Skip to content

Warum Karl der Große mein Ururur…großvater ist

Nach der Bibel waren die ersten beiden Menschen Adam und Eva, und sie sollen vor etwa 6.000 Jahren gelebt haben. Doch kann das sein?

Ein Beitrag von Prof. Dr. Heinrich Hemme

Ich habe einen Vater und eine Mutter und somit 2 = 21  Eltern. Auch meine Eltern haben beide einen Vater und eine Mutter, und ich habe darum 4 = 22 Großeltern. Und weil meine Großeltern auch wieder Eltern haben, habe ich 8 = 23 Urgroßeltern. So verdoppelt sich, wenn ich in der Zeit zurückgehe, die Zahl meiner Vorfahren von Generation zu Generation. In der n-ten Generation vor meiner habe ich somit 2n Vorfahren. Der Abstand zwischen zwei Generationen beträgt im Mittel 25 Jahre. Folglich haben seit den Zeiten von Adam und Eva etwa 6.000/25 = 240 Generationen gelebt.

© Heinrich Hemme

Adam und Eva mögen das Paradies für sich allein gehabt haben, aber auf dem Rest der Erde lebten gleichzeitig noch ungefähr 2240 ≈ 1,8 x 1072 meiner Vorfahren. Dies sind etwa 10.000-mal so viele Menschen, wie es in der gesamten Milchstraße Atome gibt. Dabei sind Ihre Vorfahren und die der anderen 7,9 Milliarden Menschen noch gar nicht mitgezählt worden. Wie ist das möglich?

Der Fehler bei dieser Überlegung liegt in der Annahme, dass alle meine Vorfahren einer Generation verschiedene Menschen sind. Tatsächlich bin ich mit den meisten meiner Ahnen über viele Wege verwandt, und deshalb sind es sehr viel weniger Menschen, als meine Berechnung ergibt. In der Skizze sieht man, dass zwei meiner Ururgroßväter (gelb) dieselben Eltern (grün) haben. Durch diesen „Inzest“ habe ich nicht 25 = 32 Urururgroßeltern, sondern nur 30.

Dies wirkt sich auch auf alle weiteren Generationen davor aus. Es gab im Verlauf der 240 Generationen eine Unmenge solcher Verbindungen, die die Zahl meiner Vorfahren enorm reduziert. In Wirklichkeit lebten vor 6.000 Jahren höchstens 50 Millionen Menschen auf der Erde.

Doch gehen wir nun einmal nicht ganz so weit in die Vergangenheit zurück. Kaiser Karl der Große hat um das Jahr 800, also vor 49 Generationen, halb Mitteleuropa beherrscht. Gäbe es keinerlei „Inzest“ unter meinen Ahnen, hätten vor 49 Generationen 249 = 563 Billionen meiner Vorfahren die Erde bevölkert. Damals lebten aber in Mitteleuropa nur etwa 50 Millionen Menschen. Allein die Zahl meiner Vorfahren wäre also schon zehn Millionen Mal so groß. Im Durchschnitt müsste folglich jede in Mitteleuropa lebende Person des Jahres 800 auf zehn Millionen Weisen mein Vorfahr sein.

Natürlich haben im Jahr 800 dennoch Menschen gelebt, die nicht zu meinen Urur…großeltern zählen, beispielsweise alle diejenigen, die kinderlos gestorben sind. Aber bei allen, die mehrere Kinder und Enkelkinder hatten, liegt die Wahrscheinlichkeit, mein direkter Vorfahr zu sein, bei fast 100 Prozent. Und da Karl der Große nachweislich sowohl Kinder als auch Enkelkinder und Urenkelkinder hatte, ist er mit allergrößter Wahrscheinlichkeit mein Ururur…großvater.

