Hausaufgaben haben eine lange Tradition und sind aus dem Schulalltag kaum mehr wegzudenken. Doch wie sinnvoll sind sie eigentlich? Die Unterrichtsforschung diskutiert seit Jahrzehnten kontrovers über ihren Nutzen. Eine Metaanalyse trägt erstmals Befunde aus aller Welt zusammen und untersucht, wie Hausaufgaben und Schülerleistungen zusammenhängen – speziellin Mathematik und Naturwissenschaften.
Lehrerinnen und Lehrer haben viele gute Gründe und Annahmen, warum sie ihren Schülerinnen und Schülern Hausaufgaben geben: Sie arbeiten eigenständig, festigen und vertiefen den Unterrichtsstoff, indem sie ihn wiederholen oder Übungen dazu absolvieren. Dadurch, so die Annahme, verbessern Schülerinnen und Schüler ihre Leistungen. Außerdem dienen Hausaufgaben nach der Vorstellung vieler als erzieherische Maßnahme, um die Disziplin, Verantwortung und Zuverlässigkeit der Schülerinnen und Schüler zu fördern.
Widersprüchliche Befunde
Zur Wirksamkeit von Hausaufgaben wird seit Jahrzehnten intensiv geforscht. Bisherige Befunde zum Zusammenhang von Hausaufgaben und Schülerleistungen sind allerdings nicht eindeutig. Teilweise berichten Studien große, teilweise aber auch gar keine oder sogar negative Korrelationen zwischen Hausaufgaben und Lernerfolg. Die Metaanalyse von Fan und Kollegen (2016) fasst nun Befunde aus 30 Jahren Forschung von über 300.000 Schülerinnen und Schülern aus aller Welt zusammen – unter anderem verwenden sie auch Datensätze
großer Large-Scale-Studien wie der PISA-Studie. Die Autorinnen und Autoren erhoffen sich dadurch, Erklärungen für diese widersprüchliche Befundlage zu finden. Sie untersuchen, wie Hausaufgaben und Schülerleistungen zusammenhängen und welche Faktoren – wie beispielsweise die geografische Region oder die Art der Hausaufgaben – diesen Zusammenhang
beeinf lussen. Dabei konzentrieren sie sich ausschließlich auf die naturwissenschaftlichen Fächer und Mathematik.
Fan und Kollegen kommen zu dem Ergebnis, dass es länderübergreifend nur einen kleinen positiven Zusammenhang zwischen Hausaufgaben und Lernerfolg gibt – im europäischen Raum geht er sogar gegen Null. Die Zusammenhänge zwischen Hausaufgaben und Schülerleistungen sind in den Naturwissenschaften etwas größer als in Mathematik. Betrachtet man einzelne Einflussfaktoren und Rahmenbedingen genauer, zeigt sich, dass die jeweiligen Zusammenhänge größer werden – in der Sekundarstufe II etwas mehr als in der Sekundarstufe I. Und: Wenn Lehrkräfte die Qualität der erledigten Hausaufgaben als hoch bewerten, können Schülerinnen und Schüler ebenfalls mit besseren Leistungen rechnen.
Befunde einer deutschen Studie
Wie Bearbeitungszeit und Anstrengungsbereitschaft bei Hausaufgaben mit Lernerfolg korrelieren, illustriert eine exemplarische deutsche Studie: Trautwein und Lüdtke (2007) untersuchen dabei 511 Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufen 8 und 9 in Mathematik, Physik, Biologie, Deutsch, Englisch und Geschichte. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass die Anstrengungsbereitschaft der Schülerinnen und Schüler beim Bearbeiten der Hausaufgaben einen positiven Zusammenhang mit Schülerleistungen aufweist. Der Zusammenhang
zwischen der Bearbeitungszeit der Hausaufgaben und Schülerleistungen ist hingegen negativ. Letzteren Befund führen sie darauf zurück, dass längere Bearbeitungszeiten nicht nur ein Indikator dafür sind, dass sich Schülerinnen und Schüler intensiver mit den Aufgaben beschäftigen, sondern oft auch daraus resultieren, dass schwächere Schülerinnen und Schüler Schwierigkeiten beim Bearbeiten von Hausaufgaben haben.
Die Studie zeigt, dass die Anstrengungsbereitschaft beim Bearbeiten der Hausaufgaben nicht nur von den jeweiligen Lernenden, sondern auch von den Rahmenbedingungen abhängt: Schülerinnen und Schüler strengen sich dann an, wenn ihnen die Hausaufgaben interessant erscheinen und sie den Eindruck haben, dass sie gut konzipiert wurden. Wenn sie davon ausgehen können, dass die Bearbeitung hilfreich für ihren Lernprozess ist und es ihnen gelingen wird, die Hausaufgaben gut zu lösen, trägt das ebenfalls zu einem höheren Engagement bei. Weitere Faktoren, die die Anstrengungsbereitschaft beim Bearbeiten der Hausaufgaben und damit indirekt Schülerleistungen positiv beeinflussen, sind die Hausaufgabenkontrolle durch Lehrpersonen, aber auch der Stellenwert, den die Eltern dem jeweiligen Schulfach beimessen.
Fazit für den Unterricht
Aufgrund der vielen heterogenen Befunde und bedeutsamen Einflussfaktoren muss das Gesamtergebnis der Metaanalyse mit Vorsicht interpretiert werden. Befunde, die sich auf spezifische Faktoren beziehen – zum Beispiel auf ein einzelnes Schulfach oder die jeweilige Art der Hausaufgaben – erlauben hingegen verlässlichere Aussagen zum Zusammenhang von Hausaufgaben
und Schülerleistungen.
So lassen sich folgende Empfehlungen für die Unterrichtspraxis ableiten: Wenn Lehrkräfte vor der Entscheidung stehen, Hausaufgaben zu geben, sollten sie genau
abwägen, ob sich der Einsatz der Hausaufgaben im jeweiligen Fall überhaupt lohnt oder nicht und wann und wie die Hausaufgaben gegebenenfalls eingesetzt werden, damit sie ihre größte Wirkung entfalten. Generell gilt: Je besser die Aufgabenstellung durchdacht und je transparenter der Mehrwert von Hausaufgaben für die Schülerinnen und Schüler ist, desto deutlicher
können Lehrerinnen und Lehrer den Nutzen von Hausaufgaben steigern. Außerdem ist es hilfreich, wenn sie Lernende dazu motivieren, ihre Hausaufgaben möglichst gut und vollständig zu erledigen. Dies kann unterstützt werden, indem sie die Hausaufgaben regelmäßig kontrollieren. Die Häufigkeit, mit der Hausaufgaben aufgegeben werden und die Länge der Hausaufgaben scheinen hingegen den Nutzen von Hausaufgaben für Schülerinnen und Schüler nicht zu steigern.
Dr. Anne Wiesbeck, Annika Schneeweiss
Weitere Informationen
Das Clearing House Unterricht (TU München) wird im Rahmen der Qualitätsoffensive Lehrerbildung vom Ministerium für Bildung und Forschung gefördert. Das Modellprojekt bereitet
die aktuell beste wissenschaftliche Evidenz zu Themen des MINT-Unterrichts für die Lehrerbildung auf.
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