Ein Hilferuf geht um die Welt: Mit einer offenen Ausschreibung bietet die Australische Regierung zwei Millionen australische Dollar (rund 1,3 Millionen Euro) für Ideen zur Rettung des Great Barrier Reef. Das riesige Riffsystem vor der nordöstlichen Küste Australiens leidet wie viele andere Korallenriffe massiv unter der globalen Erwärmung und weiteren Umweltbelastungen. Der Aufruf gilt gleichzeitig als Fördermaßnahme für Unternehmen, deren Ideen weltweit Anwendung finden könnten. 2018 gilt als internationales Jahr des Riffs.
Das Great Barrier Reef ist nicht nur ein wichtiger Teil der Identität Australiens, sondern hat als Weltnaturerbe auch einen globalen Schutzwert. Das System von 3.000 Einzelriffen zieht sich über 2.300 Kilometer entlang der Küste von Queensland und hat eine Fläche von rund 350.000 Quadratkilometern, das entspricht fast der Ausdehnung von ganz Deutschland. Riffbildende Korallen mit ihrer dreidimensionalen Struktur bilden den Lebensraum für Tausende weitere Arten. Nutzer und Schützer dieser einmaligen Vielfalt sind die dort ansässigen australischen Ureinwohner als traditionelle Eigentümer, sowie Industrie, Verwaltung, Wissenschaft und Öffentlichkeit. 69.000 Menschen sind im Zusammenhang mit dem Great Barrier Reef beschäftigt, die jährlichen Fischereierträge belaufen sich auf hundert Millionen AUD (Australische Dollar), die des Tourismus auf sechs Milliarden AUD.
Korallenriffe sind komplexe Ökosysteme, die von vielen Umweltfaktoren beeinflusst werden. Problematisch sind vor allem Temperatur- und Meeresspiegelanstieg, Ozeanversauerung, Schmutzwassereinträge, mechanische Instabilität und mangelnde Stressresistenz. Seit 2013 schädigten zwei schwere Wirbelstürme die Korallen, es folgte eine Massenvermehrung von Dornenkronenseesternen, 2016 traf eine Korallenbleiche die Flachwasserkorallen im nördlichen und 2017 die im zentralen Bereich. Nun sollen Lösungen gefunden werden, die vor Umweltschäden schützen, die Regeneration der Korallen fördern und die natürliche Wiederherstellung unterstützen. Die Antragsteller für das Preisgeld sollen neue, nachhaltige, effektive und bezahlbare Rettungsvorschläge machen und dabei vorhandene Infrastrukturen und Erfahrungen nutzen. Gemeldet haben sich bereits Wissenschaftler, Naturschützer, Ingenieure, Computerspezialisten, Fotografen aus Australien, Indien, Karibik, Mexiko und der Schweiz mit vielfältigen Ideen.
Temperaturanstieg und Korallenbleiche
Satellitendaten zeigen, dass Riffschäden räumlich und zeitlich eng mit dem Anstieg der Meerestemperatur verknüpft sind. Diese folgt dem allgemeinen Klimawandel und wird durch Einzelereignisse wie die Klimaanomalie El Niño (2016) verschärft. Bei Erwärmung stoßen die Korallen ihre symbiotischen, einzelligen Zooxanthellen ab und verlieren ihre Farbe (Korallenbleiche). Von nun an ist die Lebensfähigkeit der Korallenpolypen eingeschränkt, sie wachsen schlecht, sind anfälliger gegenüber räuberischen Arten und weniger konkurrenzfähig. Bei verbesserten Umweltbedingungen können sie aber wieder Symbionten aufnehmen und sich erholen. Jede Maßnahme, die die Meerwassertemperatur senkt, ist also hilfreich. Mit solargetriebenen Pumpen lässt sich kühleres Wasser an die Meeresoberfläche pumpen. Künstlich mit Mini-Salzkristallen erzeugte Wolken spenden Schatten. Allerdings wirken die angedachten Maßnahmen allenfalls kleinräumig, Erfolge der internationalen Klimapolitik sind kurzfristig nicht zu erwarten. Es fragt sich, in welchen Regionen kostspielige Kühlmaßnahmen am effektivsten sind.
Alternativ fahndet man nach Korallenarten, die natürlicherweise in der Lage sind, in wärmerem Wasser zu überleben. Oder man vermehrt Zooxanthellen, die eine höhere Temperaturtoleranz aufweisen, und bietet sie den bleichen Korallen als neue Symbionten an. Bleichresistente „Superkorallen“ lassen sich in Korallengärten (coral nurseries) kultivieren. Unter Netzvorhängen wachsen sie innerhalb von drei Jahren vom Larvenstadium bis zu tellergroßen Kolonien. Diese werden dann gezielt an Stellen ausgesetzt, die sonst nur schwer regenerieren. Das verbessert gleichzeitig den Genfluss zwischen isolierten Populationen. Es interessiert also auch, wie sich Fortpflanzungserfolg, Ansiedlung und Überleben von larvalen und jungen Korallen bei Neuansiedlung und Nachzucht verbessern lassen.
