Skip to content

Schwarze Löcher wachsen nicht ewig

Ab welcher Masse beenden supermasse­reiche Schwarze Löcher ihr Wachstum? Gibt es eine messbare Obergrenze? Der britische Astronom Andrew King ist sich sicher, eine solche gefunden zu haben. 

Schwarze Löcher machen ihrem Namen keine Ehre: Sie sind streng genommen weder schwarz noch haben sie ein Loch. Und dennoch zählen diese kompakten Gebilde, die aus toten massereichen Sternen geboren werden, zu den spektakulärsten Objekten im Universum. Nicht ohne Grund bezeichnet der Grandseigneur der Astronomie, der englische Astrophysiker Sir Martin Rees, diese einmal als „Gespenster toter Sterne“.

Wie entstehen Schwarze Löcher?

Ein derartiges Gespenst entsteht, wenn ein Stern ab der 20-fachen Masse der Sonne kollabiert. Angetrieben von seiner gigantischen Masse und Schwerkraft verliert sich der Stern dann in einem Schwarzen Loch. Alles, was ihm zu nahe kommt und den Ereignishorizont überschreitet, verschwindet in einem gewaltigen kosmischen Raum-Zeit-Strudel auf Nimmerwiedersehen in eine Singularität: in einem unendlich kleinen, dichten und heißen zentralen Punkt, in dem alle Qualitäten und Quantitäten von Raum, Zeit und Materie das Zeitliche segnen.

Bevor ein Schwarzes Loch seinen Appetit stillt, konzentriert es seine Beute auf einer scheibenförmigen, ihn umgebenden Struktur. Auf solch einer Akkretionsscheibe spiralt jegliche Form von Materie (auch jedes Lichtpartikel) Bahn für Bahn immer näher dem Zentrum des Schwarzen Lochs entgehen. Während dieses Vorgangs heizt sich die rotierende Scheibe auf unvorstellbar hohe Temperaturen auf und strahlt extrem stark im sichtbaren Licht und auf (fast) allen anderen Wellenlängen des elektromagnetischen Spek­trums, insbesondere im Röntgenbereich.

Vorkommen

Schwarze Löcher treten im Universum auf verschiedene Art und Weise in Erscheinung: mal als stellare Objekte, die bis zu zehnmal so schwer sind wie unsere Sonne, oder als Vertreter der Mittelklasse mit bis zu 100.000 Sonnenmassen. Und nicht zuletzt als extrem schwere Exemplare mit einer Million bis zu mehreren Milliarden Sonnenmassen: sogenannte supermassereiche Schwarze Löcher. Die bisherigen Beobachtungen sprechen dafür, dass letztere sich in nahezu allen Zentren von normalen Galaxien eingenistet haben. Wie sie sich jedoch in kosmisch-grauer Vorzeit gebildet haben, ist eine der großen offenen Fragen der Astrophysik. Zumal deren Entstehung eng verknüpft ist mit der Galaxienbildung in kosmischer Frühzeit.

Wie groß kann ein Schwarzes Loch werden?

Seit einigen Jahren rätseln Astronomen auch darüber, wie massereich und groß ein Schwarzes Loch werden kann, bevor sein Wachstum endet. Bei dem bis auf den heutigen Tag bekanntesten massereich­sten Schwarzen Loch S5 0014 + 813 handelt es sich um einen Quasar, der sage und schreibe knapp 40 Milliarden Sonnenmassen aufweist. Mit einem Quasar (quasistellare Radioquelle) assoziieren Astronomen eine sehr energiereiche und hell leuchtende kleine Region im Zentrum einer aktiven Galaxie. Dank seiner hohen Leuchtkraft im gesamten elektromagnetischen Spektrum strahlt ein Quasar vom Radiowellen- bis hin zum Gammawellen­bereich so hell wie Tausende riesige Galaxien zusammen. Bislang konnten Astronomen eine halbe Million Quasare katalogisieren, die meisten davon im Verlaufe der umfassenden, immer noch laufenden Beobachtungskampagne „Sloan Digital Sky Survey“ (SDSS) Unter ihnen sind 40 Quasare verzeichnet, die weiter als 12,7 Milliarden Lichtjahre entfernt sind, wozu auch der in einer Distanz von 12,8 Milliarden Lichtjahren gelegene schwarze Riese S5 0014 + 813 zählt.

