Skip to content

Wenn chronischer Stress müde macht – Burnout im Lehrerberuf

Gestresst oder kurz vor dem Burnout – so oder so ähnlich würden viele Menschen die Gesundheitsprognose von Lehrern einschätzen. Burnout gilt als Berufsrisiko. Aber ist das wirklich so?

Burnout bedeutet wortwörtlich so viel wie „ausgebrannt sein“ und steht für die Annahme, dass Menschen, die besonders für ihren Beruf „brennen“ auch „ausbrennen“ können. Hinter dem bedrohlichen Bild steckt eine Vielzahl von Symptomen (siehe Checkliste zum Download), u. a. Erschöpfung, verminderte Leistungsfähigkeit und eine zunehmend distanzierte Haltung gegenüber der Arbeit. Für die Entstehung ist allerdings nicht ein besonderes Engagement verantwortlich, sondern vor allem chronisch anhaltender Stress ohne ausreichende Regenerationsphasen.

Akuter versus chronischer Stress

Unser Körper ist gut dafür ausgelegt, mit Stress umgehen zu können: Geraten wir in eine bedrohliche Situation, schüttet unser Körper Stresshormone aus. Diese sorgen dafür, dass wir die Situation überstehen, indem wir leistungsfähiger und konzentrierter reagieren können. Selbst das Immunsystem funktioniert für kurze Zeit besser. In früheren Zeiten hat das das Überleben der Menschen gesichert. Auch heute hilft uns diese Stressreaktion des Körpers, akute Belastungen zu bewältigen. Schwierig wird es erst, wenn die Belastung nicht abnimmt oder es keine ausreichenden Regenerationsphasen gibt. Kraftreserven werden dann zunehmend aufgebraucht – und auch unser Immunsystem wird anfälliger. Schlafstörungen und körperliche Erkrankungen können entstehen – und oft beginnt eine Abwärtsspirale. So werden beispielsweise Verabredungen abgesagt, um sich kurzfristig zu entlasten. Positive Erlebnisse bleiben damit allerdings aus und es fällt noch schwerer abzuschalten. Als Schutz distanzieren sich Betroffene langfristig auch immer mehr von der Arbeit, was zu zusätzlichen Schuldgefühlen und Frustration führen kann.

Abgrenzung zu anderen Krankheitsbildern fehlt

Erst im Mai diesen Jahres hat die WHO Burnout als eigenständiges Syndrom anerkannt. Die Änderung im internationalen Klassifikationssystem der Krankheiten wird in Deutschland ab 2022 in Kraft treten. Tatsächlich sind die Symptome eines Burnouts aber unspezifisch und lassen sich oftmals mit bestehenden Krankheitsbildern besser erklären. Die meistgestellte Diagnose ist dabei die Depression, zu deren Symptomen neben Erschöpfung, Schlafproblemen und Konzentrationsschwierigkeiten auch niedergeschlagene Stimmung und Verlust an Interessen gehören. Burnout gilt dennoch oft als „Türöffner“: Gesellschaftlich scheint es akzeptierter zu sein, aus einem „besonderen Engagement“ für die Arbeit heraus, als an einer Depression zu erkranken. Dadurch fällt es Betroffenen leichter, über ihre Probleme zu sprechen und sich Hilfen zu holen.

Wie steht es um die Lehrergesundheit?

Laut Studienergebnissen zeigen Lehrkräfte häufiger Symptome wie allgemeine Müdigkeit, Reizbarkeit, emotionaler Erschöpfung oder Schlafstörungen. Die erhöhte psychische Belastung ist dabei vergleichbar mit anderen sozialen Berufsgruppen. Stellt man die Frage nach Risikofaktoren für beruf lichen Stress im Lehrerberuf, landet man schnell bei Belastungsranglisten: problematisches Schülerverhalten, Unterrichtsstörungen, keine Pausenzeiten, u. v. m. Hinzu kommt die fehlende Trennung zwischen Arbeitsund Erholungszeit am Nachmittag, die ein erhöhtes Maß an Abgrenzung erfordert sowie fehlende Wertschätzung für die erbrachten Leistungen von außen. Insgesamt kann unterschieden werden zwischen gesellschaftlichen Stressoren (z. B. Schulreformen), schulischen Stressoren (z. B. fehlender Zusammenhalt im Kollegium) und individuellen Stressoren (z. B. eigene Ansprüche). Wie belastend diese Stressoren aber langfristig sind – und ob daraus möglicherweise ein Burnout entstehen kann – wird von vielen unterschiedlichen Faktoren mitbeeinflusst. So zeigen auch Lehrkräfte mit gleichen schulischen Bedingungen sehr unterschiedliche Belastungen.

