Skip to content

Abschleppdienst im All

Die Planetenringe des Saturns können wir auf vielen eindrucksvollen Weltallfotos bestaunen. Doch den Titel für den Planeten mit den schönsten Ringen könnte die Erde dem Saturn schon bald streitig machen – mit verheerenden Folgen für uns Erdlinge.

 

Seit 1957 schickt die Menschheit regelmäßig Raketen, Raumstationen und Satelliten ins All. Besonders die Satelliten haben einen riesigen Einfluss auf unser Leben auf der Erde. Sie sorgen z.B. dafür, dass wir mit dem Navigationsgerät den Weg in eine andere Stadt finden. Mittlerweile aber haben viele ältere Satelliten das Ende ihrer Lebenszeit erreicht. Zusammen mit Raketenteilen schwirren sie als Weltraumschrott weiter im Orbit herum, wir können nichts tun, um einen zufälligen Zusammenstoß zwischen Schrottteilen zu verhindern. Eine solche Karambolage kann schnell sehr gefährlich werden: Die Objekte zersplittern in viele kleine, unkontrollierbare Bruchstücke, die andere Teile rammen können – auch aktive Satelliten oder die Raumstation ISS. Auf die Gefahr von Weltraumschrott-Kollisionen machte Donald Kessler bereits 1978 aufmerksam. Mithilfe von statistischen Berechnungen zeigte er, dass ein zufälliger Zusammenstoß wie ein Dominostein eine ganze Reihe von weiteren Zusammenstößen lostreten könnte. Am Ende dieser Kettenreaktion stünde eine Erde, die wie der Saturn von Ringen umgeben wäre – Ringen aus unberechenbaren Schrottteilen –, die die Raumfahrt unmöglich machen würden. Also brauchen wir ein paar wirklich gute Ideen, um den Weltraumschrott wieder loszuwerden!

Dragsail – Bremsschirm für Satelliten

Die Herausforderung dabei lässt sich auf ein Energieproblem zurückführen: Jedes Objekt, das heute als Weltraumschrott gilt, wurde früher durch einen Launcher ins All befördert. Dabei wurde ihm eine große Menge potenzielle und kinetische Energie übertragen, die ihm nun für den Deorbit wieder genommen werden muss. Die naheliegendste Methode wäre, einen Satelliten zu schicken, der das Objekt einfängt und durch die Verbrennung von Treibstoff abbremst. Allerdings sind dazu sehr große Mengen Treibstoff notwendig, was eine Aufräumsonde groß und teuer
macht. Alternativ existieren aber auch sehr viel günstigere passive Methoden, die eine Bremskraft durch physikalische Effekte im Orbit erzeugen. Zwei Ansätze dazu basieren auf der Ausnutzung von atmosphärischem Widerstand und elektromagnetischen Wechselwirkungen. 

Tether im Einsatz

Die Atmosphäre besitzt keine harte Grenze, auch in niedrigen Orbits sind noch Reste davon zu finden. Weil der Luftwiderstand nicht nur von der Dichte abhängt, sondern auch quadratisch mit der Geschwindigkeit V2 steigt, lässt sich auch bei geringen Dichten noch eine Bremswirkung erzeugen, denn Satelliten bewegen sich im Orbit mit über 7,7 km/s! Um also diese Bremswirkung optimal zu nutzen, kann man die Querschnittsfläche der Satelliten zum Beispiel durch ein Dragsail – eine Art Bremsschirm – vergrößern.

Elektrodynamisches Tether

Der zweite Effekt kann mithilfe eines sogenannten elektrodynamischen Tethers genutzt werden. Das ist ein langes Kabel, das aus dem Satelliten heraushängt und Richtung Erde zeigt. Mit diesem langen Leiter, der die oberen, elektrisch geladenen Atmosphärenschichten (Ionosphäre) durchstreift, kann der Satellit Ladung einsammeln und einen Stromfluss durch das Tether erzeugen. Da die Erde ein natürliches Magnetfeld besitzt, haben wir jetzt einen bewegten Leiter in einem Magnetfeld, also genau die Voraussetzungen, unter denen die Lorentzkraft auftritt. Diese können wir nutzen, um den Satelliten zu bremsen. Hat unser Aufräumsatellit genügend Bremswirkung erfahren, sinkt er irgendwann so stark ab, dass er gemeinsam mit dem Schrottobjekt komplett in die Atmosphäre eintritt und dort verglüht. Eine Sternschnuppe am Horizont ist auf jeden Fall schöner als ein Ring voller Müll, oder?

