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Mit Wärmebildkameras Lebensvorgängen auf der Spur

Mithilfe von Thermografie- oder Wärmebildkameras lässt sich die für unsere optische Wahrnehmung nicht erfassbare Infrarotstrahlung detektieren und sichtbar machen. Die von verschiedenen Gegenständen oder Lebewesen emittierte Wärmestrahlung wird durch die Programmierung der Kamera so umgerechnet, dass sogenannte Falschfarbenwärmebilder entstehen. Unterrichtliche Erfahrungen zeigen, dass Lernende diese Farbcodierung zumeist intuitiv verstehen.

Ein Beitrag von Dr. Mathias Trauschke

Wärme wird in der Thermodynamik als ein Prozess der Energieübertragung verstanden. Der Wärmebegriff ist jedoch abstrakt, Lernende verfügen oft über unpassende Vorstellungen. So kann Wärme zum Beispiel als Zustand von Systemen verstanden und fachlich somit fehlleitend mit der Temperatur gleichgesetzt werden (etwa: „Die Luft im Habitat ist mit 27 Grad Celsius recht warm.“). Überdies werden Wärme und Kälte oft als gegensätzliche Erscheinungen gleichen ontologischen Ursprungs begriffen (etwa: „Im Sommer schützt der Wald die Tiere vor Wärme, im Winter verhindert er das Eindringen von Kälte.“). Auch in akademischen Lehrbüchern oder Unterrichtsmaterialien werden die Begriffe „Wärme“ und „Temperatur“ im biologischen Kontext oftmals undifferenziert genutzt. Mithilfe der Wärmebildkamera können Lernangebote bereitgestellt werden, die neben dem Verständnis über biologische Sachverhalte auch die Konstruktionen eines angemesseneren Wärmebegriffs ermöglichen.

Prozesshaftigkeit von Wärme erfahren

Lernende können Wärme als einen gerichteten Prozess kennenlernen. Dabei hilft die Videofunktion der Kamera: Legt man eine heiße Kartoffel auf einen Tisch, kann man innerhalb kurzer Zeit einen Wärmefluss erkennen. Die Energieübertragung von der Kartoffel auf die Tischoberfläche lässt sich durch die entsprechenden Farbänderungen der beteiligten Objekte zeigen. Dies ist für Schüler*innen nicht überraschend, weil dieser Vorgang lebensweltlich bekannt ist. Legt man jedoch eine bei Raumtemperatur gelagerte Kartoffel auf ein im Eisschrank gelagertes Küchenbrett, ergibt sich ein für viele Lernende zunächst irritierender Befund: Ihren Erwartungen nach sollte die Kälte nun in die Kartoffel eindringen. Gleichwohl findet erneut ein Wärmefluss von der höher temperierten Kartoffel auf den Gegenstand geringerer Temperatur statt. Dieser kognitive Konflikt kann Schüler*innen dazu verhelfen, sich vom Konzept der Kälteübertragung zu lösen.

Von Kleidungsstücken auf das Federkleid von Vögeln schließen

Wärme
Zwergplanet Pluto (vorn) und sein Mond Charon, aufgenommen mit der Raumsonde New Horizons

Lernende können sich mithilfe dieser medialen Option gerichtete Wärmeflüsse entlang von Temperaturgradienten leichter vorstellen. Dieses fachlich angemessenere Verständnis ist die Voraussetzung dafür, um etwa die für Vögel wichtige Funktion des Federkleids im Winter zu erschließen. Typischerweise stellen sich Schüler*innen vor, dass die Federn einen „wärmenden Einfluss auf das Tier“ haben oder als Barriere gegen die auf einen Vogel „einströmende Kälte“ wirken.

