Fläche ist begrenzt, im eigenen Garten und auf der Erde im Ganzen. Landwirtschaftliche Produktion, Wohnraum, Straßen, Naturschutz und Raum für Erholung – alles auf einmal und am gleichen Ort kann man nicht haben. Dennoch brauchen wir anscheinend immer mehr. Mehr Nahrung, weitere Infrastruktur, größere Städte. Kann dies gelingen, ohne Schaden am Artenreichtum und an den Ökosystemen anzurichten?
Im Jahr 1865 gründete der Schuldirektor Ernst Innozenz Hauschild in Leipzig einen Schul- und Erziehungsverein. Der nach dem Leipziger Arzt Dr. Moritz Schreber benannte „Schreberplatz“ sollte Kindern von Fabrikarbeitern pädagogische Betreuung bieten. Später wurden Parzellen eingerichtet, in denen die Leipziger Erholung fanden und die den eigenen Anbau von Obst und Gemüse erlaubten. So ermöglichten nach dem Zweiten Weltkrieg Schreber-Gärten der Stadtbevölkerung den Zugang zu besserer Nahrung. Heute gibt es in Deutschland eine Million Kleingärten auf einer Gesamtfläche von 460 km2, was immerhin etwa der Hälfte der Fläche von Berlin entspricht. Nun hat sich seit dem Zweiten Weltkrieg die Nutzung eines Kleingartens verändert: weg vom Anbau von Kartoffeln und Kohl hin zu Obst, Rasen und Ziersträuchern. Denn, ausreichend gute Lebensmittel bekommen wir andernorts aus allen Gegenden der Welt und zu jeder Jahreszeit. Von Engpässen, auch saisonalen, sind wir nicht mehr betroffen. Was will man da nun also noch mit einer Fläche von 370 m2 – so groß ist der durchschnittliche Kleingarten – anfangen?
Wirtschaften auf begrenztem Raum
Zumindest ein globales Problem lässt sich so illustrieren: Nicht nur die Fläche eines Kleingartens ist limitiert, auch die gesamte nutzbare Fläche auf der Erde. Der Mensch hat mittlerweile ca. 75 Prozent der Erdoberfläche in irgendeiner Form in Nutzung genommen oder stark verändert. Der Vergleich mit einer Kleingartenfläche hinkt aber leider an der einen entscheidenden Stelle: Wir können das, was uns fehlt, nicht rasch im Laden um die Ecke holen. Mit der Scholle „Erde“ müssen wir auskommen. Das bezeichnet man als nachhaltige Landnutzung. Aktuellen Zahlen zufolge reicht die Fläche aber eben nicht: Würde man den deutschen Konsum auf die gesamte Welt hochrechnen, so wäre die Fläche von 2,6 Erden nötig. Und leider geht es auch nicht allen so gut wie in Deutschland: Tatsächlich leiden 795 Millionen Menschen an Mangelernährung, ein Viertel der Weltbevölkerung hat keinen Zugang zu sauberem Wasser. Dies bis 2030 zu beenden sind nur zwei von 17 Zielen der weltweiten nachhaltigen Entwicklung der Vereinten Nationen, den „Sustainable Development Goals“. Hinzu kommt, dass für 2050 ein Anstieg der Weltbevölkerung auf bis zu zehn Milliarden Menschen erwartet wird und – viel entscheidender – sich schon heute durch den zunehmenden Wohlstand Ernährungsgewohnheiten hin zu nährstoffreicherer Nahrung entwickeln. Wie viel also können wir, und zwar wie und wo, mehr produzieren? Eine Nachbarparzelle können wir ja nicht mehr hinzupachten.
Die irreführende Logik des „Mehr“
Das ist die übliche, leider irreführende Logik des „Mehr“. Diese überspringt zwei wichtige Gedanken, die auch die Lösungen beinhalten. Zum einen ist nicht nur die Fläche begrenzt, sondern – aufgrund einfacher biologischer Gesetzmäßigkeiten – auch die Menge der produzierbaren landwirtschaftlichen Güter. Schon der Chemiker Justus von Liebig (1803–1873) wusste von dieser Limitierung, die bedingt ist durch das verfügbare Wasser, die Nährstoffe oder die Insekten, die z. B. die Bestäubung gewährleisten. Eine Analyse der Zeitreihen der globalen landwirtschaftlichen Produktion (von Acker- als auch Tierprodukten) zeigt, dass diese Produktionsmengen jedes Jahr steigen. Aber diese Produktionssteigerungen nehmen ab, sie werden langsamer: Die sogenannte „Peak-Jahre“ der Produktion haben wir für die wichtigsten landwirtschaftlichen Güter bereits hinter uns (siehe Abbildung). Hinweis für Mathematiker: Die analysierten Zeitreihen haben einen statistisch signifikant robusten Wendepunkt und die zweite Ableitung der Zeitreihe wird negativ.
Der zweite Gedankengang betrifft die Nutzung. In Nährwerten betrachtet, produzieren wir tatsächlich doppelt so viel Nahrung pro Person wie benötigt (5000 kcal/Tag). Selbst bei dem zu erwartenden Bevölkerungswachstum auf 9,5 bis zehn Milliarden Menschen, d. h. einem Anstieg von 20 Prozent, wären gar keine Produktionssteigerungen nötig, wenn nicht ein großer Teil an Nahrungsmitteln nach der Ernte verloren gehen oder am Ende weggeschmissen würde (zusammen bis zu 30 Prozent). Letztlich führt der zunehmende Bedarf an veredelten Nahrungsmitteln höherer trophischer Ebenen, vulgo Fleisch, zu einem enormen Druck auf die landwirtschaftliche Fläche für die Bereitstellung von Weideland oder der Produktion von Futtermitteln. Dass dies nicht nachhaltig ist, hat z. B. China bereits erkannt und strebt eine Reduzierung des Fleischverbrauches seiner Bevölkerung um 50 Prozent an.