Individuelle Faktoren spielen eine Rolle

Stressempfinden ist sehr individuell. Eine Situation kann als Herausforderung gesehen werden oder als Überforderung. Mit eigenen Gedanken kann Stress größer werden („Jetzt muss ich in die 9b, das wird bestimmt wieder eine Katastrophe!“) oder kleiner („Die 9b ist eine Herausforderung, aber das bekomme ich hin“). Als Risikogruppe für Burnout gelten die Lehrkräfte, die sich auf der einen Seite sehr fordern (alles richtig machen wollen, nicht nach Hilfe fragen) und auf der anderen Seite wenig zufrieden sind (z. B. durch Perfektionismus).
Nicht zu unterschätzen sind die Ressourcen, die wie ein Schutzschild gegen Stressoren wirken können. Das können z. B. positive Schülerkontakte, Unterstützung durch das Kollegium, Fortbildungsund Gestaltungsmöglichkeiten oder andere Tätigkeiten (z. B. das Leiten einer AG) sein. Sie stärken die Zufriedenheit und Freude am Beruf und verringern dadurch gleichzeitig das Beanspruchungserleben.

Den Umgang mit Stress verändern

Ein allgemeingültiges Rezept gegen Burnout gibt es nicht. Das Ziel sollte es sein, chronischen Stress möglichst zu verhindern. Die „Stellschrauben“ sind dabei genauso individuell wie das Stressempfinden an sich, zum Beispiel:

  • 1. Der Blick auf sich selbst: Was belastet mich aktuell? Welche Tätigkeiten machen mir Freude und motivieren mich? Wovon möchte ich „mehr“ und wovon „weniger“? Welche „inneren Antreiber“ bemerke ich bei mir? Welche Gedanken würden mir helfen, den Stress zu reduzieren? Was kann ich tun, um achtsamer und selbstfürsorglicher mit mir umzugehen?
  • 2. Selbstwirksamkeit: Wie gehe ich mit Situationen um, die mir schwer fallen, z. B. Elterngespräche oder Klassenführung? Wo kann ich mir hilfreiche Materialien oder Informationen besorgen? Kann ich eine Fortbildung besuchen? Gibt es Kollegen, die mir helfen können oder externe Unterstützung? Gibt es eine kollegiale Fallberatungsgruppe/ Supervision, an der ich teilnehmen kann?
  • 3. Work-Life-Balance: Wie organisiere ich mir meine Zeit? Wie könnten Pausen im Schulalltag aussehen? Was hilft mir, mich gedanklich von der Arbeit zu distanzieren? Was erholt mich? Wie kann ich meine sozialen Kontakte pflegen? Was kann ich tun, um meine Schlafhygiene zu verbessern?

Desto chronischer der Stress bereits ist, umso schwieriger kann es sein, die Situation mit eigener Kraft zu bewältigen. Betroffene beschreiben, dass sie nicht mehr genug Energie haben, um ihr Umfeld aktiv zu gestalten oder Verhalten aussich heraus zu verändern. Es ist vollkommen in Ordnung und oft ratsam, sich professionelle Unterstützung zu holen. Erste Anlaufstelle kann der Hausarzt sein, der bei der Suche nach passenden Behandlungsmöglichkeiten (z. B. Psychotherapie, Rehaaufenthalte) unterstützt.

