Fridays for Future, Klimawandel, Flugscham prägen auch diese Themen das Reiseverhalten von Schulklassen? Ist es möglich, eine Klassenfahrt nach fairen und nachhaltigen Kriterien zu gestalten? Wie kann dies aussehen?
Regelmäßige Reisen sind hierzulande eine Selbstverständlichkeit. 55 Millionen Menschen aus Deutschland verreisten 2018 für mindestens fünf Tage, die Zahl der gebuchten Reisen steigt jährlich an. Wir verbinden Reisen vor allem mit Erholung, Spaß, Abwechslung und wirtschaftlicher Stärkung des Zielorts. Dies gilt oft auch für Klassenfahrten.
Bei der Planung einer Fahrt sind die Kosten für die Schülerinnen und Schüler ein wesentlicher Faktor, der soziale und ökologische Fußabdruck ist bislang dabei noch zu selten im Fokus der Klassen. Doch wie jede Reise hat auch eine Klassenfahrt Auswirkungen auf die Umwelt: Allein durch die Fahrt zum Ziel hin trägt sie durch den Ausstoß von CO2 zum Klimawandel bei. Auch die Wahl des Programms vor Ort, die Verpflegung und Unterkunft können mit Blick auf das Klima oft Schaden anrichten. Der Verbrauch von Wasser, Flächen und Ressourcen, der Müll, der auf Reisen entsteht, oder auch der Verlust von Biodiversität an den Zielorten sind Konsequenzen von Tourismus, die bei der Planung noch wenig Beachtung finden.
Globales Lernen, sanfter Tourismus und Bildung für nachhaltige Entwicklung
Wenn Schülerinnen und Schüler sich auf Abwechslung, neue Orte und kulturelle Einblicke bei der nächsten Klassenfahrt freuen, warum sollten sie nicht auch die Gelegenheit haben, dem Klimaschutz in der gelebten Schulpraxis Rechnung zu tragen und die unterschiedlichen Aspekte und Ziele der gemeinsamen Reise nachhaltig zu planen? Globales Lernen bietet die Möglichkeit, sich im Vorfeld und während einer Klassenfahrt mit Fragen sozialer Gerechtigkeit auf globaler Ebene, den Wechselwirkungen zwischen lokalen und globalen Kontexten und den Auswirkungen unseres individuellen (und kollektiven) Handelns auseinanderzusetzen.
Aktuell ist die Bewegung Fridays for Future für viele Schülerinnen und Schüler ein zentrales Anliegen. Einerseits positionieren sie sich klar für Klimaschutz und erklären sich zu aktivem individuellem Engagement bereit, andererseits fordern sie radikales Umdenken und ein schnelles Handeln der Gesellschaft. Nachhaltige Tourismusangebote und eine partizipative Klassenfahrtenplanung bieten hier die Möglichkeit, diese Forderung in der Schule aufzugreifen. Die Klassenfahrt kann also als gemeinschaftlich erarbeitetes Ergebnis gestaltet werden, vergleichbar mit der kollektiven Entscheidung einer Schule, in der Cafeteria fair gehandelte Getränke und Früchte anzubieten.
Nachhaltigkeit im Unterricht – gemeinsam eine Klassenfahrt planen
Ein Anfang kann schon sein, gemeinsam den Sinn einer Klassenreise, die Bedürfnisse der Teilnehmenden und die der Menschen in der bereisten Region zu erarbeiten. Eine Unterrichtseinheit rund um die nächste Klassenreise kann von den Klassenlehrerinnen und -lehrern übernommen und/oder in den Fach unter richt (z. B. Mathematik oder Geografie) integriert werden. Der ökologische Fußabdruck der Reise kann gemeinsam ermittelt werden, indem der CO2-Ausstoß der einzelnen Komponenten der Klassenfahrt errechnet wird. Über diesen Weg wird zum Beispiel eine klima freund lichere Art des Transports thematisiert. Falls es keine Alternative zu einem Flug gibt, kann über CO2-Kompensation, aber auch über die Anpassung anderer reiseinterner Komponenten wie Verpflegung und Unterkunft in der Klasse diskutiert werden. So können der Flächenverbrauch der industriellen Landwirtschaft und die Klimawirkung verschiedener Ernährungsstile betrachtet werden. Außerdem kann die Klasse recherchieren, welche Aspekte einer Unterkunft klimaschädlich sind.
