Skip to content

Computer: Zufälle gibt es nicht

Ein Zufall lässt sich am besten definieren als ein nicht vorherzusagendes Ereignis. Diese Eigenschaft kommt in vielen Bereichen zur Anwendung, sei es im Glücksspiel oder bei der Auswahl von Teilnehmer*innen an Meinungsumfragen. In diesen Fällen sind Zufallszahlen die Basis für Fairness und Sicherheit. Auch für Verschlüsselungen sind Zufallszahlen unentbehrlich. Computer und Taschenrechner kennen jedoch keinen Zufall.

Ein Beitrag von Dr. Frauke Hoss

Bei Anwendungen zur Verschlüsselung kann man sich eine Zufallszahl vorstellen wie den Code zu einem Zahlenschloss, den niemand erraten darf, auch nicht mit gigantischer Rechenleistung. In Simulationen für Wettervorhersagen ersetzen Zufallszahlen langwierige Berechnungen von komplexen und manchmal noch nicht ganz erforschten, natürlichen Prozessen.

Zufall vs. Programmcode

Computer und (grafische) Taschenrechner kennen allerdings keinen Zufall. Sie machen ausschließlich das, was ihnen aufgetragen wurde. Sie durchlaufen einfach nur den einprogrammierten Code. Daher ist es ihnen unmöglich, echte Zufallszahlen zu generieren. Dieses Problem wird durch Pseudozufallszahlengeneratoren umschifft.

Simulation für den MINT-Unterricht

Im Schulunterricht wird die Funktion rand() zum Beispiel im Fach Stochastik genutzt, um Zufallsexperimente zu simulieren. Eine mögliche Aufgabe wäre, die Passagierzahlen von 500 Flügen mit dieser Funktion zu simulieren, um festzustellen, ob sich Überbuchungen für eine Fluggesellschaft statistisch gesehen lohnen. Die Aufgabe samt der Lösung finden Sie hier:

Auch der Mersenne-Twister nutzt zu Beginn die duale Schreibweise

So funktioniert der Mersenne-Twister

Die rand()-Funktion in Excel wendet einen der am meisten genutzten Pseudozufallszahlengeneratoren an: den Mersenne-Twister (siehe Videotipps). Dieser Algorithmus ist so populär, weil die Zufallszahlen, die er generiert, sehr gleichmäßig verteilt sind und man bei praktischen Anwendungen davon ausgehen kann, dass seine Zahlenfolgen sich nicht wiederholen. Zudem ist der Algorithmus sehr schnell. Der Mersenne-Twister beginnt mit 624 Startzahlen in ihrer dualen Schreibweise – also als Reihen von Einsen und Nullen. Um eine neue Zufallszahl zu erstellen, kombiniert und verschiebt der Algorithmus drei dieser Reihen in mehreren Schritten. Diese neue Zahl ersetzt die ursprüngliche Startzahl. Die hat die gleichen Eigenschaften wie eine Zufallszahl, ist aber nicht wirklich zufällig. Wenn man den Algorithmus nämlich mit den gleichen 624 Zahlen startet, wird er immer die gleiche Zahlenfolge erzeugen. Der Startzahl, dem sogenannten Seed, kommt also große Bedeutung zu. Wer den Seed errät, kann die ganze daraus folgende „zufällige“ Zahlenfolge ermitteln. Seeds können aus allen möglichen Dingen abgeleitet werden, die mehr oder weniger zufällig sind: aus Tastaturanschlägen, der aktuellen Uhrzeit in Millisekunden, dem 168.-beliebtesten Spotify-Song auf Tahiti oder dem thermischen Rauschen eines elektronischen Computerbestandteils, um nur einige Beispiele zu nennen. Dabei könnten Hacker*innen natürlich eher ein Muster in Tastaturanschlägen finden, um diese vorherzusagen, als in natürlichen Phänomenen wie atmosphärischem Rauschen oder radioaktivem Zerfall. Allerdings sind Letztere auch sehr viel schwerer zu messen.

