Finanzielle Grundbildung wird auch für junge Menschen immer wichtiger, kommt aber in der Schule zu kurz. Dass die Vermittlung dennoch möglich ist und Auswirkungen auf das Entscheidungsverhalten junger Menschen hat, zeigt ein aktuelles Forschungsprojekt mit Schülerinnen und Schülern der Sekundarstufe.
Stellen Sie sich vor, Sie müssten die beiden folgenden Fragen beantworten:
- „Angenommen, Sie haben 100 Euro, die Sie zu einem Zinssatz von zwei Prozent pro Jahr für die Dauer von fünf Jahren veranlagen. Welcher Betrag ergibt sich daraus nach fünf Jahren?
A) Mehr als 110 Euro.
B) Genau 110 Euro.
C) Weniger als 110 Euro.“ - „Wenn in Beispiel 1 eine Inflationsrate von drei Prozent pro Jahr für die Dauer von fünf Jahren vorliegt, ist nach fünf Jahren Ihre Kaufkraft
A) größer als heute,
B) gleich groß wie heute oder
C) kleiner als heute?“
Beide Fragen sind mittlerweile „Klassiker“ bei der Abfrage von finanzieller Grundbildung. Natürlich ist bei Aufgabe 1 Antwort A) richtig aufgrund von Zinseszinseffekten. Und bei Aufgabe 2 ist Antwort C) richtig, weil die Inflation größer als die Verzinsung während des Veranlagungszeitraums ist, sodass die Kaufkraft sinkt. Obwohl beide Aufgaben keine höhere Finanzmathematik verlangen, beantworten nur knapp über 60 Prozent der deutschen Bevölkerung beide Fragen richtig. Wenn man noch eine weitere Frage hinzufügt – ob die Veranlagung eines bestimmten Betrags in mehreren Aktien weniger riskant ist als die Anlage in einer einzelnen Aktie (was zutrifft) –, dann sinkt der Anteil von Personen, die alle drei Fragen richtig beantworten, sogar auf etwa 50 Prozent. Dabei ist dieser Wert für Deutschland noch deutlich besser als etwa in den USA, Frankreich oder Italien (mit Werten um die 25–30 Prozent).
Warum ist finanzielle Grundbildung überhaupt wichtig?
Forschungsergebnisse zeigen, dass Menschen mit geringerer finanzieller Grundbildung niedrigere Renditen auf ihren Sparkonten erzielen, eher teure Kreditverträge abschließen oder weniger für ihr Alter sparen. Finanzielle Grundbildung – etwa das Verständnis von Risikostreuung oder Zinseszinseffekten – geht einher mit besseren finanziellen Entscheidungen. Angesichts dieser Befunde stellt sich die Frage, ob und wie unsere Schulen zur Vermittlung finanzieller Grundbildung beitragen. Im Mathematikunterricht werden Zinseszinseffekte behandelt, üblicherweise aber ohne Bezug etwa zu Fragen der Überschuldung von Jugendlichen durch Kredite für alltägliche Konsumgüter. Im Sozial- und Wirtschaftskundeunterricht hören Schülerinnen und Schüler auch häufig etwas von Inflation und Kaufkraft, aber der Bezug zu ihrer Lebensrealität bleibt häufig verborgen. Kurzum: Trotz der Bedeutsamkeit finanzieller Grundbildung wird diese in deutschen Schulen viel zu wenig gefördert. Das mag auch damit zusammenhängen, dass es wenig Evidenz gibt, ob die Vermittlung funktionieren kann und welche Auswirkungen sie auf das Entscheidungsverhalten von jungen Menschen hat.