Archetypen der Landnutzung
Wenn man denn nun – wie in einem Kleingarten – entscheiden will, was man wo macht, oder besser nicht, dann sind räumliche Gegebenheiten, die Geographie, zu berücksichtigen. Natürlich brauchen die Rosen und die Erdbeeren Sonne und ein Birnenbaum wird keine Erträge bringen, wenn der Nachbar einen Wacholder im Garten hat. Dann vielleicht doch besser die Kirsche? Die Frage nach dem Was und Wo stellt sich auch global. Wenn man verstehen will, wo man am besten versucht, Erträge zu steigern und wo nicht, wo der Schutz einheimischer Arten wichtig ist und welche Konsequenzen dies für die dortige Bevölkerung hat, dann genügt es nicht nur, die physisch-geographischen Eigenschaften zu berücksichtigen. Zieht man ökonomische und soziale Aspekte mit in Betracht, so kann man erkennen, dass es weltweit Regionen traditioneller Landwirtschaft mit hohem Arbeitseinsatz gibt, in denen Ertragssteigerungen durchaus möglich sind. Diese Regionen liegen jedoch in Ländern, die eine vergleichsweise schlechtere Infrastruktur haben, diverse und z. T. nicht sehr stabile politische Strukturen besitzen und wenig in ihre Agrartechnik investieren. Auf der anderen Seite gibt es in Ländern wie China und Indien auch Nutzungen, die mit der intensiven Landwirtschaft in Europa oder im mittleren Westen der USA vergleichbar sind. Und nicht zuletzt zeigt sich, dass degradierte Regionen in den Tropen nicht nur den Verlust von Biodiversität aufweisen, sondern dass diese Länder durch die Zerstörung der Ökosysteme wichtige Einnahmequellen verlieren, da ihr Bruttosozialprodukt zu mehr als einem Fünftel von ihrer Landwirtschaft abhängt.
Es gibt nicht die eine Lösung, aber viele gute Empfehlungen
Es gibt also nicht die globale Patentlösung. Nachhaltige Landnutzung, so zeigt das gleichnamige vom UFZ koordinierte Forschungsprogramm, ist immer eine regional spezifische Strategie. Globale Analysen helfen, in der richtigen Schublade zu suchen. Nachhaltige Landnutzung hat auch nur ganz am Ende etwas damit zu tun, was auf dem Acker, auf der Weide oder im Wald passiert. Es gibt viele Optionen: ökologischer Landbau zur Stabilisierung der Erträge, Diversifizierung von Kulturen um klimabedingte Ernteausfälle zu vermeiden, besserer Zugang zu Märkten und die Vermeidung von Ernteverlusten.
Nachhaltige Landnutzung hat sehr viel mit unserem Umgang mit begrenzten Ressourcen zu tun. Eine Änderung des Konsumverhaltens und der Ernährungsgewohnheiten ist ein elementarer Baustein im Umgang mit der reduzierten Ressource Fläche. Im National Geographic hat Jonathan Foley dies „closing the diet gap“ bezeichnet und so dem üblichen Wunsch nach Ertragssteigerung („closing the yield gap“) zu Recht gleichwertig gegenübergestellt.
Zurück zu Ernst Innozenz Hauschild, Dr. Moritz Schreber, dem gleichnamigen Park und der pädagogischen Betreuung der Leipziger Kinder. Mehr als 50 Prozent der Weltbevölkerung leben in Städten und haben in der Regel einen guten Zugang zu Nahrungsmitteln, auch zu Produkten, die von weit entfernt angeliefert werden und zu jeder Jahreszeit verfügbar sind. Wir sind mittlerweile von natürlichen Prozessen entkoppelt. Pädagogische Arbeit kann diese Distanz zur Natur verringern – ohne sie romantisch zu verklären. Wichtig ist zu erkennen, wie zerbrechlich unsere Lebengrundlagen sind und wovon diese abhängen: von funktionierenden Böden, sauberem Wasser und Biodiversität, die landwirtschaftliche Produktion ermöglicht. Vor allem aber vom Umgang mit Kompromissen und von der Abkehr des „Mehr“ und damit der einfachen Tatsache, dass technische Lösungen nicht immer die besten sind und alles Natürliche substituieren können. All dies kann man z. B. auch in Kleingärten lernen, auch in der Stadt. Und damit wird der Garten nicht nur zum Beispiel, sondern auch zur Lösung.
Prof. Dr. Ralf Seppelt, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung Leipzig.
Tipps für den Unterricht
Ein kurzer Film zeigt Ergebnisse des vom UFZ koordinierten globalen Forschungsprogramms „Nachhaltiges Landmanagement“
Das Online-Spiel LandYOUs vermittelt, wie schwierig es sein kann, mit einem limitierten Budget und nur wenigen Stellgrößen eines Regierungschefs der Bevölkerung eines Landes gute Lebensbedingungen zu ermöglichen.
Literatur
Seppelt, R., Cumming, G.S. (2016). Humanity’s Distance to Nature: Time for Environmental Austerity?
Seppelt, R. et al. (2014). Synchronized Peak-Rate Years of Global Resources Use.
Václavík, T. et al. (2013). Mapping Global Land System Archetypes.
Vereinte Nationen. Sustainable Development Goals.
National Geographic (2015). How to feed 9-billion people.