Jugend forscht, Jugend debattiert, Mathematik- Olympiade oder Jugend musiziert – Schülerwettbewerbe prägen bereits seit Jahrzehnten den Unterrichtsalltag vieler Schüler*innen. Dies gilt auch und in besonderem Maße für den Bereich der ökonomischen Bildung.
Ein Beitrag von Dr. Marco Rehm, Marco Vietinghoff und Prof. Dr. Michael Weyland
Grundsätzlich werden in der ökonomischen Bildung Planspiel-Wettbewerbe (etwa das „Planspiel Börse“ des Deutschen Sparkassen Verlags), Gründungswettbewerbe (zum Beispiel der „Deutsche Gründerpreis für Schüler“) und projektartige Wettbewerbe (wie „business@school“) unterschieden. Der projektartige Wettbewerb business@school soll hier näher beleuchtet werden, weil er sowohl aus unserer Sicht als Wirtschaftsdidaktiker als auch aus unserer jahrelangen schulpraktischen Erfahrung heraus die größten Lernpotenziale bietet.
Wettbewerb als AG, Projektkurs oder Regelunterricht
business@school basiert auf einer Initiative der Boston Consulting Group (BCG) und wird mittlerweile seit mehr als 25 Jahren vor allem im deutschsprachigen Europa sowie in Großbritannien, Italien und Albanien mit mehr als 1.000 jährlich teilnehmenden Schüler*innen durchgeführt. Er erstreckt sich über einen Zeitraum von einem Schuljahr und zielt darauf ab, unternehmerisches Denken und Handeln zu vermitteln; die Schüler*innen werden darauf vorbereitet, ein eigenes Unternehmen zu gründen. Der Wettbewerb wird für Schüler*innen der gymnasialen Oberstufe als freiwillige AG, als Projektkurs oder angebunden an den Regelunterricht angeboten. Die Schüler*innen investieren in der Regel zusätzlich zu der Zeit in der AG einen großen Teil ihrer Freizeit in das Projekt. Daher kommt das Projekt nur für besonders engagierte Schüler*innen infrage. Die Lehrkraft, die das Projekt begleitet, sollte zudem ein hohes
Maß an Flexibilität auch über die Präsenzzeit in der Schule hinaus mitbringen, da ein Großteil der Kommunikation mit den Gruppen und den Betreuenden elektronisch und außerhalb der Kernarbeitszeit abläuft. Die projektleitenden Lehrkräfte haben im Projekt vor allem die Aufgabe, Termine und Räumlichkeiten zu organisieren, die Jury zusammenzustellen und Ähnliches, weshalb Organisationsfähigkeit und Selbstständigkeit Voraussetzungen für die Leitung des Projekts sind. Die Lernenden durchlaufen innerhalb des Projekts drei Phasen.
Phase 1: Analyse eines börsennotierten Unternehmens
In Phase 1 analysieren die Schüler*innen ein reales, börsennotiertes Unternehmen hinsichtlich einer unternehmensrelevanten Fragestellung. Beispielsweise könnte die Frage im Mittelpunkt stehen, ob das E-Mobility-Unternehmen Proterra nach dem Insolvenzverfahren wieder Fahrt aufnehmen kann. In dieser Phase liegt das Gewicht auf der kriteriengeleiteten Analyse des Geschäftsmodells. Dazu werden öffentlich zugängliche Dokumente von börsennotierten Unternehmen fragengeleitet analysiert. Diese Fragen unterscheiden sich je nach Unternehmen und Projektgruppe. Zu den untersuchten Berichten gehören typischerweise die Bilanz, die Gewinn-und-Verlust-Rechnung, die Kapitalflussrechnung, technische Informationen über die Produktion und die Produkte von Unternehmen, Daten über Absatzmärkte sowie Zukunftsaussichten.
