Egal um welches Fach es sich handelt, jede Lehrkraft kommt mit dem Thema Urheberrecht in Berührung und sollte deshalb mit den Grundlagen vertraut sein. Dabei geht es nicht nur um den Umgang mit im Unterricht eingesetzten Materialien, sondern auch darum, die Schüler*innen zu sensibilisieren.
Ein Beitrag von Henry Steinhau
Lehrerin X lässt im Rahmen einer Schulprojektwoche zum Thema Klima und Erderwärmung ihre Klasse eine Wandzeitung erstellen. Hierbei verwenden die Schüler*innen auch aus dem Internet heruntergeladene Fotos und mit dem Smartphone abfotografierte Artikel aus Zeitungen. Eine Gruppe überträgt die Wandzeitung als digitale Version auf die Homepage der Schule.
Ein paar Tage später interveniert die Direktorin, lässt die Wandzeitung von der Schulhomepage nehmen und bittet die Lehrerin zum Gespräch. Lehrer Y will im Deutschunterricht über einen gerade im Kino laufenden Superheldenfilm reden, als Beispiel für Comics als Literaturgattung. Dafür hat er sich den Filmtrailer auf YouTube markiert. Im Unterricht kommt ein Schüler auf die Idee, den Film aus dem Internet herunterzuladen und sich in der Klasse anzusehen. Daraufhin führt der Lehrer eine Unterhaltung mit der Klasse über urheberrechtliche Verbote. Lehrerin Z macht einen Ausflug mit ihrer Klasse in eine Kunstausstellung und gibt den Arbeitsauftrag, das Erlebte im Stil eines Blogs mit Fotos als Hausarbeit anzufertigen. Eine Schülerin stellt ihre Fotos von den Kunstwerken ohne weitere Kommentare auf ihre Instagram-Seite. Kurz darauf fragt ihre Mutter bei der Lehrerin an, ob sie mit den Kindern über den Umgang mit Fotos von Kunstwerken geredet habe. Diese Beispiele betreffen den Arbeitsalltag von Lehrer*innen auf zwei Ebenen: zum einen die Frage, wer eigentlich für Urheberrechtsverletzungen haften muss, die sich – verallgemeinert ausgedrückt – „in der Schule“ ereignen. Zum anderen die Frage, ob oder inwieweit Lehrer*innen dazu verpflichtet sind, ihre Schüler*innen über urheberrechtliche Regelungen, Erlaubnisse und Verbote aufzuklären.
Schulträger haftet
Tatsächlich haftet die Schule beziehungsweise der Schulträger für urheberrechtliche Verfehlungen, die in ihrem/seinem Wirkungsbereich stattfinden, etwa auf der Homepage der Schule. Diesbezüglich berufen sich Jurist*innen meist auf einen Fall, den das Oberlandesgericht Frankfurt/Main im Jahr 2016 verhandelte. Damals ging es um die Veröffentlichung von Cartoons auf einer Schulhomepage durch eine Lehrerin, für die weder sie noch die Schule Nutzungsrechte hatte. Selbst wenn der Schulträger als Dienstherr oder Arbeitgeber fungiert und damit rechtlich haftet, könnten Lehrer*innen zur Verantwortung gezogen und womöglich in Regress genommen werden, wenn sich nachweisen ließe, sie hätten ihre Dienstpflichten verletzt – und dies im Übrigen unabhängig davon, ob die Lehrkraft angestellt oder verbeamtet ist. Das bedeutet, die im ersten Beispiel genannte Lehrerin hätte sich wohl darum bemühen müssen, für die Fotos und Artikel entsprechende Erlaubnisse der Rechteinhaber*innen einzuholen, bevor sie die Fotos auf der Schulhomepage öffentlich stellen lässt. Solange die ursprüngliche Wandzeitung ausschließlich in einem Klassenzimmer hängt, ist es unproblematisch, darauf geschützte Fotos und Faksimiles von Artikeln zu verwenden. Daher ist nachvollziehbar, dass sich die Direktorin über den Ablauf informieren will.