Natalie Waschke


Zum Weiterlesen: Klusmann, Uta & Waschke, Natalie (2018). Gesundheit und Wohlbefinden im Lehrerberuf. Göttingen: Hogrefe Verlag

Zum Download: Checkliste  Schätzen Sie Ihr eigenes Stresselevel besser ein

[caldera_form id=“CF5ec3bb3dd64f9″]

Beitrag teilen:

Facebook
Twitter
LinkedIn
Pinterest
XING
WhatsApp
Email

Ähnliche Beiträge

Junge Frau steht mit Schutzbrille hinter einem elektronischen Robotergreifarm und beobachtet, was passiert
15. April, 2025
Erinnern Sie sich? In einem früheren Onlinebeitrag haben wir auf dem MINT-Zirkel-Blog einen Roboterarm vorgestellt, der ganz einfach aus Pappe, Spritzen, Schläuchen und Büroklammern gebaut werden kann. Der elektronische Robotergreifarm 2.0 stellt eine Weiterentwicklung des damaligen Robotergreifarms vor.
Junge Frau schleift mit einer Maschine einen Holzbalken
9. April, 2025
Nicht nur in den MINT-Berufen, auch in Handwerksberufen fehlt qualifiziertes Personal. In vielen Berufen werden unterschiedliche mathematische Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten genutzt. Am Beispiel des Ausbildungsberufs Zimmerer/Zimmerin wird in diesem Beitrag ausgehend von einer Fachwerkansicht gezeigt, wie sich Lernende typische Fachbegriffe aneignen und daran anschließend typische Rechnungen aus dem Berufsfeld Zimmerer/Zimmerin ausführen.
Schülerin fotografdiert einen Leoparden, was zeigen soll, wie lebensecht die App ist
1. April, 2025
Bereits seit Jahren wird davor gewarnt, dass der Verlust an Biodiversität alarmierende Ausmaße annimmt. Das Bewusstsein für die Wichtigkeit von biologischer Vielfalt und Umweltschutz zu schärfen, ist daher von entscheidender Bedeutung. Wenn wir das Thema in die Klassenzimmer bringen, können wir bereits der nachkommenden Generation zeigen, wie spannend und wertvoll unsere natürliche Welt ist – und dass es in unser aller Händen liegt, sie zu schützen.
Schülerinnen und Schüler machen ein chemisches Experiment unter der Aufsicht einer Lehrerin
25. März, 2025
Wer kennt das nicht: Das Schuljahr neigt sich dem Ende entgegen, Notenkonferenzen werden abgehalten, vielleicht steht eine Projektwoche an, Ausflugstage zum Abschluss werden geplant. Die Schülerschaft ist gedanklich schon in den Sommerferien, normaler Unterricht findet eigentlich kaum noch statt. Um in dieser Phase des auslaufenden Schuljahres doch noch etwas Schüleraktivierung in die Klassen zu bekommen und auch ein wenig die Lerninhalte des vergangenen Schuljahres zu wiederholen, hatte ich mir für das Ende des Schuljahres 2023/24 etwas ausgedacht: ein EduQuest zum Schuljahresabschluss.
Sammlung von Plastikgegenständen wie Zahnbürste und Spülschwamm
20. Februar, 2025
Überlegen Sie einmal, welche Gegenstände aus Kunststoff Sie heute schon benutzt haben. Ob Zahnbürste, Autoschlüssel, Brotbüchse – Kunststoffe sind in unserem Alltag omnipräsent, und das nicht grundlos. Wir nutzen sie jeden Tag. Doch was macht den Alltagsbegleiter Kunststoff eigentlich so besonders? Und gibt es vielleicht doch nachhaltigere Alternativen, die genauso viele Vorteile bieten?
Kinderhände bauen und spielen mit LEGO Education SPIKE-Elementen auf einem Tisch. Sie halten eine Karte und konstruieren kreative Modelle aus bunten LEGO-Steinen.
Gesponserte Inhalte
7. Februar, 2025
Was ist der Unterschied zwischen einer Rakete und naturwissenschaftlichen Schulfächern? Nun, während Raketen unsere Begeisterung für die Physik des Weltalls und Raumfahrttechnik entfachen, fehlt in vielen Klassenzimmern genau diese Faszination für Naturwissenschaften. Etwa die Hälfte der Lehrkräfte gibt an, dass ihre Schüler:innen kein Interesse an Naturwissenschaften haben. Das ergab eine Befragung von mehr als 6000 Lehrkräften weltweit, davon 500 in Deutschland.
Das Bild zeigt einen geöffneten Laptop, auf dem ein KI-Chatfenster geöffnet ist.
4. Februar, 2025
Im digitalen Zeitalter hat sich die Art und Weise, wie wir lehren und lernen, drastisch verändert. Künstliche Intelligenz (KI) nimmt einen immer größeren Platz in unserem Alltag ein und bietet neue Möglichkeiten, Wissen zu vermitteln und zu erwerben. Ein bemerkenswertes Beispiel dafür ist ChatGPT, ein leistungsfähiges Sprachmodell (Large Language Model, LLM), das von OpenAI entwickelt wurde und über künstliche neuronale Netze funktioniert, die darauf ausgelegt sind, menschenähnlichen Text zu verstehen und zu generieren. Doch welche Rolle kann und sollte ChatGPT im Mathematikunterricht spielen?
Mädchen schreibt eine mathematische Gleichung an die Tafel
29. Januar, 2025
Dass unsere Bildung dringend einer geschlechtergerechten und diversitätssensiblen MINT-Bildung bedarf, dürfte inzwischen nur noch die wenigsten überraschen. Doch wie kann diese konkret aussehen und wie kann ich, wenn ich als Lehrkraft den Anspruch habe, meinen Unterricht diskriminierungssensibel zu gestalten, dies in meiner täglichen Arbeit umsetzen? Mit Fokus auf das Unterrichtsfach Mathematik sollen in diesem Beitrag einige Überlegungen vorgestellt werden.
Bildungsmesse didacta Stuttgart
Gesponserte Inhalte
20. Januar, 2025
Besuchen Sie die didacta 2025 in Stuttgart und entdecken Sie neue Konzepte für die Schule der Zukunft. Erfahren Sie, wie digitale Technologien, nachhaltige Lehrmethoden und Künstliche Intelligenz die Bildungslandschaft verändern.
Lehrer erklärt zwei Schülern im Klassenzimmer ein technisches Modell aus einem fischertechnik-Bausatz, während andere Schüler interessiert zuschauen.
Gesponserte Inhalte
3. Januar, 2025
Unsere Welt wird digitaler, und KI prägt unseren Alltag. Mit den fischertechnik STEM Coding Max Bausätzen lernen Schüler:innen, wie Computer „denken“. Entdecken Sie die Schlüsselkompetenz Computational Thinking – praxisnah, kreativ und innovativ. Kostenlose Bausätze für Schulen erhältlich!
Eine Gruppe von Schülern und ein Lehrer in einem Klassenzimmer mit Computern. Die Schüler arbeiten gemeinsam an Laptops, während der Lehrer sie unterstützt.
10. Dezember, 2024
Die Klimakrise rückt immer mehr in den Fokus der gesellschaftlichen Aufmerksamkeit. Während einige Expert:innen meinen, es sei schon zu spät für jegliche Unternehmungen, sind andere optimistischer und drängen auf eine schnelle und konsequente Umsetzung konkreter Maßnahmen. Ein wichtiger Aspekt bei der Bekämpfung ist das Erreichen eines CO2-neutralen Verkehrswesens. Hier sind insbesondere Elektroautos interessant. Ließe sich solch ein Projekt vielleicht im Unterricht aufgreifen?
Start einer Rakete der ESA über der Erde mit Blick auf den Planeten und den Weltraum im Hintergrund.
Gesponserte Inhalte
2. Dezember, 2024
Entdecken Sie das kostenfreie Schulmaterial „Trägersysteme – Von der Erde ins All“ der Deutschen Raumfahrtagentur im DLR. Anschauliche Inhalte zu Raketen, physikalischen Prinzipien und praktischen Experimenten für den MINT-Unterricht. Jetzt downloaden!