Finanzielle Grundbildung ist die Basis für bessere finanzielle Entscheidungen
Unterrichtseinheiten zur finanziellen Grundbildung
An diesem Punkt haben wir angesetzt und ein großes Forschungsprojekt mit ca. 700 Probanden aus 30 zufällig ausgewählten Kursen der Sekundarstufe II an elf deutschen Schulen durchgeführt. Bei einem Drittel der Kurse wurden acht Unterrichtseinheiten zur finanziellen Grundbildung abgehalten. Dabei ging es beispielsweise darum, wie man eine Lohnabrechnung richtig liest, wie Zinseszinseffekte wirken oder welche kognitiven Fehler bei finanziellen Entscheidungen auftreten können. Bei einem anderen Drittel wurden acht Einheiten zur Geldpolitik unterrichtet, die sich auch mit Fragen des Geldes beschäftigt, aber aus einem ganz anderen Blickwinkel als Konzepte der finanziellen Grundbildung, und die übrigen Kurse erhielten ihren normalen Unterricht. Die Vermittlung der Unterrichtseinheiten zur finanziellen Grundbildung erfolgte im Rahmen des regulären Unterrichts mithilfe einer plattformunabhängigen App. Während in den zufällig ausgewählten Experimentalklassen finanzielle Grundbildung vermittelt wurde, gab es in den Parallelklassen Unterricht nach Plan – also den üblichen Lehrstoff. Vor unserer Intervention absolvierten die Schülerinnen und Schüler einen Test in finanzieller Grundbildung. Erwartungsgemäß war der Wissensstand eher gering. Neben diesem Test erhoben wir auch ökonomische Präferenzen durch ökonomische Experimente, weil unser Forschungsprojekt auf der Hypothese basierte, dass finanzielle Grundbildung deswegen Entscheidungen beeinflusst, weil sie eine Wirkung auf Risiko- und Zeitpräferenzen hat. Bei der Messung von Risikopräferenzen mussten die Schülerinnen und Schüler entscheiden, ob sie lieber einen sicheren Geldbetrag erhalten oder eine Lotterie spielen wollten, die entweder zehn Euro oder nichts auszahlte. Der sichere Betrag stieg von 0,50 Euro bis zu zehn Euro an. Wer den sicheren Betrag schon bei kleineren Beträgen wählte, galt als risikoscheuer. Im Experiment zu Zeitpräferenzen mussten die Schülerinnen und Schüler zwischen 10,10 Euro am jeweiligen Tag oder einem höheren Betrag (bis zu 13,90 Euro) eine Woche später wählen. Geduldigere Schülerinnen und Schüler zeichnen sich dadurch aus, dass sie schon bei relativ kleineren Beträgen eine Woche Wartezeit auf sich nehmen.
Ergebnisse
Der Test zur finanziellen Grundbildung und die Präferenzmessungen wurden unmittelbar nach den acht Unterrichtseinheiten und nochmals sechs bis neun Monate später wiederholt. Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Schülerinnen und Schüler ihr Wissen und ihre Fähigkeiten in finanzieller Grundbildung durch unsere Intervention ganz erheblich verbesserten. Sie wurden dabei auch aufgeschlossener für die Bedeutung des Themas persönliche Finanzen. Bei der Messung der Zeitpräferenzen stellte sich heraus, dass sie unmittelbar nach der Intervention und auch sechs bis neun Monate später geduldigere Entscheidungen trafen als die Vergleichsgruppe. Bei Risikopräferenzen beobachteten wir, dass die Intervention zu einer leichten Zunahme von Risikoaversion führte, d. h., die Probanden trafen insgesamt weniger risikoreiche Entscheidungen; dieser Effekt reduzierte sich jedoch in der langen Frist. Insgesamt bestätigt sich demnach unsere Hypothese, dass finanzielle Grundbildung ökonomische Präferenzen verändert. Außerdem zeigt unser Projekt, dass finanzielle Grundbildung erfolgreich an deutschen Schulen vermittelt werden kann.
Prof. Dr. Matthias Sutter ist Direktor am Max-Planck-Institut zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern Bonn und unterrichtet an der Universität zu Köln.
Prof. Dr. Michael Weyland leitet die Abteilung Wirtschaftswissenschaften an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg und ist Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für Ökonomische Bildung (DeGÖB).
Unterrichtsanregung zum Download: Das Glücksrad-Experiment
Literatur:
- Sutter, Matthias (2018). Die Entdeckung der Geduld – Ausdauer schlägt Talent. Salzburg. 2. Auflage.
- Sutter, Matthias / Weyland, Michael / Untertrifaller, Anna / Froitzheim, Manuel (2020). Financial literacy, risk and time preferences – Results from a randomized educational intervention. IZA Discussion Paper No. 13566.