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Lernen durch Schreiben: Gilt das auch für MINT-Fächer?

Die Lehr-Lernforschung nimmt an, dass Schüler*innen Lerninhalte besser durchdringen und verstehen, wenn sie über diese Inhalte schreiben. Schreiben als explizite Lernaktivität erweist sich aber nicht nur als sinnvoll in den sozialwissenschaftlichen Fächern, in denen seit jeher viel geschrieben wird. Eine aktuelle Metaanalyse zeigt, dass dies genauso für die naturwissenschaftlich-mathematischen Fächer gilt.

Ein Beitrag von Dr. Maximilian Knogler und Annika Schneeweiss

Schreiben ist eine universelle Kulturtechnik. Im Schulkontext kann Schreiben unter anderem gezielt eingesetzt werden, um das Lernen von Fachinhalten zu fördern. Aus lerntheoretischer Sicht spricht vieles dafür, dass das Schreiben über Lerninhalte (im Englischen sagt man dazu auch writing to learn) dazu beiträgt, Wissen zu stärken, zu erweitern oder zu vertiefen. So setzt die Notwendigkeit, Inhalte schriftlich zu formulieren, verschiedene kognitive Prozesse in Gang, die vorhandenes Wissen aktivieren und zu einer besseren Verarbeitung und Speicherung der Lerninhalte beitragen.

Studien untersuchen diverse Schreibaktivitäten

Eine Metaanalyse aus dem Jahr 2020 untersucht deshalb empirisch, ob und welche Schreibaktivitäten zur Lernförderung das Lernen von Schüler*innen in unterschiedlichen Fächern effektiv fördern. Die Studien, die dafür in die Metaanalyse eingegangen sind, untersuchen eine große Bandbreite an verschiedenen Schreibaktivitäten: Die Schüler*innen sollten zum Beispiel kurze Notizen machen, Informationen zusammenfassen, Abläufe beschreiben, Sachverhalte erklären oder bei komplexen Sachverhalten Argumentationen entwickeln. Allen Schreibaktivitäten war gemeinsam, dass sie explizit angeordnet wurden, um die Lernleistung von Schüler*innen zu fördern. Außerdem sollten die Lernenden die Texte digital oder handschriftlich erfassen.

Die Studien umfassen verschiedene Schreibaktivitäten | © picjumbo.com – Pexels

Diagramme oder mathematische Gleichungen zu erstellen, gehörte ausdrücklich nicht dazu. Da unterschiedliche Schreibaktivitäten – etwa das Zusammenfassen oder der Vergleich von Inhalten – unterschiedliche Lernprozesse anstoßen, geht das Autorenteam davon aus, dass sich diese Unterschiede auch in den Lernergebnissen niederschlagen. Der Großteil der zugrunde liegenden Studien kommt dabei aus den naturwissenschaftlichen Fächern und der Mathematik. Etwa zwei Drittel der Studien stammen aus der Sekundarstufe und ein Drittel untersucht die Wirksamkeit in der Primarstufe.

Positive Ergebnisse über Fächer und Jahrgangsstufen hinweg

Über alle Studien hinweg ergab die Metaanalyse einen positiven und signifikanten Effekt zugunsten der Lernleistung von Schüler*innen, die mit Schreibaktivitäten im Unterricht lernten. Die Testergebnisse zeigen bei dieser Gruppe bessere Leistungen in der Erinnerung von Wissen, im Verständnis und in der Anwendung von Inhalten. Über die unterschiedlichen Schulfächer, Jahrgangsstufen und verschiedenen Schreibaktivitäten hinweg konnten Schüler*innen mit Schreibaktivitäten deutlich bessere Lernresultate erzielen als diejenigen, die ohne oder mit weniger Schreibaktivitäten lernten. Wie die Wirksamkeit von Schreiben als Lernaktivität konkret in einer Unterrichtseinheit untersucht wurde, zeigt eine beispielhafte Studie, die in die Metaanalyse eingegangen ist.