Typischerweise stellen sich Schüler*innen vor, dass die Federn einen „wärmenden Einfluss auf das Tier“ haben oder als Barriere gegen die auf einen Vogel „einströmende Kälte“ wirken. Oftmals werden dabei Analogien zu Bekleidungsstücken gezogen, denen ähnliche Eigenschaften zugedacht werden. Mit der Wärmebildkamera können die Schüler*innen ihre Vermutungen leicht testen und widerlegen. Für viele Lernende ist es überraschend, dass die angezogene Jacke mit dem Gefühl von Wärme einhergeht, das Wärmebild jedoch eine der geringen Außentemperatur entsprechende Jacke zeigt (siehe Abbildung oben).

Federn wärmen nicht – sie blockieren den Wärmeabfluss

Schüler*innenmodell mit Joghurtbechern zur wärmedämmenden Funktion von Federn

Anschließend können die Lernenden den direkten Bezug zur Funktion des Federkleids bei winterlichen Temperaturen herstellen. Sie formulieren zumeist die Hypothese, dass Federn den Wärmefluss an die Umgebung hemmen. Das kann mithilfe der Wärmebildkameras und selbst beschaffter Materialien geprüft werden. Eine Kleingruppe hat beispielsweise Messzylinder als Entsprechungen für Vögel verwendet und die Körpertemperatur durch erwärmtes Wasser modelliert.

Die Umgebung wurde durch leere Joghurtbecher simuliert. Um die Funktion des Federkleids zu zeigen, haben die Schüler*innen bereitgestellte Federn in einen der Becher gegeben. Die angefertigten Bilder veranschaulichen, dass in Anwesenheit der Federn kaum Wärmeabstrahlung erfasst werden kann.

Weiterführende Modellexperimente

Mitunter kommt die Frage auf, wie derart dünne Federn so effektiv Wärme abhalten können. Diese Eigenschaft beruht darauf, dass zwischen den Federn wärme dämmende Luftpolster entstehen. Es ist unterrichtlich möglich, passende Phänomene als weiterführende Denkanlässe zu präsentieren. Dazu gehören vergleichende Bilder von Vögeln mit normalem und aufgeplustertem Federkleid. Wird die Frage aufgeworfen, ob Luftkammern Wärmeflüsse hemmen können und wie man dies untersuchen könnte, bieten sich ein- und doppelwandige Pappbecher als Modellobjekte für ein weiteres Modellexperiment an. Nach Zugabe von moderat temperiertem Wasser illustrieren thermografische Videoclips eindrucksvoll, dass der Doppelwandbecher im Vergleich zum einfachen Becher kaum Wärme abstrahlt.

Wärmebildkameras fürs Smartphone

Die im Beitrag vorgestellten Erfahrungen basieren auf der unterrichtlichen Nutzung der FLIR ONE Pro Aufsteckkamera für Smartphones und Tablets. Weiße Bereiche der Fotos zeigen eine intensive Wärmestrahlung an. Über die Farbstufen Gelb, Orange, Rot, Violett und Blau wird eine Abnahme der Wärmestrahlung vom fotografierten Objekt angezeigt. In Kombination mit der kostenfreien App FLIR ONE lassen sich Wärmebilder oder auch Videos leicht aufnehmen und bearbeiten.

Fazit

Die wärmedämmende Funktion der Luftpolster eines Federkleids konnte von Schüler*innen der sechsten Klasse durch Wärmebildkameras modellhaft untersucht werden. Die Aufsteckkamera FLIR ONE war dabei nützlich, um mit Smartphones einfache Wärmebilder oder -filme im Unterricht anzufertigen. Gerade durch filmische Aufnahmen konnten Schüler*innen Wärmeflüsse entlang von Temperaturgradienten erfassen. Schüler*innenaussagen deuten an, dass durch die Experimente der fehlleitenden Vorstellung von Wärme als physikalischem Zustand (Verwechslung mit Temperatur) ebenso entgegengewirkt werden konnte wie der Fehlvorstellung von Kälte als substanzielle Entität (oder Erscheinung), die in Gegenstände oder Lebewesen eindringt.

Dr. Mathias Trauschke

Fachberater für Biologie am Regionalen Landesamt für Schule und Bildung sowie Lehrer am Ratsgymnasium Peine

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