© falco - Pixabay

Nun mag man einwenden, dass meine Vorfahren im Mittelalter nur Bauern und Tagelöhner gewesen sein könnten, mit denen der Hochadel keine Ehen geschlossen hat. Das war auch sicherlich so. Aber die Winternächte waren kalt und die Burgen ohne Fensterscheiben und schlecht geheizt. Da haben dann doch so manche Könige und Grafen bei der Wahl ihrer Bett-genossinnen keinen großen Wert auf das Adelsprädikat gelegt, und so kam es schon früh zu Ahnenlinien zwischen dem Hochadel und den Leibeigenen.

Übrigens ist Karl der Große demzufolge auch mit allergrößter Wahrscheinlichkeit Ihr Ururur…großvater.

Beitrag teilen:

Facebook
Twitter
LinkedIn
Pinterest
XING
WhatsApp
Email

Ähnliche Beiträge

TED-Talk_Bildung_Header_1920x1080
28. Februar, 2024
Wenn wir uns für ein bestimmtes Thema interessieren und dazu unser Wissen erweitern möchten, ist unsere erste Anlaufstelle oft das Internet, gefolgt von Podcasts, Wissensvideos oder Sachbüchern. TED Talks haben in den vergangenen Jahren in Deutschland zwar sicherlich an Bekanntheit gewonnen, fristen jedoch verglichen mit ihrer Popularität in englischsprachigen Ländern wie den USA oder Großbritannien noch immer ein Schattendasein – das jedoch völlig zu Unrecht.
Header_MZ Blogbeitrag_04-2023 (4)
11. Januar, 2024
Es ist ein hübsches Spiel für geduldige Kinder: Auf einer Holzplatte ist ein Kreis aufgezeichnet, und auf dem Umfang dieses Kreises sind in gleichmäßigen Abständen p – 1 Nägel eingeschlagen, wobei p in der Größenordnung von einigen Hundert liegt und am besten eine Primzahl ist. Die Nägel n sind fortlaufend nummeriert. Die Aufgabe besteht darin, für alle n von 1 bis p – 1 einen Faden von Nagel n zu Nagel 2n zu ziehen.
Header_MZ Blogbeitrag_04-2023
20. Dezember, 2023
Seit ein Artikel in der New York Times im Dezember 2017 über ein geheimes Programm zur Erforschung von unbekannten Luftphänomenen (UAP) im US-Verteidigungsministerium berichtete, häufen sich die Nachrichten zu UAP. Ein ehemaliger Geheimdienstoffizier sagte nun vor dem Kongress aus, dass die USA sogar im Besitz „intakter, nicht menschlicher Technologie“ seien. Sollte uns eine außerirdische Intelligenz besuchen, könnte diese Erkenntnis die Menschheit jedoch in eine kosmische Krise stürzen.
Header_Entdeckt_02-2023 (20)
5. Dezember, 2023
Albert Einsteins Relativitätstheorie dient heute als Werkzeug: Erstmals wurde die Masse eines Sterns anhand der Deformation seiner Raumzeit ringsum gemessen. Schon 1912 hatte Einstein entdeckt, wie ein Stern durch seine Schwerkraft die Lichtstrahlen eines anderen, viel weiter entfernten Sterns geringfügig verbiegt. Weil der Ablenkwinkel winzig ist, schrieb er 1936, nachdem er diesen Gravitationslinseneffekt erneut untersucht hatte: „Selbstverständlich besteht keine Hoffnung, das Phänomen zu beobachten.“
Header_Entdeckt_02-2023 (14)
8. November, 2023
Mit Platz für sieben reguläre Besatzungsmitglieder und einer ununterbrochenen menschlichen Präsenz seit Oktober 2000 ist die Internationale Raumstation (ISS) die größte und erfolgreichste Raumstation aller Zeiten. Ihre Zukunft jedoch wird immer ungewisser.
Header_Entdeckt_02-2023 (4)
10. Oktober, 2023
