Das Projekt „Der positive Fußabdruck“, initiiert von der Lehrerin Ingrid Richl, bringt das Konzept „Cradle to Cradle“ an die Schulen. Was hinter dem Konzept steckt, wie Schüler*innen auf das Material reagieren und warum Deutschland im internationalen Vergleich hinterherhinkt erfahren Sie im Interview.
Frau Richl, was ist die Grundidee des Projekts „Der positive Fußabdruck“?
Nicht weniger schlecht sein, sondern gut, die Umkehrung des Fußabdrucks. Wenn wir Produkte so herstellen, dass sie gesund sind und Nährstoffe sind für weitere Produkte, entweder biologische oder technische, also wenn alles zu 100% wiederverwendet wird, schaffen wir wirkliches Recycling und schützen Umwelt und Ressourcen. Wenn wir nur Sonnenenergie verwenden, wenn das Wasser, das die Firma verlässt, so sauber ist, wie das, das in die Firma geflossen ist, wenn wir die Menschen der gesamten Wertstoffkette gut behandeln, dann sind wir positiv für die Natur und die Menschen. Somit hinterlassen wir einen positiven Fußabdruck. Dieses Konzept ist der Kern des Projekts „der positive Fußabdruck“, welches es sich zum Ziel gesetzt hat, Unterrichtsmaterial für Lehrer*innen zu entwickeln, das fächerübergreifend eingesetzt werden kann.
Ihr Projekt klingt, frei nach Tim Bendzko, nach „nur noch kurz die Welt retten“. Ist das auch die Motivation, die sie antreibt?
Schon. Immer wenn ich Kinder sehe, ob in der Schule oder auf der Straße, denke ich, dass ich alles tun will, was ich imstande bin zu leisten, damit sie eine gute Zukunft haben können. Dabei weiß ich, dass es nicht mal eben so kurz geht, sondern ein langer schwieriger Prozess ist, und dass es nicht sicher ist, ob es gelingen wird. Aber ich will meinen Beitrag leisten.
Dieser Beitrag soll also ein Lehrwerk sein, das auf Ihren eigenen Erfahrungen basiert. Aus der Praxis gefragt: Wie reagieren Schüler*innen auf das Thema im Unterricht?
Meine Erfahrungen sind durchweg positiv. Die Schüler*innen zeigen großes Interesse, wenn sie bemerken, dass es sich nicht um das normale Einsparen, Vermindern, Vermeiden von Dingen geht. Besonders freuen sich die Schüler*innen der 5.-7. Klassen an dem positiven Gedanken, der hinter der Idee steckt. Sie sind regelrecht begeistert und wollen am liebsten sofort etwas unternehmen, um C2C (Cradle to Cradle, also das Konzept der Wiederverwendung von Ressourcen; Anm. d. Red.) bekannt zu machen.
Warum glauben Sie, dass ein Lehrwerk ein geeignetes Ziel des Projekts ist?
Meiner Meinung nach sollten möglichst viele Schüler*innen in den Genuss dieses Designkonzeptes kommen. Da Lehrer*innen im Allgemeinen wenig Zeit haben, um sich in neue Themen einzuarbeiten und um ihnen damit den Zugang für C2C zu ermöglichen, hatte ich die Idee, ein Lehrwerk zu gestalten. Dazu habe ich ein Manuskript geschrieben, das dank der Hilfe der Community des MINT Zirkels ergänzt und ausgearbeitet wird.
Das Konzept des „Cradle to Cradle“, das hinter dem Projekt steht, ist in den Niederlanden und den USA schon sehr erfolgreich. In Deutschland gibt es eher zurückhaltende Töne. Weshalb tun sich deutsche Akteure aus der Industrie und der Politik schwer mit dem Thema?
Ich denke, dass es dafür verschiedene Gründe geben könnte. Die Deutschen sind leider eher zurückhaltender und weniger mutig, wenn es um neue Dinge geht. Sie entwickeln viele spannende Ideen, doch um- und eingesetzt werden sie oft in anderen Ländern. In Deutschland propagiert man schon lange den Umweltschutz und so signalisiert man, dass schon viel getan wird. Dass das jedoch die Probleme nicht löst, sondern zu neuen führt, sehen viele nicht. Man meint, diese Dinge perfektionieren zu müssen, damit sie zu dem erwünschten Erfolg führen. Es ist schwieriger, sich von althergebrachten Vorstellungen zu verabschieden, als neu einzusteigen und sofort anders zu denken, zu planen und handeln.
Sie sind über dieses Projekt sehr engagiert in der Sache. Welche anderen Projekte verfolgen Sie derzeit?
Ich versuche Firmen, Politiker, Akademien, Medien,… für dieses Thema zu sensibilisieren. Wir würden gerne C2C – Umweltschulen in Anlehnung an die Umweltschulen, die in Niedersachsen weit verbreitet sind, ausschreiben oder einen Wettbewerb für Schulen bzw. Schüler und Schülerinnen organisieren. Aber zunächst steht dieses Projekt für das Lehrbuch im Vordergrund!
Das Interview führte MINT Zirkel-Redakteur Till Kernen.