S5 0014 + 813 ist nach Ansicht des britischen Astronoms Andrew King von der Universität in Leicester zwar das größte Schwergewicht im All, seiner Theorie zufolge könnten im Kosmos aber noch weitaus größere „Gespenster“ herumspuken. Wie er in einem Fachaufsatz in der Februar-­Ausgabe des britischen Wissenschaftsmagazins Monthly Notices Letters of the Royal Astronomical Society berichtet, erstellte er ein mathematisches Modell, das die Rotationsraten supermassereicher Schwarzer Löcher und die Masse der sie umgebenden Gase berücksichtigt. Für sein Modell griff King schwerpunktmäßig nicht auf bereits bestehende Observationsergebnisse oder andere Daten zurück. „Das Ergebnis war vielmehr das Produkt eines Zufalls. Es beruht auf einer rein mathematischen Herleitung und weniger auf Observationsdaten oder Computersimulationen“, erklärt King. Hierbei kam er zu einem eindeutigen Ergebnis: Seinen Berechnungen zufolge kann ein supermassereiches Schwarzes Loch nur bis zu einem ganz bestimmten Punkt wachsen. Erreicht nämlich ein solches die Masse von 50 Milliarden Sonnen, endet sein Wachstum abrupt. Dann wird seine Gravitation so groß, dass es seinen eigenen Futterlieferanten vernichtet. In diesem Fall verspeist es seine strahlend helle Akkretionsscheibe, auf der sich Gas, Staub, Materie oder auch die Partikel des Lichts konzentrieren. Bei diesem Vorgang kollabiert aber nicht das Schwarze Loch selbst, sondern nur seine Akkretionsscheibe.

Sie verliert zuerst an Energie, fällt in sich zusammen und endet im Schwarzen Loch. Weil die Futterquelle versiegt, verharrt das Schwarze Loch zwangsläufig in Inaktivität. Ohne die energiespendende Gasscheibe verhungert die Schwerkraftfalle. „Die meisten dieser Objekte machen danach nichts mehr. Sie sind dann nur noch schwer aufzuspüren“, so King.

Weitere Schwergewichte im All?

Allerdings kann unter bestimmten Umständen ein solch riesiges Gebilde auch ohne die Hilfe einer Akkretionsscheibe seine Masse vergrößern. So könnte ein ruhendes Schwarzen Loch mit mehr als 50 Milliarden Sonnenmassen weiter an Größe und Masse zulegen, wenn es einen verirrten Stern vernascht. Andrew King sieht noch eine andere Möglichkeit: „Verschmilzt ein supermassereiches Schwarzes Loch mit einem anderen, entsteht ein noch größeres Schwarzes Loch.“ Theoretisch gesehen könnte laut King aus solch einer Kollision ein neues Schwarzes Loch erwachsen, das bis zu 270 Milliarden Sonnenmassen schwer wäre. „Im Modell können miteinander verschmelzende Schwarze Löcher weiterwachsen und diesen Wert erreichen. Eines von beiden müsste jedoch mindestens 135 Sonnenmassen haben. So etwas dürfte im Universum aber extrem selten geschehen.“ 

Dr. Harald Zaun

Web-Link

How Big Can a Black Hole Grow?

Beitrag teilen:

Facebook
Twitter
LinkedIn
Pinterest
XING
WhatsApp
Email

Ähnliche Beiträge

Mit dem DESI-Instrument in Arizona wird gegenwärtig eine dreidimensionale Karte der Position und Bewegung vieler Millionen Galaxien erstellt
27. November, 2024
Der Erkenntnisfortschritt der modernen Kosmologie verlief in den letzten zwei, drei Jahrzehnten rasant. Und doch sind die Konsequenzen äußerst kurios. Noch tappt die Wissenschaft vom Universum buchstäblich im Dunkeln, denn der Hauptbestandteil des Alls ist rätselhaft.
Strahlend heller Sonnenschein am klaren blauen Himmel mit ein paar zarten, dünnen Wolken im Hintergrund.
25. November, 2024
Wie fängt man Sonnenlicht am besten ein? Das ist nicht nur bei der Aufstellung von Photovoltaikanlagen wichtig, sondern auch für die Sonnenenergiewandler der Pflanzen, also bei ihren Blättern und deren Verzweigung und Ausrichtung. Es ist nicht vorteilhaft, wenn sie sich gegenseitig im Wege stehen und beschatten. Die Blattstellung folgt einem geometrischen Muster, das, mathematisch betrachtet, mit Spiralen, Selbstähnlichkeit, Fibonacci-Zahlen und dem Goldenen Winkel zu tun hat.
Mehrere Hände, die in einem Klassenzimmer vor einer Tafel mit mathematischen Formeln in die Luft gehoben sind
15. November, 2024
Bildungsdiskussionen in Deutschland sind immer auf Messers Schneide: Auf der einen Seite müssen wir darüber sprechen, was wir eigentlich erreichen wollen. Auf der anderen Seite soll es nicht in langwierige Diskussionen über abstrakte Begriffe abdriften. Was vonnöten ist, ist ein Kern, der die Diskussion bestimmt. Dieser liegt darin, warum wir noch Schulen haben. Sie sind Orte des Lernens – oder sollten es sein. Wir brauchen einen Gegenentwurf zu dem traditionellen Schulverständnis.
Energiefresser Internet
28. Oktober, 2024
Das Internet ist zu einem unverzichtbaren Teil unseres Alltags geworden. Wir alle nutzen es, wenn auch zu ganz unterschiedlichen Anteilen, zur Kommunikation, Unterhaltung, Arbeit und Bildung. Doch kaum jemand macht sich Gedanken darüber, wie viel Energie für all diese Dienste und Daten im Netz aufgewendet werden muss.
Mikrophon mit Publikum im Hintergrund
13. August, 2024
Im ersten Teil der Reihe über TED Talks ging es um Gamification-Ansätze im Klassenzimmer, um den „Schüler“ ChatGPT und darum, wie künstliche Intelligenz das Bildungssystem bereichern kann. Inzwischen ist das TED-Universum um einige weitere inspirierende Talks zum Thema Bildung angewachsen – und auch ältere Talks haben nichts an Aktualität verloren, denn der Wandel der Bildungslandschaft scheint ein immerwährendes Thema zu sein. Grund genug, immer mal über den eigenen Tellerrand zu schauen und sich für den eigenen Unterricht inspirieren zu lassen, etwa mit einem neuen Blick auf Tests und Klassenarbeiten.
Welcome Collection London
19. Juli, 2024
Wie groß ist der Radius der Erde? Fallen alle Objekte mit derselben Geschwindigkeit? Und warum erscheinen die Farben eines Regenbogens immer in der gleichen Reihenfolge? Bei all dem Wissen, das uns das Internet heute in Sekundenschnelle wie auf einem goldenen Tablett präsentiert, vergessen wir allzu oft, welch jahrhundertealte Geschichte hinter so manchen Fakten steckt – und wie viel Versuch und Irrtum.
Header_MZ Blogbeitrag_04-2023 (12)
18. Juni, 2024
Eine auf den ersten Blick völlig unförmige Figur wird um eine Achse gedreht. Plötzlich nimmt ihr Schatten die Gestalt einer aus einer Kindersendung wohlbekannten Maus an. Dreht man sie weiter, erscheinen nacheinander die beiden besten Freunde der Maus: ein Elefant und eine Ente. Wie kann das sein?
Header_MZ Blogbeitrag_04-2023 (11)
28. Mai, 2024
Inmitten der fortschreitenden Debatte über nachhaltige Mobilität ist der Verbrennungsmotor nach wie vor ein zentraler Akteur auf deutschen Straßen und macht den Verkehrssektor zu einem der größten CO2-Verursacher. Um den Klimawandel zu stoppen, müssen wir den CO2-Ausstoß jedoch reduzieren. Die Nutzung erneuerbarer Energien wie Solarenergie, Windenergie, Wasserkraft und Geothermie anstelle von fossilen Brennstoffen könnte genau dazu beitragen. Der Verkehrssektor könnte durch die Umstellung von Verbrennungsmotoren auf Elektroantriebe oder sogenannte E-Fuels nahezu emissionsfrei sein und somit die Umwelt und das Klima schützen und das Leben auf unserem Planeten nachhaltiger gestalten.
Blogbeitrag_Fachkräftemangel
14. Mai, 2024
Obwohl die Digitalisierung ist in den letzten Jahrzehnten viele Bereiche unseres Lebens verändert hat, ist die Integration digitaler Technologien in Bildungseinrichtungen noch nicht so weit fortgeschritten, wie es sich so manche Lehrkraft und so manche Schüler:in wünschen würde. Dabei werden ebendiese Schüler:innen von heute die IT-Fachkräfte von morgen sein.
TED-Talk_Bildung_Header_1920x1080
28. Februar, 2024
Wenn wir uns für ein bestimmtes Thema interessieren und dazu unser Wissen erweitern möchten, ist unsere erste Anlaufstelle oft das Internet, gefolgt von Podcasts, Wissensvideos oder Sachbüchern. TED Talks haben in den vergangenen Jahren in Deutschland zwar sicherlich an Bekanntheit gewonnen, fristen jedoch verglichen mit ihrer Popularität in englischsprachigen Ländern wie den USA oder Großbritannien noch immer ein Schattendasein – das jedoch völlig zu Unrecht.
Header_MZ Blogbeitrag_04-2023 (4)
11. Januar, 2024
Es ist ein hübsches Spiel für geduldige Kinder: Auf einer Holzplatte ist ein Kreis aufgezeichnet, und auf dem Umfang dieses Kreises sind in gleichmäßigen Abständen p – 1 Nägel eingeschlagen, wobei p in der Größenordnung von einigen Hundert liegt und am besten eine Primzahl ist. Die Nägel n sind fortlaufend nummeriert. Die Aufgabe besteht darin, für alle n von 1 bis p – 1 einen Faden von Nagel n zu Nagel 2n zu ziehen.
Header_MZ Blogbeitrag_04-2023
20. Dezember, 2023
Seit ein Artikel in der New York Times im Dezember 2017 über ein geheimes Programm zur Erforschung von unbekannten Luftphänomenen (UAP) im US-Verteidigungsministerium berichtete, häufen sich die Nachrichten zu UAP. Ein ehemaliger Geheimdienstoffizier sagte nun vor dem Kongress aus, dass die USA sogar im Besitz „intakter, nicht menschlicher Technologie“ seien. Sollte uns eine außerirdische Intelligenz besuchen, könnte diese Erkenntnis die Menschheit jedoch in eine kosmische Krise stürzen.