Auch Komplexität lässt sich erzeugen

Es ist also nicht ganz einfach, ohne allzu großen Aufwand Startzahlen zu finden, die man nicht zu einfach erraten kann. Aber je komplexer Dinge sind, desto schwieriger sind sie vorherzusagen. Und Komplexität lässt sich auch auf andere Weise erzeugen. Wenn man zum Beispiel zwei relativ schwache Startzahlen hat, etwa die Uhrzeit und Mausklicks, kann man diese kombinieren. Vergleichbar ist das damit, dass man etwa zum Geldabheben nicht nur die Girokarte braucht, sondern auch noch den PIN-Code. Wenn man aber eine Zufallszahl braucht, um einen Pseudozufallszahlengenerator zu starten, warum nimmt man dann nicht gleich die Startzahl? Moderne Anwendungen brauchen oft sehr viele Zufallszahlen. Besonders wenn man natürliche Prozesse misst, kann man nicht schnell genug tatsächlich zufällige Zahlen ermitteln. Pseudozufallszahlengeneratoren sind da sehr viel schneller. Mit nur einem Satz an Startzahlen kann der Mersenne-Twister 4,3 × 106001-mal neue Werte generieren, bevor die Zahlenfolge sich wiederholt.

Beitrag teilen:

Facebook
Twitter
LinkedIn
Pinterest
XING
WhatsApp
Email

Ähnliche Beiträge

Illustration von Neutronensternen
18. März, 2025
Mit Gravitationswellen lassen sich die verborgenen Seiten des Alls belauschen. Die meisten bislang entdeckten Quellen sind kollidierende Schwarze Löcher.
Erschöpfte Frau greift sich an die Stirn
3. März, 2025
Lampenfieber vor einer Präsentation, Prüfungsangst oder einfach ein stressiger Schultag – Stress gehört für viele Schüler:innen leider zum Schulalltag, ebenso wie für Lehrkräfte. Doch zu viel davon kann die Konzentration und das Wohlbefinden beeinträchtigen. Genau hier kommt der Vagusnerv ins Spiel: Wie kein anderer Nerv hat der längste Nerv unseres Körpers, der Vagusnerv, und das damit verbundene parasympathische Nervensystem, in den letzten Jahren höchstes Interesse bei gesundheitsorientierten Menschen gewonnen. Kein Wunder, ist er doch DAS zentrale Kommunikationsorgan zwischen dem Gehirn und den Körperorganen. Das Beste: Er lässt sich aktivieren.
Zeppelin in der Abendsonne
25. Februar, 2025
Von Radaröfen haben Sie nie gehört? Auch Hydrobergbau ist Ihnen kein Begriff, ebenso wenig wie die Kohlenstaub-Lokomotive? Selbst beim Itera-Plastikfahrrad oder beim Elektropflug glimmt kein Erinnerungsfunke auf? Kein Grund zur Sorge: Fast niemand erinnert sich mehr an diese Dinge, denn es sind „gescheiterte Innovationen“, deren Existenz über kurz oder lang von der Welt vergessen wurde. In Erinnerung sind bestenfalls die angesichts verlorener Subventionsmillionen spektakuläreren Fälle, etwa die zumindest vorerst gefloppte Magnetschwebebahn Transrapid oder der 2002 wohl endgültig gescheiterte Frachtzeppelin Cargolifter, in dessen Halle sich heute immerhin vom Urlaub in den Tropen träumen lässt.
Forscherin mit Handschuhen bearbeitet eine grüne Salatpflanze im Labor mit einer Pinzette
20. Februar, 2025
Die Klimakrise verschärft sich rasant und stellt schon jetzt weltweit Menschen vor existenzielle Probleme, auch im Hinblick auf Landwirtschaft und Ernährung. Die Landwirtschaft leidet unter den Folgen der Klimakrise und muss sich an die neuen Extremwettersituationen anpassen. Zudem erhöhen das massive Artensterben und andere ökologische Folgen menschlichen Handelns zunehmend den Druck, bisherige ökonomische und soziale Praktiken zu hinterfragen und zu verändern. Ein aktuell kontrovers diskutierter Ansatz ist die Neue Gentechnik (NGT).
viele Euro-Münzen auf einem Haufen
20. Februar, 2025
Der reichste Mann der Welt ist der Entenhausener Erpel Dagobert Duck. Auch der zweit-reichste Mann ist ein Erpel. Er heißt Mac Moneysac und lebt in Simililand in Südafrika. Erst auf Platz drei kommt mit dem Amerikaner Elon Musk ein Mensch. Doch wie reich Dagobert Duck ist, darüber gibt es unterschiedliche, zum Teil stark widersprüchliche Angaben, und da er, genau wie Donald Trump, seine Steuererklärungen nicht veröffentlicht, wird man die genaue Größe seines Vermögens wohl auch nie erfahren. Der am häufigsten genannte und wahrscheinlichste Wert ist 30 Fantastillionen Taler. Aber wie groß ist die Zahl Fantastillion?