Keine Aufklärungs-, gleichwohl Fürsorge- und Aufsichtspflicht
Auch in den zwei anderen Beispielfällen fragt sich, ob Lehrer*innen in ihrem Unterricht über die Regelungen des Urheberrechts aufklären müssen. Dazu ist kurz zu betrachten, wie sich das Thema „Urheberrecht“ aus schulischer Sicht einordnen ließe. Smartphones gehören für viele Kinder zum Alltag. Oft kennen sie Messenger und Chats, soziale Netzwerke und Webseiten. Und früher oder später sind sie damit vertraut, dass man auf digitalen Geräten Bilder, kurze Animationen und Filme nicht nur ansehen, sondern auch aufnehmen, herunterladen, speichern und auf sozialen Plattformen oder eigenen Webseiten für alle sichtbar „veröffentlichen“ kann. Dass hierbei aber nicht alles, was möglich, auch erlaubt ist, müssen Kinder und Jugendliche genauso lernen wie viele andere soziale Verhaltensweisen, Straßenverkehrsregeln oder Hausordnungen, etwa in einem Museum. In diesen Kanon von Benimmregeln, Vorschriften und Gesetzen, die Bürger*innen kennen müssen, gehören heutzutage auch urheberrechtliche Regelungen. So betrachtet obliegt es – neben den Eltern – auch Lehrkräften, die Schüler*innen über urheberrechtliche Aspekte aufzuklären, es gehört gewissermaßen zu ihrer Aufsichts- und Fürsorgepflicht. Also, dass man beispielsweise Fotos, Cartoons, Zeichnungen oder auch Filme bei sich zu Hause oder auch im Klassenzimmer anschauen, sie jedoch nicht ohne Weiteres selbst veröffentlichen darf, etwa auf der Schulhomepage oder im persönlichen Instagram-Kanal. Solche Erläuterungen sind noch wichtiger, wenn Lehrer*innen innerhalb des Unterrichts digital medial arbeiten lassen oder entsprechende Gruppen- oder Hausaufgaben stellen. Es bietet sich an, urheberrechtliche Themen stets anlassbezogen zu vermitteln. Auch wenn diese als Lehrinhalte nicht im Rahmenplan stehen, gibt es dafür in mehreren Fächern Anknüpfungspunkte. Etwa in Kunst, um zu thematisieren, dass Künstler*innen für die Ausübung ihrer Kunst darauf angewiesen sind, dass ihre Werke urheberrechtlich geschützt sind. In Sozialkunde oder Deutsch ließe sich besprechen, was zu beachten ist, wenn man Fotos von anderen Menschen ins Netz stellen will. Zudem gibt es Handlungen, die nicht nur offensichtlich rechtswidrig sind, sondern auch Strafen nach sich ziehen können, wie etwa das Herunterladen aktueller Kinofilme oder Musikalben von erkennbar illegalen Plattformen. Spätestens wenn sie erfahren, dass so etwas im schulischen Kontext stattfindet, sind Lehrkräfte gefordert, aufzuklären und es in der Schule nicht zu dulden.
Fazit
Schulische Lehrkräfte sollten über ein solides Grundwissen zum Urheberrecht verfügen. Und das einerseits bezogen auf ihren eigenen Arbeitsalltag mit Unterrichtsmaterialien, Schulbüchern und vernetzten Medien (siehe Artikel in MINT Zirkel Ausgabe 2 / Mai 2021). Andererseits gilt für sie auch, ihre Schüler*innen hinreichend zu sensibilisieren und aufzuklären, weil Kenntnisse bezüglich urheberrechtlicher Regelungen im Zeitalter von Smartphones und sozialen Netzwerken zu den wichtigen Alltagskompetenzen gehören. Nicht zuletzt stehen Lehrer*innen gegenüber der Schule beziehungsweise dem Schulträger aufgrund ihrer dienstlichen beziehungsweise vertraglichen Aufgaben in der Pflicht,
innerhalb ihres Wirkens an der Schule keine Urheberrechtsverletzungen zu begehen oder zuzulassen.
Henry Steinhau
ist Journalist und Redakteur, er arbeitet im Team Forschung & Projekte beim iRights.Lab, dem Berliner Thinktank für die digitale Welt. Seine Schwerpunktthemen sind Urheberrecht und OER, Medienwissen und Mobilität. Zudem ist er seit Langem in der Weiterbildung und der Hochschullehre aktiv. www.irights-lab.de
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