Phase 2: Analyse eines inhabergeführten Unternehmens
In Phase 2 liegt der Schwerpunkt darauf, ein lokales, inhabergeführtes Unternehmen zu analysieren. Die Schwierigkeit ergibt sich daraus, dass die Informationen, die in Phase 1 von den Unternehmen veröffentlicht werden müssen, hier entweder gar nicht zur Verfügung stehen oder erst
aufwendig recherchiert werden müssen. Dabei ist typischerweise eine Vor-Ort- Untersuchung samt Befragung unerlässlich. Beispiele wären hier leitende Fragestellungen wie „Sollte der Hundesalon Bella einen zusätzlichen Hundefriseur einstellen?“ oder „Sollte das Taxiunternehmen X seine
Flotte von dieselbetriebenen auf Elektrofahrzeuge umrüsten?“. Analytisch dringen die Schüler*innen in Phase 2 deutlich tieferin die Materie ein, da die Fragestellungen detaillierter formuliert sind. Dabei befassen sie sich mit dem Geschäftsmodell, der Konkurrenz, den Kund*innen und dem Markt, auf dem das Unternehmen tätig ist, recherchieren und berechnen Kennzahlen für das Unternehmen, geben Beratertipps und beantworten die selbst gewählte Leitfrage möglichst differenziert und verantwortungsbewusst.
Phase 3: Entwicklung einer eigenen Geschäftsidee
In Phase 3 entwickeln die Schüler*innen eine eigene Geschäftsidee. Dafür entwickeln sie ausgehend von einer realen Problemsituation ein Produkt oder eine Dienstleistung, analysieren den Markt, erheben Marktdaten, um die Wünsche und Zahlungsbereitschaft von potenziellen
Kund*innen zu erfassen, organisieren die Produktion und das Marketing. Beispiele hierzu wären ein ökologisches Desinfektionsspray, das aus Abfallkartoffeln gewonnen wird, oder eine clipartige Halterung für das Skateboard am Fahrrad. Der Erkenntnisgewinnung und -verarbeitung
dienen aus unserer Perspektive und Erfahrung heraus somit (mindestens) folgende Methoden, die im Laufe des Wettbewerbs intensiv geschult werden:
- Teamarbeit, gemeinsames Brainstorming, gemeinsame Ideenentwicklung, gemeinsame Arbeitsplanung, gemeinsames Zeitmanagement
- hypothesengetriebenes und leitfragegestütztes Arbeiten, systematische Informationsrecherche, systematische Interviewund Umfragetechnik
- systematische Datenauswertung und
- Visualisierung, schlüssiger Präsentationsaufbau, saubere Foliengestaltung, professioneller Vortragsstil
- Umgang mit Rückschlägen, Umgang mit (Fundamental-)Kritik, widersprüchliche Beratung durch Coaches
Abschluss der einzelnen Phasen
Die einzelnen Phasen münden in Präsentationen, die exakt 15 Minuten dauern und in eine ebenfalls 15-minütige Frage-und- Antwort-Runde überführt werden, die mit Juror*innen aus der Wirtschaft und der Wissenschaft geführt wird. Am Ende von Phase 3 wird innerhalb einer Schule aus mindestens drei Gruppen die Siegergruppe gekürt. Diese Gruppe nimmt am Landesentscheid teil und die Siegergruppen der einzelnen Landesentscheide ermitteln im Deutschlandfinale den Gesamtsieger. Begleitet werden die Schüler*innen durch Mitarbeiter*innen der BCG sowie von ehrenamtlichen, externen Betreuer*innen. Die Lehrkräfte übernehmen meist vor allem organisatorische Aufgaben – geschuldet der
Tatsache, dass die Lehrkräfteausbildung in Integrationsfächern an allgemeinbildenden Schulen meist nicht auf die Detailtiefe der Informationsverarbeitung im Projekt business@school vorbereitet. Entsprechend stammen die projektleitenden Lehrkräfte aus ganz unterschiedlichen Fächern; die wenigsten von ihnen haben im Laufe ihres Studiums vertiefte betriebswirtschaftliche Kompetenzen gewinnen können.
Lese-Tipps
Köhler, E., Rehm, M., Weyland, M. (2022). „Können Wettbewerbe ökonomisches Denken fördern?“ In: T. Brahm, U. Iberer, T. Kärner, M. Weyland (Hrsg.): Ökonomisches Denken lehren und lernen. Theoretische, empirische und praxisbezogene Perspektiven (S. 129–144). wbv Media GmbH & Co. KG, Bielefeld 2022. Online verfügbar unter:
Interview
Clara Weyland (17) ist Schülerin des Siebengebirgsgymnasiums Bad Honnef und hat am Unternehmergeist-Projekt „business@school“ teilgenommen. Was das Besondere an diesem Wettbewerb ist und ob sich die Teilnahme lohnt, erklärt sie im Interview: