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Informationstechnik ist noch immer eine überwiegend männliche Branche. Es war aber eine Frau, die das erste Computerprogramm schrieb – und zwar schon 1843 in London, bereits 100 Jahre vor der Erfindung des ersten elektronischen Rechners: Ada Lovelace, Tochter des romantischen Dichters Lord Byron.

Zwei Jahrhunderte nach ihrer Geburt informiert momentan eine Ausstellung über Lovelace und spätere Pionierinnen der Computertechnik. Sie will Mädchen dazu ermutigen, sich mit Informatik zu befassen. Noch bis zum 10. Juli 2016 zeigt das „HeinzNixdorfMuseumsForum“ (HNF) in Paderborn die Ausstellung „Am Anfang war Ada – Frauen in der Computergeschichte“. Die Philosophin Sybille Krämer von der Freien Universität hat vertiefend zur Schau ein Buch über Ada Lovelace und die Frage nach Geschlecht in der Computerwissenschaft herausgegeben. „Ada Lovelace war eine schillernde Persönlichkeit“, konstatiert Professorin Krämer. „Rationalität und Rausch treffen in ihr zusammen.“ Augusta Ada Byron wurde 1815 in London als Kind von Lord Byron und seiner Frau Annabella Milbanke geboren. Die Eltern trennten sich jedoch kurz nach ihrer Geburt. Ada lernte ihren exzentrischen Vater nie kennen; denn er starb mit nur 36 Jahren, als sie acht Jahre alt war. Obwohl ihre Mutter sie von Lord Byron fernhielt, fühlte sich Ada ihrem Vater ein Leben lang verbunden. Aus Sorge, das Kind könnte die poetische Leidenschaft seines Vaters geerbt haben, ließ Lady Byron ihre Tochter privat unterrichten und legte dabei besonderen Wert auf eine strenge mathematische und naturwissenschaftliche Ausbildung. Die junge Ada Byron verband letztlich die Eigenschaften ihrer Eltern. Sie hatte eine ebenso ausgeprägt wissenschaftliche Auffassungsgabe wie auch eine künstlerische und musische Begabung. Ihre wissenschaftlichen Texte und Briefe waren kreativ, schwärmerisch, voller Metaphern. Jahre später schrieb Ada ihrer Mutter: „Wenn du mir keine Poesie geben kannst, kannst du mir nicht poetische Wissenschaft geben?“ Zu Ada Lovelace Tutoren gehörte die schottische Astronomin und Mathematikerin Mary Somerville, die sie in die wissenschaftlichen Kreise Londons einführte. Mary Somerville war eine Ausnahmeerscheinung: Ohne richtige Schulbildung war es ihr als Autodidaktin gelungen, sich in der Welt der männlich bestimmten Wissenschaft einen Namen zu machen und viel beachtete Werke zu veröffentlichen. „Frauen im 19. Jahrhundert durften weder an der Universität studieren noch Bibliotheken besuchen. Um sich zu bilden, waren sie auf privaten Austausch angewiesen“, erklärt Sybille Krämer. Mit 18 Jahren hörte Ada schließlich einen entscheidenden Vortrag des Mathematikers Charles Babbage über seine Idee für eine Rechenmaschine, die „Difference Engine“. Ada war begeistert, besuchte Babbage, um sich den Prototyp anzusehen, und wurde seine Schülerin. Babbage nannte sie „die Zahlenzauberin“ und bat den angesehenen Mathematiker Augustus de Morgan, Ada zu unterrichten. „Babbage hat sie gefördert, obwohl ein Interesse an Mathematik für Frauen damals nicht schicklich war“, betont Krämer. Diese Möglichkeit, ihren eigenen Interessen nachgehen zu können, verdankte Ada vor allem ihrem aristokratischen Stand: 1835 heiratete Ada Byron mit 19 Jahren Baron William King, der später zum Earl of Lovelace ernannt wurde, und bekam drei Kinder. Damit sie ihren Studien nachgehen konnte, ging ihr Mann für sie in Bibliotheken und schrieb wissenschaftliche Artikel ab. Zu Ada Lovelace sozialen Kreisen gehörten der Erfinder des Kaleidoskops, Sir David Brewster, Charles Dickens und Michael Faraday.

