Wenn wir morgens vor unserem Wecksignal die Augen öffnen oder nach einem Interkontinentalflug einen Jetlag haben, begründen wir das oft mit unserer „inneren Uhr“. Damit beschreiben wir unsere Gewohnheit in Verbindung mit dem Zeitempfinden unseres Körpers.
Was jedoch den Wenigsten bewusst ist: Diese innere Uhr gibt es wirklich! Für ihre Erforschung wurde 2017 der Nobelpreis für Medizin und Physiologie an Jeffrey C. Hall, Michael M. Rosbash und Michael W. Young verliehen. Gemeinsam konnten die US-Wissenschaftler die molekularen Mechanismen erklären, nach denen Pflanzen, Tiere und Menschen ihren biologischen Rhythmus an die Erdrotation unseres Planeten anpassen. Daraus resultiert unser zirkadianer Rhythmus, wonach sich die Abfolge aus Wachzustand (Tag) und Schlaf (Nacht) auf etwa 24 Stunden beläuft. Warum die biologische Uhr von so großer Bedeutung ist? Weil eine unvollkommene innere Uhr beim Menschen mit einem verminderten Wohlbefinden und Schlafstörungen sowie einem erhöhten Risiko für Stoffwechselerkrankungen einhergehen kann.
Wegbereiter der inneren Uhr
Bereits Anfang der 1970er-Jahre konnten Seymour Benzer und Ronald Konopka im Zuge ihrer Forschung an Fruchtf liegen (Drosophila melanogaster) zeigen, dass deren Erbinformation ihre innere Uhr reguliert. Benzer und Konopka setzten die Versuchstiere einer Substanz aus, die Genmutationen verursachte. Anschließend testeten sie das Bewegungsverhalten der nachfolgenden Fruchtfliegengeneration. Das Ergebnis: Einige der Fliegen fanden nicht zu dem für sie üblichen zirkadianen Rhythmus (Konopka und Benzer, 1971).
period und timeless – damit die Uhr richtig tickt
Erst im Jahr 1984 gelang den drei heutigen Nobelpreisträgern der Durchbruch. Sie isolierten und sequenzierten das Gen period aus der Fruchtfliege, das in Ronald Konopkas Experimenten mutiert und für das abnormale Verhalten der Fruchtfliegen verantwortlich war (Reddy et al., 1984; Zehringer et al., 1984; Bargiello et al., 1984). Das Gen period kodiert ein Protein (PER), dessen Konzentration am Tag gering und in der Nacht hoch ist. Es reichert sich in den Neuronen der Fliegen in einem Rhythmus von etwa 24 Stunden an und ab. Wie funktioniert jedoch die zyklische Anreicherung dieses Proteins? Hier lieferte die Forschung um Michael W. Young mit der Entdeckung des Gens timeless, das das TIM-Protein kodiert, die Antwort. Denn tatsächlich funktioniert die innere Uhr nur korrekt, wenn neben dem Gen period auch timeless in sein Protein übersetzt wird. Die Proteine PER und TIM bilden daraufhin Komplexe, die aus dem Zytoplasma in den Zellkern migrieren und die weitere Produktion des PER-Proteins unterdrücken. Haben dann Enzyme die gebildeten Komplexe aus PER und TIM abgebaut, beginnt der Zyklus aufs Neue. Doch wie weiß der Körper, ob die Proteine PER und TIM gebildet werden sollen? Auch hierfür gibt es Gene: clock und cycle. Deren Proteine CLK und CYC interagieren miteinander und fördern die Produktion von PER und TIM. Liegen PER und TIM vor, unterdrücken sie ihrerseits die Bildung der Proteine CLK und CYC. Die Gene der inneren Uhr sind in Fruchtfliegen, Mäusen und auch bei uns Menschen vorhanden. Sie bilden ein komplexes Gefüge negativer Feedback-Kreisläufe. Bei Säugetieren sitzt die zentrale
innere Uhr im Gehirn, im sogenannten suprachiasmatischen Kern, wobei deren Taktgeber unsere Fähigkeit zur Wahrnehmung des Sonnenlichtes durch Lichtsinneszellen der Netzhaut ist. Unsere innere Uhr ist eine geniale Errungenschaft der Natur und eine Herausforderung in Zeiten weltweiter Mobilität und von Kunstlicht hell erleuchteten geschlossenen Räumen.
Larissa Helen Mühlenbeck, juFORUM e. V.
Link- und Literaturtipps:
- Bargiello et al. 1984, Nature; 312 (5996): 752–4 www.bit.ly/2wkfIN8
- Konopka und Benzer, Clock Mutants of Drosophila melanogaster. 1971, PNAS Vol. 68, No. 9, pp. 2112–2116
www.bit.ly/2I3Jyuv - Osterkamp, Jan. Medizin-Nobelpreis für die innere Uhr www.bit.ly/2IbZlYD
- Reddy et al. 1984, Cell 38(3): pp. 701–10 www.bit.ly/2EMxEET
- Wilhem, Klaus. Chronobiologie www.mpg.de/10778204/ chronobiologie
- Zehringer et al. 1984, Cell 39 (2 Pt 1): pp. 369–76 www.bit.ly/2xenWcA