 

Louisa Gerhard
Niklas Wendel
juFORUM e.V.

Beitrag teilen:

Facebook
Twitter
LinkedIn
Pinterest
XING
WhatsApp
Email

Ähnliche Beiträge

MZ-2023_Beitragsbild (1)
15. September, 2023
Digital First, Textverstehen zweitrangig? Der Eindruck könnte entstehen, wenn man das Leseverhalten von Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit den Ergebnissen der empirischen Leseforschung kontrastiert. Denn die Leseforschung sagt, dass wir anspruchsvolle Sachtexte weniger gut verstehen, wenn wir sie digital lesen. Befragt nach ihren Lesegewohnheiten berichten aber Studierende, dass sie mehr als 80  Prozent ihrer Lesezeiten vor dem Bildschirm verbringen. Belletristik wird hingegen lieber auf Papier gelesen als auf dem E-Reader. Dabei gibt die Leseforschung mit Blick auf die narrativen Texte Entwarnung: Ein Nachteil ist mit der digitalen Lektüre nicht verbunden.
MZ-01-23_Beitragsbild BecksEcke
27. Juni, 2023
Ein raffiniertes Konzept könnte die elementarsten Arbeitsschritte eines Rechners auf eine völlig neue Grundlage stellen – aber das wird voraussichtlich nicht passieren.
MZ-02-23_Beitragsbild (4)
16. Juni, 2023
Viel Glück im neuen Jahr – das sollen die kleinen „Glücksklee“-Blumentöpfe verheißen, die alljährlich zu Silvester auf den Markt kommen. Tatsächlich handelt es sich dabei um Sauerklee (Oxalis tetraphylla) aus Mexiko, bei dem alle Blätter grundsätzlich aus vier Einzelblättchen bestehen. Ein Glücksklee (Trifolium repens) verdient aber seinen Namen gerade dadurch, dass er sich nur mit etwas Glück finden lässt. Die normalen Blätter von echtem Klee bestehen aus drei Blättchen, die fingerförmig angeordnet sind. Daher der wissenschaftliche Gattungsname Trifolium, also Dreiblatt. Bei nur einem von 5.000 Blättern sind vier Blättchen vorhanden – solche Seltenheiten gelten in vielen Kulturen als Glücksbringer. Ob Gene oder Umwelt zu Viererklees führen, wird schon seit Jahrzehnten diskutiert. Der Schlüssel zum Glück(sklee) ist zwar noch nicht gefunden, aber sein Versteck konnte eingegrenzt werden.
MZ-02-23_Beitragsbild
2. Juni, 2023
Frei schwebend vor dem schwarzen Hintergrund des Weltalls leuchtet die blaue Weltkugel: „The Blue Marble“, aufgenommen am 7. Dezember 1972 etwa 29.000 Kilometer entfernt von der Erde von der Crew der Apollo 17 auf dem Weg zum Mond. Die analoge Hasselblad-Mittelformatkamera mit f-2,8/80 mm Festbrennweite von Zeiss bannt die ganze Erde auf ein Bild und zeigt dabei fast ganz Afrika, den Atlantik und den Indischen Ozean mit einem entstehenden Taifun über Indien.
MZ-01-23_Beitragsbild (4)
30. Mai, 2023
In einem spannenden Forschungsprojekt der Freien Universität Berlin werden Honigbienen zu Verbündeten, um den schädlichen Umwelteinflüssen von Agrargiften auf die Spur zu kommen.
MZ-01-23_Beitragsbild (3)
26. Mai, 2023
Erstmals wurde ein Planetoid beschossen, um seine Umlaufbahn zu verändern. Der Test hat gezeigt, dass sich die Menschheit künftig gegen Meteoriteneinschläge aus dem Weltraum wehren kann.
pay-1036469_960_720
11. Mai, 2023
Warum klettern wir ohne Sauerstoffgerät auf den Mount Everest oder durchsteigen im Winter die Eigernordwand? Warum wollen wir immer schneller laufen, immer höher springen oder eine Kugel immer weiter stoßen? Warum reisen wir zum Nordpol, zum Südpol oder zum Mond? Warum haben die Menschen des Mittelalters gigantische und viel zu große Kirchen gebaut? Es ist nicht leicht, diese Fragen zu beantworten. Rationale Gründe, so etwas zu tun, gibt es nicht. Vielleicht ist es das Erfahren und Hinausschieben der eigenen Grenzen, das den Menschen einen süchtig machenden Kitzel verschafft. Vielleicht ist es auch der Genuss des Ruhms, die oder der Größte, Schnellste, Beste oder Weitestgereiste zu sein.
MZ-01-23_Beitragsbild (2)
28. April, 2023
Fortwährende komplexe Krisenszenarien erfordern von Lehrkräften und Schulen eine stärkere und fächerübergreifende Handlungsorientierung bei der Begleitung von Schüler*innen in ihrer Auseinandersetzung mit der Welt. Lehrkräfte haben hier eine zentrale Vorbildfunktion, die nicht zuletzt einen konstruktiven und reflektierten Umgang mit den eigenen Belastungen durch kleine alltägliche bis hin zu großen globalen Krisen erfordert.
MZ_2022_04_Heft
14. März, 2023
Biokraftstoff gilt als umwelt- und klimafreundliche Alternative zu fossilen Treibstoffen. Denn weil er aus Pflanzen erzeugt wird, gibt er bei seiner Verbrennung kaum mehr Kohlendioxid ab, als die Pflanzen zuvor bei ihrem Wachstum aufgenommen haben – so jedenfalls die Theorie. Doch gibt es bei der Sache vielleicht einen Haken?
Außerirdisch
7. März, 2023
Was wissen extraterrestrische Intelligenzen von uns, falls es sie gibt? Vielleicht mehr, als uns lieb ist, denn über 2.000 Sterne in der näheren Umgebung haben eine privilegierte Position, von der aus sich die Erde studieren lässt. Zu 75 davon sind bereits irdische Radiosendungen gelangt.
Matheschmerz-Prophylaxe_MT_Beitragsbild
13. Februar, 2023
Youtuber Daniel Jung beschäftigt sich mit „Matheschmerz“, weil Mathe bei vielen Versagensängste hervorruft. Die Psychologin Bettina Hannover berichtet, dass Jugendliche sich vorstellen, dass jemand mit Physik als Lieblingsfach keine Freund*innen hat und unattraktiv aussieht. Und „Digital-kunde“ ist in Deutschland immer noch nicht als Pflichtfach etabliert, obwohl die Diskussion um Web 5.0 schon begonnen hat. MINT-Lehrkräfte haben es wirklich nicht einfach, obwohl diese Kenntnisse für immer mehr Berufe sehr gefragt oder sogar eine Voraussetzung sind.
battery-gcb14cb166_1920
10. Februar, 2023
Weltweit steigende Temperaturen, vermehrt auftretende Dürren und Extremwetterereignisse: Eine der größten Herausforderungen der heutigen Zeit ist der Klimawandel, der hauptsächlich durch die menschengemachten Emissionen von klimaschädlichen Gasen verursacht wird. Ein großer Teil dieser Emissionen wird durch das Verbrennen von fossilen Energieträgern freigesetzt. Erneuerbare Energien wie Wind-, Wasser- oder Solarenergie leisten ihren Beitrag zur Energiewende. Allerdings treten insbesondere Solar- und Windenergien oft mit tages- und jahreszeitlichen Schwankungen auf.