Technische Kontexte
Aber auch die mit technischer Schulbildung verbundene Berufs- und Studienorientierung ist ein wesentlicher Bestandteil, der den Schülerinnen und Schülern Chancen für eine zukünftige berufliche Lebensgestaltung in diesen Bereichen eröffnet. Eine flächendeckende Umsetzung ist über Informatik- und Technikunterricht auch mittelfristig wegen der fehlenden Fachlehrkräfte zunächst nicht erreichbar. Mit dem Ansatz „Technik verbindet“ wird versucht, realtechnische Kontexte in den Unterricht anderer Fächer einzubinden und auch experimentell erfahrbar zu machen. Dies erleichtert den Kompetenzerwerb, denn für die Schülerinnen und Schüler bedeutet dies einen handlungsorientierten, anschaulichen und anwendungsbezogenen Umgang in dem jeweiligen Fach. Auch fächerverbindende gemeinsame technische Projekte mit naturwissenschaftlichen und mathematischen Bezügen können unter Beachtung der jeweiligen Kompetenzerwartungen initiiert und beispielhaft entwickelt werden.Geeignete Experimentalumgebungen
Eine besondere Herausforderung besteht in der Auswahl der zu verwendenden technischen Lernumgebungen. Diese müssen so beschaffen sein, dass sie nicht zwingend eine technische Ausbildung der beteiligten Lehrkräfte erfordern, sondern mit keinem oder geringem Schulungsaufwand einsetzbar sind. Hier bieten sich entsprechend der umfangreichen vorliegenden Erfahrungen Experimentalsysteme an wie z. B. FiloCut-Styroporschneidemaschine, Sensorik mit Datalogger bzw. GTR Einsatz, Fischertechnik-Lernumgebungen, LEGO EV3 Roboter und andere Robotiksysteme, LEGO Naturwissenschaft und Technik, Geoinformatik/Vermessung, Spidercam.Außerschulische Partner
Die Einbindung außerschulischer Bildungspartner aus Hochschulen und Unternehmen erlauben darüber hinaus anspruchsvollere Kontexte, die ein höheres Maß an technischen Fachkompetenzen erfordern, – wie beispielweise 3-D-CAD Konstruktion. Insbesondere in den in NRW flächendeckenden MINT-Netzwerken der Gemeinschaftsoffensive „Zukunft durch Innovation.NRW“, aber auch in den mittlerweile bundesweit entstehenden regionalen MINT-Verbünden kann die Vermittlung geeigneter außerschulischer Partner koordiniert und organisiert vorgenommen werden, sodass diese nicht von der zum Teil zufälligen Bekanntschaft einzelner Lehrkräfte abhängt.3-D-CAD und Fertigung – den Raum
sichtbar machen „Den Raum sichtbar machen!“ – unter diesem Motto konstruieren und fertigen Schülerinnen und Schüler in Grund- und Leistungskursen im Fach Mathematik mit einer 3-D-CAD-Software, Fräse oder Lasercutter ihr eigenes dreidimensionales Koordinatensystem aus Plexiglas, um anschließend die im Lehrplan anstehende Vektorrechnung anschaulich zu machen. Es werden drei ineinander steckbare Platten mit vier Millimeter Stärke und einer Kantenlänge von 25 Zentimeter als Lochplatten mit Vier-Millimeter-Löchern im zwei Zentimeter Abstand konstruiert. Die Konstruktion in der erprobten Unterrichtseinheit erfolgt mit Autodesk Inventor, einer Profi-CAD-Software. Die entsprechenden „LabCards“, die die Konstruktion einer Fläche selbstlernend ermöglichen, sind als Download verfügbar. Natürlich ist auch der Einsatz anderer CAD-Konstruktionsprogramme möglich. Dies hängt davon ab, mit welcher Software schulexterne Bildungspartner arbeiten oder welche Software ggf. Mathematiklehrkräfte beherrschen. Es bietet sich an, Unternehmen mit solchen konkreten Kooperationsideen in die Unterrichtsaktivitäten einzubinden. Besonders erfolgreich wird dies, wenn Auszubildende oder Studierende (Duale Studiengänge) aus Unternehmen die Moderation der Kurse übernehmen. Abgerundet kann die Einheit durch einen Unternehmensbesuch werden, bei dem unter Beteiligung der Schülerinnen und Schüler die Plexiglasplatten gefertigt werden.Unterrichtsverlauf
Für diese Einheit werden ca. acht Zeitstunden aufgewendet. Nach einhelliger Aussage bisher beteiligter Mathematik-Lehrkräfte ist dies aber kein Add-On in der eh knappen Unterrichtszeit, sondern führt zu vertieftem räumlichem Vorstellungsvermögen, das so „im normalen Matheunterricht kaum erreicht werden kann“ (Zitat einer Leistungskurs-Lehrerin), und bietet für die weitere Behandlung der Vektorrechnung eine effektive Grundlage.