Konkrete Orientierungspunkte für eine faire Klassenfahrt
Viele konkrete Anregungen für die Planung einer fairen Klassenfahrt finden sich auf der Checkliste der Fairen Schule und in dem Unterrichtsmaterial Faire Klassenfahrten des EPIZ (siehe Planungshilfen). Einige zentrale Punkte sollen hier schon aufgeführt sein:
- An- und Abreise: Im Idealfall ist das Reiseziel mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen. Ist dies nicht möglich, ist der vollbesetzte Reisebus eine erstaunlich klimafreundliche Alternative. Wird nur der Fahrtweg vom Treffpunkt der Klasse zum Zielort bedacht, ergibt sich hier der niedrigste Pro-Kopf-Verbrauch an schädlichen CO2-Emissionen pro Person. Falls das Reiseziel nur über einen Flug erreicht werden kann, ist der Förderverein vielleicht bereit, einen Kompensationsbeitrag für die Klasse zu zahlen.
- Auswahl eines Zielorts: Er sollte mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut zu erreichen sein.
- Unterkunft: Auswahl einer klima freundlichen bzw. klimaneutralen Unterkunft, erkennbar an einem Siegel für Nachhaltigkeit oder Umweltfreundlichkeit (z. B. Grünes Siegel, Viabono, EU-Ökolabel). Die Unterkunft bezieht zu 100 Prozent Ökostrom, das Personal wird fair entlohnt.
- Verpflegung: Welche Möglichkeiten der Verpflegung bieten die Unterkünfte an: fleischarm, vegetarisch, vegan, regional, bio, slow und fair. Achtung: Ein hoher Fleischkonsum treibt den CO2-Ausstoß der Reise in die Höhe. Das Essen stammt aus biologischem Anbau und fairem Handel.
- Freizeitaktivitäten: Auswahl von Programmpunkten, die wenig bis gar kein CO2 verbrauchen wie Schwimmen, Fahrrad fahren, Wandern, Kanufahren und mehr auf Naturerlebnis und Aktivitäten im Freien setzen. Auswahl von Sportarten, die wenig ressourcenintensiv sind.
Klimagerechtigkeit
Die Klimaschutzfrage wirft nicht zuletzt die Frage nach Klimagerechtigkeit auf. Die Folgen des Klimawandels und der Umweltverschmutzung, aber auch die Verursacher sind weltweit disproportional verteilt. Die Konsequenzen treffen Menschen aus Ländern des Globalen Südens deutlich härter. Das Planen einer Klassenfahrt kann hier ein Türöffner für Debatten um Klimagerechtigkeit sein.
Sophie König, Dr. Matthias Schwerendt
Planungshilfen für faire Klassenfahrten:
Checkliste Nachhaltige Klassenfahrt: www.bit.ly/2lyrIbL
CO2-Rechner: www.bit.ly/2lTHX33
Die NaturFreunde Deutschlands: www.naturfreunde.de
Leitfaden für naturverträgliche Klassenreisen im UNESCO Weltnaturerbe und Nationalpark Wattenmeer: www.bit.ly/2lxazz4
Umwelt im Unterricht: Reisen, Verkehrsmittel und deren Klimabilanz: www.bit.ly/2lCbxtK
Faire Schule: www.faire-schule.eu
Weitere Informationen:
EPIZ e. V. ist ein Zentrum für Globales Lernen. Es ist ein gemeinnütziger Verein und macht seit über 30 Jahren außerschulische Bildungsarbeit für verschiedene Zielgruppen. Die Arbeit des EPIZ trägt dazu bei, vergangene und gegen wärtige globale Zusammenhänge erkennbar zu machen und in diesem Rahmen die eigene Rolle und Verantwortung zu reflektieren. Es geht uns um soziale Gerechtigkeit, Menschenrechte und die Zukunftsfähigkeit unserer Welt. In diesem Kontext bietet das Projekt Faire Schule die Möglichkeit, ein Schulprofil der Fairness im Blick auf demokratische Schulkultur, ökologische Verantwortung und Globales Lernen zu entwickeln.