Die analytische Maschine

Charles Babbage entwickelte Pläne für eine weitere Maschine, die „Analytical Engine“, die neben einem Lochkartenleser auch Elemente eines modernen Computers enthielt: Rechenwerk und Arbeitsspeicher. Über Lochkarten gesteuert, sollte sie komplexe Berechnungen ausführen. Ada Lovelace war einer der wenigen Menschen, die den Entwurf verstanden und sein Potenzial erkannten. Als der italienische Mathematiker Luigi Menabrea einen Vortrag Babbages in einer französischen Zeitschrift zusammenfasste, übersetzte Lovelace den Artikel ins Englische. Babbage ermutigte sie noch, den Text um eigene Notizen zu ergänzen, wobei ihre Kommentare schließlich die dreifache Länge des ursprünglichen Artikels einnahmen. 1843 wurde dieser Aufsatz unter dem Namenskürzel A.A.L. veröffentlicht. Trotz dieser Zurückhaltung war in wissenschaftlichen Kreisen bekannt, wer sich dahinter verbarg. Die Schrift war Gesprächsstoff in der höheren Gesellschaft. Gleichzeitig verhinderte das Kürzel, dass Ada Lovelace nachhaltig bekannt blieb. In ihren Kommentaren erklärte sie den Unterschied der „Analytical Engine“ zur „Difference Engine“: Während eine Rechenmaschine einzelne arithmetische Operationen ausführe, die der Mensch von Hand eingeben müsse, könne die „Analytical Engine“ die erforderlichen Befehle intern speichern und sie dann automatisch ausführen. Um die Funktionsweise der Maschine zu demonstrieren, ließ Ada Lovelace sich von Charles Babbage die Bernoulli-Zahlen, eine mathematische Formel, geben. Sie schrieb einen Plan, mit dem die „Analytical Engine“ die Zahlen mithilfe von Lochkarten berechnen könnte: Das erste Computerprogramm war entstanden.

Visionäre Weitsicht

Ada Lovelace begriff, dass die Maschine nicht nur mit Zahlen würde rechnen können, sondern dass die gespeicherten Daten beliebige Objekte darstellen könnten. Sie entwickelte Ideen für die Anwendungsmöglichkeiten der universalen Maschine, verglich diese mit den 1805 entwickelten Jacquard-Webstühlen, die mithilfe von Lochkarten Muster webten: „Die ‚Analytical Engine‘ webt algebraische Muster so, wie der Webstuhl von Jacquard Blumen und Blätter webt“, schrieb Ada Lovelace in ihrem Aufsatz. Sie spekulierte weiter, dass die Maschine eines Tages auch Musikstücke komponieren und Grafiken produzieren könne, dass sie eine wissenschaftliche und eine praktische Anwendung finden könne. Doch die „Analytical Engine“ wurde nie gebaut. Charles Babbage veränderte seine Pläne ständig, bis ihm das Geld ausging. Briefe zeigen, dass Ada Lovelace Babbage vorgeschlagen hatte, dass sie die Aufgaben einer Managerin übernehmen könne, die dafür sorgt, dass die Maschine realisiert wird. Doch es kam nicht dazu. Lovelace, die ihr Leben lang mit einer schwachen Gesundheit zu kämpfen hatte, erkrankte schwer. Sie versuchte, ihre Schmerzen mit Opium, Alkohol und Cannabis zu lindern. Mit nur 36 Jahren starb sie 1852 vermutlich an Gebärmutterhalskrebs. Auf eigenen Wunsch wurde sie neben ihrem im gleichen Alter verstorbenen Vater begraben. Ada Lovelace hatte ein intensives und ungewöhnliches Leben für eine Frau ihrer Zeit geführt. Sie soll versucht haben, ein sicheres Wettsystem für Pferderennen zu errechnen, sei dabei jedoch gescheitert und habe sowohl ihr eigenes Vermögen als auch das ihres Mannes verspielt. Auch romantische Beziehungen zu anderen Männern soll sie gehabt haben. „Sie nahm sich Dinge heraus, die zu ihrer Zeit Männern vorbehalten waren“, sagt Krämer. Mit ihrer Vision von der Programmierbarkeit eines Universalrechners war Ada Lovelace ihrer Zeit weit voraus. Ihre Erkenntnisse gerieten jedoch in Vergessenheit und spielten für die Entwicklung von Computern und Software keine Rolle. Erst in den 1970er-Jahren wurde die Pionierin der Informationstechnik wiederentdeckt. Seitdem haben sie Romane, Spielfilme, Theaterstücke und Biografien zu einer Art Pop-Ikone gemacht. 1980 nannte das US-Verteidigungsministerium eine Programmiersprache „Ada“. Die British Computer Society vergibt seit 1998 die „Lovelace Medal“ an Persönlichkeiten, die einen wichtigen Beitrag für Informationssysteme oder ihre Verständlichkeit geleistet haben. Seit 2015 soll jährlich das „Ada Lovelace Festival“, eine europäische Fachkonferenz für Frauen in der IT, stattfinden. Auch eine Reihe von naturwissenschaftlich-technischen Förderprogrammen für Mädchen und Frauen sind nach ihr benannt: etwa das Ada-Lovelace- Projekt in Rheinland-Pfalz, ein Mentoring- Programm, welches junge Frauen fördert, die MINT-Fächer studieren oder in diesen Fachrichtungen Ausbildungsberufe erlernen.

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