Wir alle verdanken unsere Existenz einer der größten Fragen der Physik. Beim Urknall wurde gleich viel Materie wie Antimaterie gebildet. Antimaterie besitzt die gleichen Eigenschaften wie Materie mit entgegengesetzter Ladung. Treffen Materie und Antimaterie aufeinander, annihilieren sie sich, d. h., sie verwandeln sich in Strahlung. Wenn also beim Urknall gleich viel Materie wie Antimaterie vorhanden war, sollten sie sich gegenseitig zerstrahlt haben. Doch wir alle bestehen aus Materie und beobachten mehr Materie als Antimaterie. Woher kommt also dieses Ungleichgewicht, dem wir unser Leben verdanken?
Die Welt der Physik besteht aus Symmetrien, genauer den CPT-Symmetrien. C steht für „Charge“ und bezeichnet die Ladungsspiegelung, also die Beobachtung, dass sich Antiteilchen physikalisch genauso verhalten wie die dazugehörigen Teilchen. P steht für „Parity“, also eine (Raum-)Spiegelung, T bezeichnet die Zeitumkehr (Time). Das CPT-Theorem besagt, dass jeder Vorgang, der aus einem anderen möglichen Vorgang durch Vertauschen von Materie mit Antimaterie, durch zusätzliche Spiegelung des Raumes und eine Umkehr der Zeitrichtung hervorgeht, auch im Einklang mit den Gesetzen der Physik steht.
Elektrisches Dipolmoment
Die elektrisch ungeladenen Neutronen bilden gemeinsam mit Protonen den Atomkern. Sie bestehen aus jeweils drei Quarks, zusammengehalten durch die starke Wechselwirkung. Es stellt sich die Frage, ob sie ein elektrisches Dipolmoment (nEDM) besitzen. Machen wir es bildlich: Wenn man eine Wippe ins Gleichgewicht bringt, sorgt man dafür, dass der Massenmittelpunkt am Auflagepunkt der Wippe liegt. Anstatt die Position der Wippenden aber zu verändern, wäre es auch denkbar, stattdessen den Auflagepunkt der Wippe so zu verschieben, bis er genau im Schwerpunkt der Wippe ist. Und genau darum geht es hier: Tauschen wir die Massen mit elektrischen Ladungen, ist dieser Schwerpunkt genau das elektrische Dipolmoment. Falls also das Neutron ein elektrisches Dipolmoment besitzt, sind die Ladungen innerhalb des Neutrons permanent verschoben. Ein permanentes elektrisches Dipolmoment könnte sich aber eigentlich unter Paritätsund Zeittransformationen nicht erhalten. Das wäre eine CP-Verletzung, und damit genau die Brechung der Symmetrie, nach der wir suchen, um das Ungleichgewicht zwischen Materie und Antimaterie zu erklären.
Auch das Standardmodell der Elementarteilchenphysik, das unser gegenwärtiges Verständnis der Teilchenphysik erfolgreich beschreibt, kennt ein elektrisches Dipolmoment des Neutrons, das ungefähr bei dn = 10−32 e cm liegt. Dieses Dipolmoment und die damit verbundene Verletzung der Symmetrie wäre allerdings zu gering, um das Ungleichgewicht zwischen Materie und Antimaterie zu erklären. Wir wissen, dass das elektrische Dipolmoment des Neutrons dn < 1,3 · 10−26 e cm sein muss. Die momentanen Messungen versuchen, das obere Limit um zwei Größenordnungen zu verbessern, und könnten damit viele Theorien ausschließen, die ein höheres elektrisches Dipolmoment des Neutrons vorhersagen und auch die Asymmetrie im Universum erklären.
Vermessung
Vermessen wird das nEDM zurzeit u. a. am Paul Scherrer Institut in der Schweiz. Verwendet werden ultrakalte, d. h. besonders langsame und energiearme Neutronen, die sich deswegen auch gut speichern lassen. In magnetisch sehr stark abgeschirmten Räumen wird ein magnetisches Feld angelegt. Aufgrund seines magnetischen Moments kreiselt das Neutron in dem angelegten Magnetfeld und diese Frequenz wird gemessen. Nun wird zusätzlich ein elektrisches Feld angelegt. Sollte das Neutron ein elektrisches Dipolmoment haben, so ändert sich die Frequenz der Kreiselbewegung. Aus der Änderung der Frequenz lässt sich nun das nEDM berechnen.
Die Forschenden hoffen, durch die Verbesserung der Homogenität des Magnetfeldes die Genauigkeit der Messergebnisse zu erhöhen und so in den kommenden Jahren immer präziser das nEDM vermessen zu können und dem Rätsel der Asymmetrie zwischen Materie und Antimaterie näher zu kommen.
Lara Grabitz
juFORUM e. V.
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