Skip to content

Wärmespeicher – ein spannendes Thema für fächerübergreifenden MINT-Unterricht

Um unsere Gesellschaft klimaneutral oder sogar klimapositiv umzugestalten, ist neben einer besseren Wärmedämmung auch und gerade im Wärmesektor, der etwa die Hälfte des Energiebedarfs ausmacht, eine Abkehr von Erdöl und Erdgas erforderlich. Als Ersatz eignen sich Erdwärme, Sonnenenergie (Solarthermie) und Heizen mit „grünem“ Strom in Kombination mit Wärmespeichern. Im Folgenden wird gezeigt, wie sich deren Speichervermögen bereits in der Sekundarstufe berechnen lässt. Das Thema eignet sich ideal, um Bezüge zwischen den einzelnen MINT-Fächern herzustellen.

Ein Beitrag von Prof. Dr. Daniel Gembris

Von 1995 bis 2019 ist der gemeinsame Anteil von Gas- und Ölheizungen im Wohnungsbestand in Deutschland trotz sich verschärfender Klimakrise nur von 80 Prozent auf 75 Prozent zurückgegangen. In den ersten Jahren nach 1995 gab es eine Verschiebung von Erdöl hin zu (fossilem) Erdgas. Dieses ist aber nicht unbedingt klimafreundlicher als Erdöl, da auch die Freisetzung von CO2 und Methan bei dessen Förderung und Transport für die Klimabilanz mitberücksichtigt werden muss. Der Einsatz von Wärmepumpen, mit denen sich Erdwärme unter Zufuhr von elektrischer Energie nutzbar machen lässt, fristet in Deutschland noch ein Nischendasein. Als Faustformel gilt, dass bei dieser Technik die Heizungswärme zu 75 Prozent aus Umgebungswärme und zu 25 Prozent aus elektrischer Energie, die möglichst aus regenerativen Quellen stammen sollte, gewonnen wird. Im Prinzip handelt es sich bei den Wärmepumpen um Kühlschränke, deren Nutzen aber nicht in der erzeugten Kälte, sondern in der Abwärme besteht. Da der Wirkungsgrad der Anlagen umso höher ist, je geringer der Unterschied zwischen Heizungs- und Umgebungstemperatur ist, eignen sie sich besonders gut für Fußbodenheizungen. Eine weitere Wärmequelle sind Sonnenkollektoren. In Kombination mit saisonalen Wärmespeichern lässt sich die Wärmeenergie des Sommers noch im Winter nutzen.

Die verschiedenen Arten von Wärmespeichern

Wärmespeichern liegen im Wesentlichen drei verschiedene Funktionsprinzipien zugrunde:

  1. Speicherung durch Temperaturänderung eines Mediums (sensible Wärme)
  2. Speicherung durch Phasenänderung eines Mediums (z. B. fest/flüssig; latente Wärme; etwa bei einem Taschenwärmer)
  3. Speicherung durch chemische Reaktionen, die Wärme freisetzen und durch die Zufuhr von Wärme umgekehrt werden können (z. B. Zeolith-Wärmespeicher)

Buch
Tipp

Machste dreckig – Machste sauber: Die Klimalösung

David Nelles und Christian Serrer: Machste dreckig – Machste sauber: Die Klimalösung. Friedrichshafen: KlimaWandel 2021. 10 €

Wassertanks als sensible Wärmespeicher

In diesem Beitrag sollen nur sensible Wärmespeicher interessieren, bei denen es sich in der Regel um große, mit heißem Wasser gefüllte Tanks handelt. Mit einer Art Tauchsieder lässt sich Wärmeenergie in Zeiten „nachtanken“, in denen die Preise an der Strombörse niedrig sind oder elektrische Energie aus Photovoltaik oder Windkraft im Überfluss zur Verfügung steht. Ausgangspunkt für die Berechnung der notwendigen Speichergröße ist der bekannte Zusammenhang zwischen zugeführter Wärmeenergie Q und Temperaturerhöhung ΔT eines Stoffes: Q = cmΔT, wobei c für die spezifische Wärmekapazität und m für die Masse des Stoffes steht. Damit lässt sich bereits eine untere Grenze bestimmen: Der Energiebedarf von deutschen Privathaushalten beträgt pro Kopf und Jahr durchschnittlich 8.000 kWh (entsprechend einer durchschnittlichen Leistung von rund 1.000 W), davon 70 Prozent für Wärme und Kälte, also Q = 5.600 kWh = 20,1 GJ. Mit der Dichte von Wasser p = 1.000 kg/m³, c = 4,2 kJ/kg*K und einer Differenz von 60 K zwischen

Wasser- und Umgebungstemperatur (z. B. 70 °C und 10 °C) ergibt sich für das Volumen:

Zum Vergleich: Die Fördergrenze für Wärmespeicher liegt z. B. in Sachsen bei 200.000 ℓ. Aufgrund der wesentlich größeren Energiedichte von Heizöl reicht für den Heizöltank eines typischen Einfamilienhauses ein Volumen von nur 3.000 ℓ. Dafür ist Wasser günstiger und muss im Idealfall nicht nachgefüllt werden – und es ist viel nachhaltiger.

Eine Thermoskanne als Referenz

Auch bei einer sehr guten Wärmeisolierung der Tanks wird Wärme ungenutzt an die Umwelt abgegeben. Um die Größe dieses Effektes abzuschätzen, hilft ein Vergleich mit einer Thermoskanne – dem Inbegriff guter thermischer Isolation. Laut DIN-Norm muss die Temperatur von anfänglich 100 °C heißem Wasser in einer bei Raumtemperatur aufbewahrten Thermoskanne nach sechs Stunden noch mindestens 78 °C betragen. Da die Abnahme in guter Näherung exponentiell erfolgt, ergibt sich für den Zeitverlauf der Temperaturdifferenz: ∆T(t) = ∆T0 et ⁄ τ mit τ = 16 h. Diese Zeitkonstante nimmt proportional zum Volumen-zu-Oberflächen-Verhältnis zu (s. Vollmer & Möllmann). Mit steigendem Volumen steht also relativ betrachtet eine kleinere Oberfläche für den Austausch von Wärmeenergie mit der Umgebung zur Verfügung (kleineres Oberflächen-zu-Volumen-Verhältnis). Bei einem würfelförmigen Tank mit der Kantenlänge a beispielsweise beträgt die Oberfläche 6 × a², das Volumen und das Volumen-zu-Oberflächen-Verhältnis somit a6. Die Vergrößerung des Fassungsvermögens einer würfelförmigen Thermoskanne von 1 ℓ auf die oben genannten 80.000 ℓ würde die Abklingzeit um den Faktor ∛80.000 43 vergrößern, also von 16 auf 689 Stunden, umgerechnet 28 Tage – zu kurz, um durch den Winter zu kommen. Der Wärmespeicher müsste über ein Volumen von 500.000 ℓ verfügen, damit der Wärmegehalt im Jahresmittel einen Wert von Q = 5.600 kWh = 20,1 GJ aufweist. Zum Vergleich: Der Energieertrag von Sonnenkollektoren beträgt in Deutschland etwa 400 kWh pro Quadratmeter Kollektorfläche und Jahr. Für einen viel größeren, superisolierten Langzeitwärmespeicher mit einer deutlich höheren Wandstärke wurde heruntergerechnet auf ein Volumen von 1ℓ eine Abklingkonstante τ von etwas mehr als 16 h erreicht – die Thermoskanne ist also ein gutes Modell.

Der Vorteil gemeinsam genutzter Wärmespeicher

In der Regel wohnen mehrere Personen in unmittelbarer Nachbarschaft, was die Frage aufwirft, wie sich dies auf die Dimensionierung des Tanks auswirkt. Die Proportionalität der Abklingzeit zum Volumen-zu-Oberflächen-Verhältnis legt nahe, dass das benötigte Volumen eines gemeinsam genutzten Wärmespeichers unterproportional bzw. sublinear mit der Zahl der Personen wächst. Tatsächlich gilt für das notwendige Volumen unter der Voraussetzung, dass sich nach einem Jahr kaum noch Restwärme im Wärmespeicher befindet, näherungsweise V ~ n3/4. Für zehn Personen etwa müsste der Tank nur rund sechsmal größer sein, für 100 Personen nur 32-mal verglichen mit dem Tank für eine Person. Es wäre also sinnvoll, dass ein größerer Wärmespeicher von mehreren Häusern gemeinsam genutzt wird.

Literatur- und Link-Tipps

Michael Vollmer und Klaus-Peter Möllmann: „Rasante Physik: Alles kalter Kaffee?“, Physik in unserer Zeit, 5/2019 (50), S. 252–253

Informationen zu einem Architekten, der sein Wohnhaus mit einem großen Wärmespeicher ausgestattet hat:
www.bit.ly/3LFi9Pw

Informationen der Universität Stuttgart zu Projekten und Forschungsthemen im Bereich der solaren Nahwärme:
www.bit.ly/33oYWAB

Erläuterung zur Funktionsweise von Taschenwärmern; das Prinzip lässt sich auch im größeren Maßstab nutzen:
www.bit.ly/3sLJMhu

Statistik zur Beheizungsstruktur des Wohnungsbestandes in Deutschland in den Jahren 1995 bis 2020:
www.bit.ly/352FKsU

Video | Natronlauge als Wärmespeicher:
www.youtube.com/watch?v=sX8IRLSBSTQ

Resümee

Um mehr regenerative Energie in Fernwärmenetzen zu nutzen, wurden bereits mehrere größere Wärmespeicher errichtet, die Schwankungen im Energieangebot ausgleichen. Wärmespeicher eignen sich aber auch für Nahwärmenetze, also die Wärmeversorgung mehrerer benachbarter Häuser durch eine gemeinsame Wärmequelle. Wie groß ein Wärmespeicher sein sollte, lässt sich nicht pauschal entscheiden. Einen Anhaltspunkt kann aber eine Simulation für die Abnahme der gespeicherten Wärmemenge geben, die außer von der Größe des Speichers von vielen weiteren Parametern abhängt, etwa der Wärmekapazität des Speichermediums (s. Excel-Tabelle im Downloadmaterial). Um auf der sicheren Seite zu sein, sollte man sich aber bei einem einzelnen Ein- oder Zweifamilienhaus nicht allein auf eine Kombination von Solarthermie und Wärmespeicher verlassen. Mit der Simulation können zudem die Grenzen des Exponent-3/4-Potenzgesetztes untersucht werden (s. Downloadmaterial).

Download

Das Thema umfasst eine Vielzahl an möglichen Vertiefungen: Oberflächen-Volumen-Verhältnis verschiedener geometrischer Körper, Gebäude als Wärmespeicher, Wärmespeicherung im Erdreich, Arten des Wärmetransports, Lebewesen als Wärmespeicher u. v. m. Weiterführende Informationen und Berechnungen sowie eine Excel-Simulation finden Sie hier:

Prof. Dr. Daniel Gembris

ist Physiker und Dozent für Mathematik und naturwissenschaftliche Grundlagen an der Staatlichen Studienakademie Dresden der Berufsakademie Sachsen

Beitrag teilen:

Facebook
Twitter
LinkedIn
Pinterest
XING
WhatsApp
Email

Ähnliche Beiträge

Header_Entdeckt_02-2023 (18)
30. November, 2023
Die Versauerung der Ozeane hat dem Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung zufolge einen erheblichen Einfluss auf marine Lebensformen, insbesondere auf jene, die ihre Skelette und Schalen aus Kalk aufbauen (zum Beispiel Korallen, Muscheln, Schnecken, Kalkalgen). Diese Organismen spielen eine essenzielle Rolle im marinen Ökosystem. Der niedrigere pH-Wert des sauren Wassers beeinträchtigt jedoch ihr Wachstum und kann das gesamte Ökosystem aus dem Gleichgewicht bringen.
Header_Entdeckt_02-2023 (19)
30. November, 2023
Die Anschaffung von Unterrichtsmitteln ist oftmals eine kostspielige Angelegenheit. Auf der Suche nach Alternativen, die zudem die Selbstständigkeit, Kreativität und das handwerkliche Geschick von Kindern fördern, lohnt sich der Blick über Ländergrenzen hinweg. So zeigt der informelle Sektor in den wirtschaftlich ärmeren Ländern unserer Erde Improvisationstalente und einen innovativen Reichtum, den man in der formalen Schule westlicher Staaten oft vergeblich sucht. Not macht erfinderisch – sie provoziert Einfälle auch für scheinbare Abfälle, und es gibt offenbar nichts, was sich nicht durch Recycling herstellen lässt.
Raumfahrtmedizin_ORP
Gesponserte Inhalte
12. Oktober, 2023
Das Schulmaterial der Deutschen Raumfahrtagentur im DLR und Klett MINT erklärt anschaulich, wie Astronautinnen und Astronauten die Veränderungen ihres Körpers erleben, wenn sie ins Weltall reisen und welchen Nutzen Ihre Erfahrungen für uns auf der Erde haben.
coocazoo_Blog_Schlau_mit_Wow_neu
Gesponserte Inhalte
20. September, 2023
Die kompakte, fächerübergreifende Unterrichtsreihe für die 3. und 4. Klasse aus dem Bereich Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) unterstützt Ihre Schüler:innen, fundierte Entscheidungen bei der Rettung unseres Planeten zu treffen. Am Beispiel von Plastikmüll lernen sie Zusammenhänge kennen und verstehen.
MZ-01-23_Beitragsbild (1)
7. Juli, 2023
Denken Sie ab und zu einmal an Ihre Chemie-Unterrichtsstunden zurück? Haben Sie damals viel selbst experimentieren dürfen? Oder hätten Sie gerne mehr experimentiert? Diese Erfahrung teilen viele der Teammitglieder im Team Science & Education des JungChemikerForums (JCF) der Gesellschaft Deutscher Chemiker e.V. Sie haben sich daher entschlossen, einen Chemie Escape-Room für Schüler*innen zu entwickeln, um diese für die MINT-Fächer zu begeistern.
MZ-01-23_Beitragsbild
30. Juni, 2023
Wir leben in einer VUCA-Welt. Der Begriff wurde bereits Mitte der 1980er-Jahre in den Wirtschaftswissenschaften geprägt und später vor allem für den Bereich moderner Unternehmensführung und -strategien auskonzipiert. VUCA ist eine englische Abkürzung und beschreibt den Zustand des gesellschaftlichen Zusammenlebens (und damit die Märkte und das Wirtschaften) als veränderlich (volatile), unsicher (uncertain), komplex (complex) und mehrdeutig (ambiguous).
OVS-Ausschnitt-Stunde-Wege-des-Lichts
Gesponserte Inhalte
16. Juni, 2023
Die Kultusministerien meldeten laut einer Umfrage des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND) vom 25. Januar 2023 genau 12.341 unbesetzte Stellen. Bis 2025 werden bereits 25.000 Stellen unbesetzt sein, vor allem in den MINT-Fächern. Was tun?
MZ-02-23_Beitragsbild (2)
9. Juni, 2023
Das Schmelzen der Gletscher hat globale Folgen für das Leben auf dieser Erde. Einerseits stellen die Gletscher unsere Süßwasserspeicher dar. Ein Schmelzen würde zuerst zu Überschwemmungen und dann zu Wassernot führen. Andererseits verursacht das Schmelzen der Gletscher Klimaänderungen und damit verbunden einen Temperaturanstieg auf der Erde. Genau hier setzt das Physikexperiment an, in dem die Schüler*innen der 5. und 6. Klasse das Schmelzen von Eis erforschen und einen Zusammenhang mit dem Klimawandel herstellen. Hierfür wird eine digitale Experimentierumgebung im Comicformat zur Verfügung gestellt, die durch gestufte Lernhilfen adaptives Lernen ermöglicht.
2
19. Mai, 2023
Der Unterricht der naturwissenschaftlichen Fächer verläuft häufig problemorientiert. Das bedeutet, es werden Problemlöseprozesse durchlaufen, in denen die Lernenden zunächst mit einer realen, authentischen oder konstruierten Problemsituation konfrontiert werden, aus der sich ein oder mehrere Fragestellungen ergeben, die für die Lernenden nicht auf Anhieb lösbar sind. Was sie aber leisten können, ist, auf der Basis ihres Vor- oder Alltagswissens Ideen, Vermutungen oder gar Hypothesen zur Fragestellung zu formulieren, diese dann durch Auswertung empirischer Daten zu prüfen und über die erhaltenen Ergebnisse die Fragestellung(en) zu beantworten.
MZ-01-23_Beitragsbild (1)
15. April, 2023
Der Klimawandel beschreibt die langfristigen Veränderungen von Faktoren wie der Temperatur, des Niederschlags und der Meeresströmungen. Er schreitet bedrohlich schnell voran, trifft vor allem besonders vulnerable Gruppen und betrifft uns alle. Längst ist von einer Klimakrise die Rede, die die Gesundheit, Sicherheit und Ernährung, ja die gesamte Existenz der Menschheit bedroht. Wir alle bekommen den Klimawandel im wahrsten Sinne des Wortes zu spüren. Laut Angaben des Weltklimarates IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) sind 3,3 bis 3,6 Milliarden Menschen auf der Welt „hochgradig gefährdet“.
MZ-01-23_Beitragsbild
14. April, 2023
Eine verlorene Schiffsladung ist nicht nur ein Ärgernis für die Reederei, in den meisten Fällen hat solch ein Ereignis zudem negative Folgen für die Umwelt. Im Januar 1992 gelangten durch einen Sturm etwa 28.800 Kunststofftiere ins Meer. Unter dem Namen „Friendly Floatees“ wurden sie weltbekannt und halfen der Wissenschaft, die windgetriebenen Oberflächenströmungen besser zu verstehen.
LE-Klett-Mint-Kampagne-Header-4-1920x1080px
Gesponserte Inhalte
5. April, 2023
In der Grundschule sollen die Schülerinnen und Schüler nicht nur Wissen erwerben, sondern vielmehr eine Reihe wichtiger Kernkompetenzen, die sie für ihren weiteren Bildungsweg und ihr folgendes Alltagsleben benötigen. Mit dem Lernkonzept SPIKE TM Essential von LEGO® Education gelingt es Lehrkräften leicht, spielerisch-entdeckendes Lernen in ihren Klassenzimmern zu fördern und den Kindern damit alle relevanten Fähigkeiten schnell und nachhaltig zu vermitteln.