bedarf es lediglich einer Fläche von 36.000 Hektar mit Fotovoltaikanlagen, um die gleiche Kilometerleistung mittels E-Mobilität zu generieren, rechnet die DUH vor. Das sind 97 Prozent weniger.
Das grün geführte Bundesumweltministerium sieht Biokraftstoffe ebenfalls kritisch. Viele leisten auch aus Sicht des Ministeriums keinen Beitrag zum Klimaschutz. Die Nutzung sogenannter fortschrittlicher Kraftstoffe, etwa aus altem Frittierfett oder Gülle, solle forciert werden.