Je größer die Frequenz einer schwingenden Klaviersaite, umso höher ist der Ton, den der Mensch hört. Allerdings steigt die Tonhöhe nicht gleichmäßig mit der Frequenz an, sondern wird vom Gehör logarithmisch abgeflacht.
Header_Entdeckt_02-2023 (3)
27. September, 2023
Der Tag hat noch gar nicht richtig angefangen, da haben wir schon tausend Dinge im Kopf: schnell anziehen, frühstücken, zur Arbeit hetzen … Kaum dort angekommen, füllt sich der Schreibtisch schneller als ein Fußballstadion beim Finale der Weltmeisterschaft. Der Kopierer streikt, das Meeting wurde vorverlegt und der Kaffee ist alle. Nach nur zwei Stunden Arbeit ist man direkt wieder reif für das Bett, weil man letzte Nacht schon wieder kaum geschlafen hat.
MZ-2023_Beitragsbild (1)
15. September, 2023
Digital First, Textverstehen zweitrangig? Der Eindruck könnte entstehen, wenn man das Leseverhalten von Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit den Ergebnissen der empirischen Leseforschung kontrastiert. Denn die Leseforschung sagt, dass wir anspruchsvolle Sachtexte weniger gut verstehen, wenn wir sie digital lesen. Befragt nach ihren Lesegewohnheiten berichten aber Studierende, dass sie mehr als 80  Prozent ihrer Lesezeiten vor dem Bildschirm verbringen. Belletristik wird hingegen lieber auf Papier gelesen als auf dem E-Reader. Dabei gibt die Leseforschung mit Blick auf die narrativen Texte Entwarnung: Ein Nachteil ist mit der digitalen Lektüre nicht verbunden.
MZ-01-23_Beitragsbild BecksEcke
27. Juni, 2023
Ein raffiniertes Konzept könnte die elementarsten Arbeitsschritte eines Rechners auf eine völlig neue Grundlage stellen – aber das wird voraussichtlich nicht passieren.
MZ-02-23_Beitragsbild (4)
16. Juni, 2023
Viel Glück im neuen Jahr – das sollen die kleinen „Glücksklee“-Blumentöpfe verheißen, die alljährlich zu Silvester auf den Markt kommen. Tatsächlich handelt es sich dabei um Sauerklee (Oxalis tetraphylla) aus Mexiko, bei dem alle Blätter grundsätzlich aus vier Einzelblättchen bestehen. Ein Glücksklee (Trifolium repens) verdient aber seinen Namen gerade dadurch, dass er sich nur mit etwas Glück finden lässt. Die normalen Blätter von echtem Klee bestehen aus drei Blättchen, die fingerförmig angeordnet sind. Daher der wissenschaftliche Gattungsname Trifolium, also Dreiblatt. Bei nur einem von 5.000 Blättern sind vier Blättchen vorhanden – solche Seltenheiten gelten in vielen Kulturen als Glücksbringer. Ob Gene oder Umwelt zu Viererklees führen, wird schon seit Jahrzehnten diskutiert. Der Schlüssel zum Glück(sklee) ist zwar noch nicht gefunden, aber sein Versteck konnte eingegrenzt werden.
MZ-02-23_Beitragsbild
2. Juni, 2023
Frei schwebend vor dem schwarzen Hintergrund des Weltalls leuchtet die blaue Weltkugel: „The Blue Marble“, aufgenommen am 7. Dezember 1972 etwa 29.000 Kilometer entfernt von der Erde von der Crew der Apollo 17 auf dem Weg zum Mond. Die analoge Hasselblad-Mittelformatkamera mit f-2,8/80 mm Festbrennweite von Zeiss bannt die ganze Erde auf ein Bild und zeigt dabei fast ganz Afrika, den Atlantik und den Indischen Ozean mit einem entstehenden Taifun über Indien.
MZ-01-23_Beitragsbild (4)
30. Mai, 2023
In einem spannenden Forschungsprojekt der Freien Universität Berlin werden Honigbienen zu Verbündeten, um den schädlichen Umwelteinflüssen von Agrargiften auf die Spur zu kommen.