Quanten haben Hochkonjunktur. Neben der Industrie investiert nun auch die Bundesregierung im Rahmen der Corona-Konjunkturhilfe zwei Milliarden Euro in Quantentechnologie „made in Germany“. Entsprechend hoch sind die Erwartungen. Führen Quantenrechner zum Durchbruch in der KI-Entwicklung?
Ein Beitrag von Clarissa E. Staudt, Deutsches Jungforschernetzwerk – juFORUM e. V.
Selbstfahrende Autos, medizinische Diagnosen und Bonitätsprüfungen – in all diesen Bereichen kommt maschinelles Lernen zum Einsatz. Damit ein Computer solche komplizierten Aufgaben lösen kann, sammelt er zunächst Erfahrungen über die in Daten vorhandenen Muster und Gesetzmäßigkeiten. Informatiker*innen müssen sich während dieser Lernphase in Geduld üben. Bis eine Maschine ihr Training abgeschlossen hat und neue Informationen korrekt einordnen kann, vergehen Stunden, Tage und manchmal sogar Wochen. Doch das zähe Warten könnte dank Quantencomputern der Vergangenheit angehören, wie Google bereits 2019 medienwirksam demonstriert hat. Die firmeneigene Wundermaschine löste eine komplexe Rechenaufgabe schneller als jeder konventionelle Computer: in nur drei Minuten statt 10.000 Jahren. Eine exponentielle Verkürzung der Rechenzeit ist auch bei vielen Machine-Learning-Anwendungen denkbar. Wenn man statt eines klassischen Rechners Quantencomputer einsetzt, spricht man von „Quantum Machine Learning“. Doch wie funktioniert das?
Verschränkung und Superposition
Quantencomputer arbeiten mit Qubits, die aufgrund ihrer Quanteneigenschaften einen Überlagerungszustand (= Superposition) annehmen. Qubits können außerdem miteinander verknüpft werden (= Verschränkung) und damit einen komplexeren Gesamtzustand erreichen. Mehrere Lösungsmöglichkeiten eines Problems lassen sich so gleichzeitig erkunden. Doch die Technologie hat ihre Tücken. Qubits sind äußerst störanfällig, was den Bau größerer Quantencomputer erschwert. In solchen Systemen wären die allermeisten Qubits damit beschäftigt, die ständig neu auftretenden Fehler auszubügeln.
Um Qubits zumindest für den Bruchteil einer Sekunde stabil zu halten, müssen Forscher*innen die Quantenchips von magnetischen und elektrischen Feldern abschirmen und sie bis auf wenige tausendstel Grad über dem absoluten Nullpunkt herunterkühlen. Allein diese technischen Voraussetzungen sorgen dafür, dass Quantencomputer vorerst ihre hochspezialisierten Laborumgebungen nicht verlassen werden. Neben den beschriebenen Hardwareproblemen muss die Wissenschaft weitere Hürden überwinden.
Beim maschinellen Lernen werden Rechner während der Lernphase mit riesigen Datenmengen gefüttert. Das ist bei Quantencomputern mitunter so aufwendig, dass der Quantenvorteil im Vergleich zum klassischen Rechner dahinschmilzt. Die Mühe lohnt sich folglich nur bei komplexen Problemen, wie zum Beispiel der Suche nach neuen Medikamenten, der Modellierung des Finanzmarkts oder der automatisierten Verbesserung von Batterien. Quantencomputer sind dementsprechend keine Universallösung, könnten aber bislang Unmögliches möglich machen.
Quantenrevolution?
Doch bis die Quantenrevolution da ist, kann es dauern. Falls der ersehnte Durchbruch ausbleibt, könnte die Industrie aus dem Projekt aussteigen und die Regierung die Forschungsgelder drastisch kürzen. Der von Forscher*innen befürchtete Quantenwinter würde anbrechen. Ähnliche Durststrecken, die als „Winter der künstlichen Intelligenz“ bekannt wurden, gab es bereits in den 1970er- und frühen 1990er-Jahren. Damals blieb der Fortschritt im Bereich des maschinellen Lernens weit hinter den zuvor geweckten Erwartungen zurück. In der Folge wurden die Gelder gestrichen und die Disziplin in einen Winterschlaf versetzt. Doch nach jedem Winter folgt bekanntermaßen ein Frühling. Damit Quantencomputer ihr volles Potenzial entfalten können, braucht es Geduld. Geduld, wie man sie aus der KI-Forschung kennt.
Clarissa E. Staudt, Deutsches Jungforschernetzwerk – juFORUM e. V.