Lernen Schülerinnen und Schüler mit digitalen Medien besser als ohne? Ist selbstreguliertes Lernen im MINT-Unterricht einfach nur en vogue oder tatsächlich ein hilfreiches Instrument? Zu vielen Fragen liefert die Wissenschaft für den MINT-Unterricht längst hilfreiche Antworten. Bisher jedoch kommen diese kaum im Schulalltag an. Mit dem Clearing House Unterricht könnte sich das nun ändern.
Lehrerinnen und Lehrern stehen immer mehr Möglichkeiten zur Verfügung, ihren Unterricht zu gestalten und weiterzuentwickeln. Denn guter Unterricht bedeutet immer auch, neue Ansätze auszuprobieren und mit ihnen zu experimentieren. Geht es jedoch an die konkrete Unterrichtsvorbereitung, sind zahlreiche Hürden zu bewältigen: Welche Themen eignen sich besonders für forschendes Lernen? Welches Computerspiel bringt den gewünschten Lerneffekt? Wo finden sich Antworten auf diese Fragen?
Können wissenschaftliche Befunde konkret helfen?
Um zu entscheiden, wann eine Unterrichtsmethode oder Strategie sinnvoll ist, lohnt ein Blick auf wissenschaftliche Befunde aus der Unterrichtsforschung. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler widmen sich hier konkreten Fragen der Unterrichtsgestaltung und geben mit ihren Befunden nicht nur neue Impulse, sondern zeigen auch, unter welchen Bedingungen eine Methode wirksam wird: Lernen in Gruppen ist lehrerzentriertem Unterricht beispielsweise überlegen, und zwar vor allem in den naturwissenschaftlich-mathematischen Fächern.
Die Bildungsforschung liefert zwar kein Universalrezept dafür, was guter oder schlechter Unterricht ist. Aber sie verrät, welche Strategien mit Blick auf Lernerfolge oder die Motivation von Schülerinnen und Schülern wann und wie effektiv sind. Liegen viele Studien vor, die einen bestimmten Unterrichtsansatz umfassend untersucht haben, kann die von ihnen ermittelte Effektivität ein wichtiger Marker für die Qualität von Unterricht sein.
Rolle der Lehrkräfte
Konkrete praktische Relevanz hat die Unterrichtsforschung nicht zuletzt im Hinblick auf die Rolle des Lehrers bzw. der Lehrerin. Da der sogenannte „traditionelle“ lehrerzentrierte Unterricht in den vergangenen Jahren immer mehr in Verruf geraten ist, kursiert unter Lehrkräften häufig die diffuse Sorge, dass rein schülerzentrierte oder digitale Lernumgebungen Lehrerinnen und Lehrer überflüssig machen könnten. Das Gegenteil ist der Fall, wie die Forschung zeigt: Forschendes Lernen funktioniert besser, wenn die Lehrkraft optimal und im richtigen Moment unterstützend eingreift. Auch digitale Medien wirken nur im Zusammenspiel mit dem richtigen didaktischen Konzept. Die Lehrkraft hat also nach wie vor die zentrale Rolle im Unterricht inne – selbst wenn sie nicht immer das Wort ergreift.
Wertvolle Forschungsergebnisse „übersetzen“
Wer seinen Unterricht auf wissenschaftlichen Erkenntnissen aufbauen will, braucht jedoch das entsprechende Rüstzeug dafür. Und genau hier liegt das Problem: Wo und wie komme ich als Lehrkraft an die richtige Forschung? Welche der zahlreichen Publikationen ist relevant und aussagekräftig? Wie muss ich die Ergebnisse interpretieren und was ist eigentlich eine Effektstärke? Lehrerinnen und Lehrer haben weder die zeitlichen Ressourcen, passende Studien zu finden, noch sind sie in der Regel mit den statistischen Methoden der empirischen Bildungsforschung vertraut. Mit anderen Worten: Sie können mit den wertvollen Erkenntnissen meistens wenig anfangen, solange es niemanden gibt, der sie angemessen „übersetzt“.
Was macht das Clearing House Unterricht?
Um den Graben zwischen Forschung und Praxis zu schließen, hat sich mit dem Clearing House Unterricht an der TU München ein junges Forscherteam aus Bildungsforscherinnen und Bildungsforschern formiert, das diesen Missstand ändern und eine Brücke in die Praxis bauen will. Auf der Homepage www.clearinghouse-unterricht.de bereitet das Team hochwertige Forschung zu denjenigen Unterrichtsmethoden auf, die derzeit im MINT-Bereich der Sekundarstufe am intensivsten beforscht werden. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fassen die Inhalte von Forschungssynthesen – sogenannte Metaanalysen – kurz, verständlich und in deutscher Sprache zusammen. Außerdem helfen sie den Leserinnen und Lesern dabei, die Studien kritisch einzuordnen. Angereichert werden diese Zusammenfassungen – sogenannte Kurzreviews – mit Infoboxen, einem Fazit für die Unterrichtspraxis und einem anschaulichen Studienbeispiel.
Diese Kurzreviews sollen in erster Linie Lehrerbildnerinnen und Lehrerbildnern dabei helfen, die Erkenntnisse an künftige Lehrerinnen und Lehrer weiterzugeben. Auf dieser Grundlage lernen Studierende bzw. Referendarinnen und Referendare, aktuelle Forschung richtig zu interpretieren und für ihre professionellen Entscheidungen vor und während des Unterrichts nutzbar zu machen. Ein Online-Glossar erklärt die wichtigsten Fachbegriffe und erleichtert den Einstieg. So können sich angehende Lehrkräfte auch direkt auf der Seite zum aktuellen Forschungsstand im MINT-Unterricht informieren.
Ausblick
Mit seiner Arbeit hofft das Team des Clearing House Unterricht, dass die spannenden Erkenntnisse aus der Unterrichtsforschung bald zu einem festen Bestandteil in der Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern werden und ihr Potenzial langfristig auch im Schulalltag entfalten können. In den folgenden Ausgaben des MINT Zirkel wird das Team jeweils eine beispielhafte Forschungssynthese zu einem bestimmten Unterrichtsansatz vorstellen – unter anderem zum Vergleich verschiedener innovativer Lehrstrategien – und die wichtigsten Fragestellungen und Ergebnisse dazu zusammenfassen.
Annika Schneeweiss
Weitere Informationen
Das Clearing House Unterricht wurde 2015 an der TU München gegründet und wird im Rahmen der Qualitätsoffensive Lehrerbildung vom Ministerium für Bildung und Forschung gefördert. Es setzt sich für eine evidenzbasierte Lehrerbildung in Deutschland ein. Der Schwerpunkt liegt inhaltlich auf den MINT-Fächern der Sekundarstufe. Das Team besteht aus vier Wissenschaftlern aus dem Bereich der Psychologie, Pädagogik und Erziehungswissenschaft sowie einer Redakteurin.
www.clearinghouse-unterricht.de | Link zur Themenseite: www.clearinghouse.edu.tum.de/themen/