Die Ausgangsfragestellung lautet: Wie müssen drei Plexiglasplatten so bearbeitet werden, dass sie zu einem stabilen Koordinatensystem zusammengefügt werden können? Die Schülerinnen und Schüler erhalten den Auftrag, aus drei Papierquadraten aus festerem Papier mit einer Schere eine entsprechende Konstruktion zu erstellen. Dabei ist natürlich der Auftrag verbunden, zunächst zeichnerische Überlegungen anzustellen und ggf. auf Normalpapier Konstruktionsideen zu verfolgen und Prototypen anzufertigen.
Anschließend (nach ca. 30 – 45 Minuten) erfolgt eine Sammlung der Überlegungen und gemeinsames Erarbeiten und Skizzieren der finalen drei Ebenen inklusive der Längenangaben an Tafel oder am Aktivboard. Mit den ausgedruckten Anleitungen und den Tafelskizzen werden dann die drei Ebenen am PC oder Notebook von den Schülerinnen und Schülern konstruiert und abgespeichert. Zum Abschluss der Einheit werden z. B. in einem Unternehmensbesuch 15 Modelle gefräst oder mit dem Lasercutter ausgeschnitten.
Da dies gegebenenfalls nicht immer möglich ist, wird zurzeit ein Video erstellt, das den Fertigungsvorgang an einer realen Fräsmaschine dokumentiert. Es sollte immer dann eingesetzt werden, um auch ohne Unternehmensbesuch den kompletten technischen Handlungsablauf von der Idee zum Produkt darzustellen (nach Fertigstellung wird das Video hier abrufbar sein).
Wie können drei Plexiglasplatten so bearbeitet werden, dass sie zu einem stabilen Koordinatensystem
zusammengefügt werden können?
Konstruktion des Koordinatensystems – vom Prototypen in die digitale 3-D-CAD-Version
Erfahrungen
Diese Maßnahme wurde bereits an verschiedenen Standorten in NRW mit zahlreichen Mathematikkursen der gymnasialen Oberstufe durchgeführt. Die grundsätzlicheIdee der Plexiglasmodelle stammt von MUED e. V. (Mathematik- Unterrichts-Einheiten- Datei e. V. – www.mued.de), hier sind auch ein entsprechender Modellsatz sowie ausgearbeitete Verwendungsmöglichkeiten im Unterricht erhältlich. Die Konstruktion in der beschriebenen Einheit weicht allerdings insofern ab, dass hier nur drei Flächen benötigt werden, die so konstruiert sind, dass sie ineinandergesteckt einen stabilen Aufbau ergeben.
Klaus Trimborn
Über den Autor:
Klaus Trimborn ist Gymnasiallehrer für Technik und Chemie am Heinrich-von-Kleist- Gymnasium in Bochum-Gerthe und seit 2010 schulfachlicher Landeskoordinator des Ministeriums für Schule und Bildung NRW für zdi.NRW.
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