Schüler und Schülerin sitzen an einem Tisch im Klassenzimmer, während ihnen die Lehrerin etwas erklärt
11. Februar, 2025
Die Auseinandersetzung mit politischer Neutralität in Schulen und die Verantwortung von Lehrkräften in gesellschaftlichen Krisensituationen sind von zentraler Bedeutung für die Weiterentwicklung und den Schutz einer demokratischen und menschenfreundlichen Gesellschaft. Der Beutelsbacher Konsens bietet seit Jahrzehnten Orientierung für die politische Bildung in der Schule, auch über den Politikunterricht hinaus. Er betont die Notwendigkeit, kontroverse Themen im Unterricht kontrovers zu behandeln, ohne die Schüler:innen dabei zu indoktrinieren.
Mädchen löst eine Matheaufgabe
22. Januar, 2025
Trotz vielfältiger Maßnahmen in den Bereichen Gendersensibilisierung, Geschlechtergerechtigkeit und Chancengleichheit sind Frauen in Deutschland in MINT-Berufen im Schnitt immer noch unterrepräsentiert. Zwar gibt es mittlerweile Fachgebiete mit paritätischer Verteilung (etwa Biologie, Medizin), aber auch viele Fachgebiete mit weiterhin extrem niedrigen Frauenanteilen (beispielsweise Physik, Ingenieurswissenschaften). Das zeigt, wie wichtig es ist, eine gendersensible MINT-Bildung zu fördern, die Mädchen und junge Frauen gezielt ermutigt, sich in bisher männerdominierten Bereichen auszuprobieren und langfristig Fuß zu fassen.
Bild eines Schülers mit VR-Brille
16. Januar, 2025
Kann die Zukunft uns verzaubern? Oft blicken wir mit gemischten Gefühlen auf das, was vor uns liegt. Doch Trend- und Zukunftsforscher wie Matthias Horx ermutigen uns, die Möglichkeiten von morgen nicht nur als mitunter Angst einflößende Herausforderung, sondern auch als vielversprechende Chance zu sehen. Sein Buch Der Zauber der Zukunft lädt dazu ein, sich mit einem positiven Blick auf Veränderungen einzulassen – ein Gedanke, der gerade für Lehrkräfte spannend ist. Doch wie können wir diese Perspektive auch in die Klassenzimmer bringen?
Mit dem DESI-Instrument in Arizona wird gegenwärtig eine dreidimensionale Karte der Position und Bewegung vieler Millionen Galaxien erstellt
27. November, 2024
Der Erkenntnisfortschritt der modernen Kosmologie verlief in den letzten zwei, drei Jahrzehnten rasant. Und doch sind die Konsequenzen äußerst kurios. Noch tappt die Wissenschaft vom Universum buchstäblich im Dunkeln, denn der Hauptbestandteil des Alls ist rätselhaft.
Strahlend heller Sonnenschein am klaren blauen Himmel mit ein paar zarten, dünnen Wolken im Hintergrund.
25. November, 2024
Wie fängt man Sonnenlicht am besten ein? Das ist nicht nur bei der Aufstellung von Photovoltaikanlagen wichtig, sondern auch für die Sonnenenergiewandler der Pflanzen, also bei ihren Blättern und deren Verzweigung und Ausrichtung. Es ist nicht vorteilhaft, wenn sie sich gegenseitig im Wege stehen und beschatten. Die Blattstellung folgt einem geometrischen Muster, das, mathematisch betrachtet, mit Spiralen, Selbstähnlichkeit, Fibonacci-Zahlen und dem Goldenen Winkel zu tun hat.
Mehrere Hände, die in einem Klassenzimmer vor einer Tafel mit mathematischen Formeln in die Luft gehoben sind
15. November, 2024
Bildungsdiskussionen in Deutschland sind immer auf Messers Schneide: Auf der einen Seite müssen wir darüber sprechen, was wir eigentlich erreichen wollen. Auf der anderen Seite soll es nicht in langwierige Diskussionen über abstrakte Begriffe abdriften. Was vonnöten ist, ist ein Kern, der die Diskussion bestimmt. Dieser liegt darin, warum wir noch Schulen haben. Sie sind Orte des Lernens – oder sollten es sein. Wir brauchen einen Gegenentwurf zu dem traditionellen Schulverständnis.
Energiefresser Internet
28. Oktober, 2024
Das Internet ist zu einem unverzichtbaren Teil unseres Alltags geworden. Wir alle nutzen es, wenn auch zu ganz unterschiedlichen Anteilen, zur Kommunikation, Unterhaltung, Arbeit und Bildung. Doch kaum jemand macht sich Gedanken darüber, wie viel Energie für all diese Dienste und Daten im Netz aufgewendet werden muss.