Wasserqualität und Resistenz
Neben dem Klimawandel machen vor allem Stoffeinträge von Land und Flüssen Probleme. Nachweislich neigen Regionen mit schlechter Wasserqualität stärker zur Korallenbleiche. Gesenkte pH-Werte durch steigende Kohlenstoffdioxidkonzentrationen setzen dem Kalksockel der Korallen zu. Eine Nährstoffanreicherung begünstigt Grünalgen, die die Oberfläche von Korallen überziehen und um Licht konkurrieren. Außerdem fördert sie die Vermehrung des Dornenkronenseesterns, der die Korallen in Massen abweidet. Taucher sammeln diese Räuber bisher entweder einzeln mühevoll ab oder töten sie durch eine Injektion von Natriumhydrogensulfat (NaHSO4) oder Ochsengalle. Vielleicht lassen sich die Seesterne durch den Geruch ihrer natürlichen Feinde, der Triton-Riesenschnecken, vertreiben? Die ökologische Unbedenklichkeit ist aber nicht vollständig geklärt.
Nach den Schäden von 2016 stellte sich heraus, dass sich verästelte Korallen schneller erholten als kompakte Formen. Sie stellen die räumliche Struktur des Riffes wieder her, gehen allerdings bei Wirbelstürmen oder küstennahen Baumaßnahmen als erste zu Bruch. Bei der Regeneration muss also eine Balance zwischen schnellwachsenden, brüchigen und langsam wachsenden, soliden Korallen gefunden werden. Dazu kann eine Stabilisierung von totem Korallenmaterial vor der Wiederbesiedlung beitragen.
Bei der Sedimentation von Schmutzpartikeln im Riffbereich spielen Hafenanlagen für den Kohlebergbau eine wichtige Rolle. Von dem genehmigten Ausbau des Abbot Point-Kohlehafens durch einen indischen Rohstoffunternehmer haben sich mehrere Geldgeber inzwischen zurückgezogen, weil die Umweltverträglichkeit des Projektes öffentlich bezweifelt wurde.
Monitoring
Bei allen Methoden ist eine Wirksamkeit in größerem Maßstab erwünscht. Im Jahr 2017 untersuchte das Forschungsschiff Sonne über Wochen die Meeresströmungen rund um das Riff. Satelliten können räumliche und zeitliche Änderungen der Temperatur dokumentieren, sie erkennen Sedimenteinträge oder Ölverschmutzung und unterstützen die Navigation von Schiffen und das Management von Häfen. Die Satellitentechnik soll zukünftig so verbessert werden, dass sie auch bei bewölktem Himmel Daten bis zum Meeresgrund liefert. Bisher erkennt man zwar die Korallenbleiche auf den Satellitenbildern, aber nicht die Regerationsfähigkeit.
Das Monitoring zeigt außerdem, in welchen Bereichen des Korallenriffs die Rettungs-Maßnahmen am erfolgversprechendsten verlaufen. Viele Aktivitäten konzentrieren sich bisher auf die für Touristen interessanten und für Taucher zugänglichen Bereiche in niedrigeren Wassertiefen. Schon in 90 bis 120 Metern Wassertiefe gibt es völlig andere und oft besser intakte Lebensgemeinschaften. Mit Unterwasser-Drohnen lässt sich vielleicht herausfinden, was sie widerstandsfähiger gegenüber den Umweltbelastungen macht. Erst die Vernetzung der Messungen und die kombinierte Auswertung der Daten durch IT-Experten wird nachhaltige Lösungsansätze liefern.
Dr. Inge Kronberg
Das Riff im Biologieunterricht
Im Biologie-Unterricht lässt sich am Beispiel der Korallenriffe zeigen, dass Umweltschutz eine globale Aufgabe darstellt, für die man Kenntnisse und Ideen aus den verschiedensten (MINT)-Teilbereichen gebrauchen kann. Übertragen auf das regionale Umfeld lässt sich ein „Rettungsplan“ für einen See, Fluss oder Wald in der Nähe ausarbeiten, der nicht nur MINT-Aspekte, sondern auch politische und wirtschaftliche Belange berücksichtigt.
Ausschreibung: Boosting coral abundance on the Great Barrier Reef: www.bit.ly/2mQrASu
Reef 2050 Water Quality Improvement Plan: www.reefplan.qld.gov.au
Great Barrier Reef Marine Park Authority : www.gbrmpa.gov.au/get-involved
Internationales Jahr des Riffs 2018: www.iyor2018.org
Australian Institute of Marine Science: www.aims.gov.au