Mit der Berufswahl zum Ende ihrer Schulzeit stehen alle Schülerinnen und Schüler vor einer weitreichenden Weichenstellung für ihr weiteres Leben. Dass diese Entscheidung vielen heutzutage immer schwerer fällt, ist angesichts der Vielzahl von Ausbildungsberufen und einer noch viel größeren Anzahl von Studiengängen durchaus nachvollziehbar. Umso wichtiger ist es, über die passenden Ausbildungsmöglichkeiten informiert zu sein. Manchmal werden dabei, gerade im naturwissenschaftlichen Bereich, interessante Alternativen übersehen.
Wenn in Deutschland über berufliche Ausbildung gesprochen wird, ist damit fast immer die duale Ausbildung gemeint. Sie ist hier die vorherrschende Art der Berufsausbildung und wird oft auch als betriebliche Ausbildung bezeichnet. Im Betrieb, mit dem auch der Ausbildungsvertrag geschlossen wird, findet der praktische Teil der Ausbildung statt. Hier werden spezifische Kompetenzen vermittelt, die am Bedarf und den Anforderungen des ausbildenden Betriebs ausgerichtet sind und im Falle der Übernahme am Ende der Ausbildung den Übergang in die berufliche Tätigkeit erleichtern. Die theoretischen und allgemeinbildenden Ausbildungsinhalte werden tageweise oder im Blockunterricht an einer Berufsschule unterrichtet – Theorie und Praxis sind gut aufeinander abgestimmt. Je nach Ausbildungsberuf und Schulabschluss dauert eine duale Ausbildung zwischen zwei und dreieinhalb Jahren. Ebenfalls abhängig vom angestrebten Beruf, aber auch von der Branche und dem jeweiligen Betrieb, ist die gezahlte Vergütung für die Auszubildenden. Mehr als die Hälfte der Jugendlichen in Deutschland, die sich für eine Berufsausbildung entscheiden, wählen diese Art der Ausbildung.
Die unterschätzte Größe – die schulische Berufsausbildung
Die zweite wichtige Säule der beruflichen Ausbildung in Deutschland ist die schulische Berufsausbildung. Wie der Name schon sagt, findet sie nahezu komplett in Schulen statt, meist in Berufsfachschulen oder in Berufskollegs. Sie ist vor allem für Tätigkeiten sinnvoll, die ein etwas umfangreicheres theoretisches Wissen voraussetzen. Deshalb ist die Zugangsvoraussetzung in den meisten Fällen ein mittlerer Bildungsabschluss. Die praktische Ausbildung bleibt dabei keineswegs auf der Strecke. Sie wird in der Regel durch ausbildungsbegleitende Praktika abgedeckt. Auch die schulische Berufsausbildung führt zu anerkannten und voll berufsqualifizierenden Abschlüssen. In manchen Ausbildungsgängen ist darüber hinaus der gleichzeitige Erwerb der Fachhochschulreife möglich. Eine Vergütung bekommen Auszubildende an berufsbildenden Schulen normalerweise nicht. Vielmehr muss an privaten Einrichtungen sogar ein Schulgeld gezahlt werden. Obwohl etwa ein Viertel aller deutschen Auszubildenden eine solche nicht-akademische Ausbildung außerhalb des dualen Systems absolviert, ist dieser Bildungsbereich weniger bekannt. Das mag vor allem daran liegen, dass die schulische Berufsausbildung ein sehr heterogenes Feld an Ausbildungen umfasst. Wenn über schulische Ausbildungsgänge gesprochen wird, dann zumeist nur im Zusammenhang mit den Gesundheit-, Erziehungs- und Sozialberufen, denn für diese Berufe, wie für viele andere schulische Ausbildungen auch, gibt es keine Alternative im dualen Ausbildungssystem.
Eine interessante Alternative für MINT- begeisterte Schülerinnen und Schüler
Etwas anders sieht das im Bereich der Naturwissenschaften aus. Hier finden naturwissenschaftlich interessierte Schülerinnen und Schüler in den Technischen Assistenten-Ausbildungen, insbesondere denen zum Chemisch- oder Biologisch- technischen Assistenten, eine spannende Alternative zu den vergleichbaren Laboranten-Ausbildungen im dualen System. Während der nur zwei Jahre dauernden Ausbildung lernen sie alle notwendigen Methoden und Verfahren kennen, die sie für eine spätere Tätigkeit benötigen. Die im Theorieunterricht vermittelten Inhalte werden in den schuleigenen Laboren direkt angewandt und geübt. Dabei halten sich theoretische und praktische Ausbildungsinhalte in etwa die Waage. Ohne eine Vielzahl betrieblicher Ausbildungspartner ist die Abstimmung beider Bereiche natürlich einfacher. Darüber hinaus erfolgt in den Schulen während der Ausbildungszeit noch keine einseitige Spezialisierung, da dort kein Betrieb mit seiner spezifischen Produktpalette und den sich daraus ergebenden Anforderungen im Hintergrund steht. Die Absolventen verlassen die berufsbildenden Schulen als Generalisten, aus gestattet mit einem fundierten naturwissenschaftlichen Wissen und dem notwendigen Handwerkszeug für ihren Beruf. Erst mit der Wahl des ersten Arbeitsplatzes beginnt dann die berufliche Spezialisierung. Die Vielfalt der anschließenden Arbeits- und Karrieremöglichkeiten ist ausgesprochen groß, angefangen bei Industrieunter nehmen in den verschiedensten Branchen über Untersuchungslabore im Umwelt- oder Lebensmittelbereich bis hin zu Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen.
Anrechnung auf späteres Studium
Selbst Schülerinnen und Schüler, die sich nicht sofort für ein Studium entscheiden, machen nichts verkehrt. Innerhalb von zwei Jahren können sie einen berufsqualifizierenden Abschluss erreichen und anschließend in dem Beruf arbeiten und beruflich Karriere machen. Damit haben sie einige Optionen mehr als vor der Ausbildung. Möchten sie anschließend doch noch studieren, haben sie einige Vorteile durch diese Ausbildung: Die meisten Hochschulen und Universitäten rechnen Teile der Assistenten-Ausbildung auf das Studium an. Das spart Zeit. Außerdem können sie die zu naturwissenschaftlichen Studiengängen gehörenden Praktika völlig selbstständig absolvieren. Bei den meisten Absolventen einer solchen Ausbildung sinkt so die Wahrscheinlichkeit des Studienabbruchs erheblich.
Fazit
Naturwissenschaftliche Ausbildungsgänge an Berufsfachschulen und Berufskollegs sind sicher kein Geheimtipp, aber doch eine noch überraschend oft unbekannte Alternative zur betrieblichen Ausbildung oder einer sofortigen Studienaufnahme. Fehlender Betriebsanschluss, kein Ausbildungsentgelt und kein Übernahmeversprechen erscheinen vielen Ausbildungsinteressierten zunächst nachteilhaft. Auf der anderen Seite stehen eine kürzere Ausbildungszeit, damit bereits zu einem früheren Zeitpunkt ein volles Gehalt und keine vorzeitige Spezialisierung. Studieninteressierte lassen sich möglicherweise von der zusätzlich investierten Zeit abschrecken, erhöhen aber ihre beruflichen Optionen. Welcher Weg letztendlich für wen der richtige ist, kann nur jeder für sich persönlich entscheiden. Um eine gute Entscheidung treffen zu können, muss man die verschiedenen Möglichkeiten aber zumindest kennen.
Dominik Blosat