Beispielstudie: Schreiben im Biologieunterricht

Ein Forscherteam untersuchte in einer im Jahr 2004 durchgeführten Studie die Wirksamkeit von innovativen Schreibaufgaben im Biologieunterricht. Dabei sollte getestet werden, ob sich zwei Schreibaufgaben – ein Schulbuchbeitrag und ein Zeitungsartikel – besser auf die Lernleistung auswirken als nur eine Schreibaufgabe – der Schulbuchbeitrag. An der Studie nahmen 73 Schüler*innen der 10. Jahrgangsstufe aus vier Schulklassen teil. Die Jugendlichen wurden anhand ihrer Klassen in zwei Gruppen eingeteilt, die bezogen auf die Vorjahresleistungen der Schüler*innen homogen waren. Beide Schülergruppen erhielten zunächst die Aufgabe, einen Schulbuchbeitrag mit ca. 500 Wörtern zu verfassen. Darin sollten sie ein Thema aus der Biotechnologie für jüngere Schüler*innen verständlich erläutern. Anschließend erhielten die Teilnehmenden einer der beiden Gruppen, der Experimentalgruppe, zusätzlich die Aufgabe, einen kurzen Zeitungsartikel zu schreiben. In diesem sollten sie ihre Ideen aus der ersten Aufgabe erweitern und schriftlich vertiefen. Die Jugendlichen der anderen Gruppe – der Kontrollgruppe – absolvierten im selben Zeitraum stattdessen andere typische Lernaktivitäten: Zum Beispiel sollten sie Inhalte von der Tafel abschreiben oder Arbeitsblätter bearbeiten.

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Den Kurzreview zu den im Beitrag genannten Studien finden Sie hier:

Ergebnisse der Studie

Insgesamt waren die Schüler*innen sechs Wochen mit dieser Unterrichtseinheit beschäftigt, in der sie auch Feedback zu den Schreibaktivitäten erhielten und dieses einarbeiten konnten. Um zu bestimmen, wie wirksam sich die unterschiedlichen Maßnahmen auf die Lernleistung auswirken, mussten die Schüler*innen drei Tests bearbeiten, bestehend aus geschlossenen und offenen Fragen: Der erste Test fand nach dem Erstellen des Schulbuchbeitrags statt, der zweite Test nach dem Verfassen des Zeitungsartikels und der dritte Test acht Wochen später. Während sich nach der ersten Aufgabe (Test 1) keine Unterschiede in den Testleistungen zwischen Experimental- und Kontrollgruppe zeigten, ergaben sich bedeutsame Unterschiede zugunsten der Experimentalgruppe nach Aufgabe 2 und acht Wochen danach. Das Ergebnis zeigt, dass sich der verstärkte Einsatz von innovativen Schreibaufgaben für das naturwissenschaftliche Lernen lohnen kann.

Fazit für die Unterrichtspraxis

Im Einklang mit den Befunden der bereits seit Jahrzehnten bestehenden Forschung zu diesem Thema weisen die Befunde der aktuellen Metaanalyse insgesamt darauf hin, dass das Schreiben über Lerninhalte eine effektive Möglichkeit ist, den Lernerfolg von Schüler*innen zu fördern. Auch wenn Schreiben als Aktivität zur Lernförderung in der Realität häufig in sozialwissenschaftlichen Fächern zum Einsatz kommt, so zeigt die vorliegende Metaanalyse, dass die Wirksamkeit dieser Methode mindestens genauso gut für naturwissenschaftliche und mathematische Fächer untersucht ist. Schreibaktivitäten zur Lernförderung in diesen Fächern können darin bestehen, dass Schüler*innen Informationen zusammenfassen, Sachverhalte darstellen, Zusammenhänge und Unterschiede analysieren und interpretieren oder Argumentationen schriftlich erarbeiten.

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