Astronomie in der Schule – ist das nicht nur ein Nischenfach? Zahlreiche Lehrerinnen und Lehrer, die zum Teil seit Jahrzehnten astronomische Inhalte unterrichten, wissen, dass Astronomie vor allem ein Thema ist, mit dem sich auch solche Schülerinnen und Schüler an die Physik heranführen lassen, die sich ansonsten kaum oder gar nicht für das Fach begeistern.
Astronomie interessiert im Gegensatz zu technikzentrierten Themen nicht nur vorrangig Jungen, sondern auch Mädchen. Ein Fachgebiet, das grundlegendes Basiswissen und die „großen Fragen“ mit handfester Praxis verbindet: die Frage nach der Herkunft unseres Planeten und unserer Verortung auf einem eher kleinen Planeten im großen, weitgehend lebensfeindlichen Weltall einerseits, Praxisprojekte wie Fernrohrbeobachtungen mit Schülerinnen und Schülern auf der anderen Seite. Die besondere Attraktivität der Astronomie bestätigen nicht nur die Schilderungen von Lehrern, sondern auch internationale Studien zu Schülerinteressen. In der ROSE-Studie (Relevance of Science Education, roseproject.no), die in rund 40 Ländern 15-jährige Schülerinnen und Schüler nach ihren Interessen befragte, stieß die Frage nach der Möglichkeit von Leben außerhalb der Erde unter 108 Themenfragen aus allen Naturwissenschaften auf die größte Begeisterung. Dieses Ergebnis bestätigt auch die deutsch-österreichische Stichprobe der ROSE-Studie, wo sich Astrophysik / Universum, Humanbiologie und Zoologie als die für die Jugendlichen spannendsten Themen erwiesen.
Astronomie – aber wie?
Schülerinteressen sind das eine – aber welche Rolle können solche Themen in der Schule spielen? Ideal ist hier natürlich die Astronomie als eigenständiges Fach. Dieser Kontext ermöglicht es, die ganze Bandbreite der Astronomie und ihrer interdisziplinären Verknüpfungen mit den anderen Naturwissenschaften, aber auch mit den Geschichtswissenschaften, einfließen zu lassen. Als für alle verbindliches Fach gibt es die Astronomie in Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Thüringen, als Wahlfach beispielsweise auch in Baden- Württemberg. Astrophysik als möglicher Schwerpunkt für einen Physikkurs (wie in Bayern oder Baden-Württemberg) ermöglicht es, zumindest die physikalischen Aspekte der Astronomie einfließen zu lassen. Wert und Rolle naturwissenschaftlicher Verbundfächer sind allgemein nicht unumstritten. Eine positive Eigenschaft ist es aber zweifellos, wenn solche Verbundfächer es erlauben, Inhalte aus unterschiedlichen Wissenschaftssparten zusammenzufügen. Das war in Baden-Württemberg bislang im Rahmen des Fachs „Naturwissenschaft und Technik“ der Fall. Astronomie-Arbeitsgemeinschaften sind gerade in Zeiten von Ganztagsschulen eine interessante Option, erfordern allerdings gehöriges Engagement seitens der Betreuerinnen und Betreuer. Leuchtturm-Beispiele gut ausgestatteter Schulsternwarten, zum Teil mit eigenen festinstallierten Kuppeln, finden sich in verschiedenen Regionen Deutschlands. Alternativ kommt eine Zusammenarbeit mit lokalen Amateurastronomen infrage. Ganz allgemein ist die Astronomie ein probates Mittel, wenn es darum geht, Inhalte des Schulfachs Physik so zu vermitteln, dass das Interesse der Schülerinnen und Schüler geweckt wird. Wer beispielsweise die Grundgesetze der Mechanik wie das Gravitationsgesetz und die Kepler‘schen Gesetze lehrt, dürfte kaum spannendere Beispiele dafür finden als die Entdeckung des Schwarzen Lochs im Zentrum unserer Milchstraße. Da es selbst nicht leuchtet, wurde es durch seine Gravitationsanziehung auf umgebende Sterne nachgewiesen. Wer das Konzept des Schwerpunkts einführt, ist mit wenigen Schritten bei der Frage, wie sich Planeten nachweisen lassen, die andere Sterne umkreisen als die Sonne: nicht durch direkte Abbildungen – denn die Planeten werden von ihren Heimatsternen weit überstrahlt –, aber dadurch, dass Stern und Planet um einen gemeinsamen Schwerpunkt kreisen und sich diese Bewegung nachweisen lässt.
Astronomie mit Unterstützung
Wer Astronomie im Unterricht einsetzen möchte, hat gute Karten. Denn neben ausgezeichnetem Material gibt es eine Reihe von Institutionen, die astronomischen Schulunterricht kompetent unterstützen. Über 90 größere und kleinere Planetarien in ganz Deutschland bieten die Möglichkeit, den Sternenhimmel in ganz besonderer Umgebung zu erleben. Darüber hinaus erlauben 360°-Videoprojektionen das Eintauchen in das Gezeigte. Phänomene der Astronomie lassen sich hier so darstellen, als wären die Schülerinnen und Schüler direkt dabei. Didaktikgruppen etwa an den Universitäten Jena, Siegen, Wuppertal und Hildesheim kümmern sich um die Vermittlung dieses Fachs – ebenso wie das Haus der Astronomie in Heidelberg als Zentrum für astronomische Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit. Bei Lehrerfortbildungen besteht die Möglichkeit, den eigenen Horizont zu erweitern und sich mit astronomieinteressierten Kollegen auszutauschen; zu nennen wären hier insbesondere die bundesweite Lehrerfortbildung Astronomie in Jena und die ebenfalls bundesweite WEHeraeus- Lehrerfortbildung Astrophysik am Haus der Astronomie in Heidelberg. Auch Sternwarten und astronomische Institute bieten vielerorts die Möglichkeit zu Besuchen oder Führungen.
Tim Florian Horn
Dr. Markus Pössel