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Experimentieren fürs Klima – mit AdUmint zur klimafreundlichen Routenplanung

In den letzten Jahren scheint der anthropogene Klimawandel unsere Gesellschaft zu spalten. Der notwendige wissenschaftliche Diskurs geht zwischen Straßenblockaden und Demonstrationen in einem Gemenge von Meinungen und politischer Stimmungsmache unter. Das Verständnis naturwissenschaftlicher Erkenntnisgewinnung kann nicht nur dazu beitragen, Ursachen und Auswirkungen des Klimawandels nachzuvollziehen, sondern bildet auch die Grundlage für eine aktive und wissenschaftlich fundierte Beteiligung am Klimaschutz.

Ein Beitrag von Elena Meister, Felix Nell, Jun. Prof. Nadine Tramowsky und Dr. Oliver Straser

Genau hier setzt das Projekt AdUmint an. Im Zuge dieses Projektes wurden vier MINT-Experimente zum Klimawandel für die 5./6. Klasse entwickelt, die in dieser Experimentierreihe vorgestellt werden:

  1. das Finden der effizientesten Route im Fach Mathematik (vgl. Schätzle, 2023)
  2. der Biodiversitätsverlust durch die Ozeanversauerung im Fach Biologie
  3. die Ursachen der Gletscherschmelze im Fach Physik
  4. die Wärmeisolation von Gebäuden im Fach Technik

Kürzeste Wege in Graphen: Anwendung in der Routenplanung

Moderne Navigationssysteme berücksichtigen bei der Routenplanung Faktoren wie erwartete Verkehrsauslastung, Steigung und zulässige Höchstgeschwindigkeit. Sie bieten Wahlmöglichkeiten wie minimale Reisedauer, Strecke oder Treibstoffverbrauch. Daher kann die Frage „Wie erreiche ich mein Ziel am effizientesten?“ in vielen Fällen auf die Suche nach dem kürzesten Weg in einem Graphen zurückgeführt werden. Ein Stadtplan wird hier vereinfacht als Graph dargestellt. Einzelne Kanten werden als Straßenabschnitte und Ampeln als Knotenpunkte verstanden. Der Einfachheit halber betrachten wir in diesem Beispiel nur Graphen, in denen alle Kanten gleich lang sind.

Graph mit stets gleich langen Kanten

So funktioniert das Experiment

Im Experiment sollen Schüler*innen eine Strategie entwickeln, um die kürzesten Wege in Graphen zu finden, indem sie möglichst geschickt verschiedene Wegeausprobieren. Das Ziel ist, ein Verständnis dafür zu entwickeln, wie kürzeste Wege systematisch gefunden werden können. Das Experiment wird in vier Phasen (Forschungskreislauf) unterteilt:

  1. Vermuten
  2. Planen
  3. Durchführen
  4. Auswerten

Die Schüler*innen haben die Möglichkeit, allein, in Gruppen oder im Klassenverbund zu arbeiten. 

Die Hintergrundgeschichte

In der Pause diskutieren Simon und Paula über den schnellsten Schulweg und fragen sich, ob Navigationssysteme auch zur Reduktion des Treibstoffverbrauchs beitragen können. Sie führen Fachbegriffe wie „Knoten“ und „Kante“ ein und erklären, wie sich die Suche nach dem optimalen Schulweg auf Graphen übertragen lässt. Für ihr Experiment haben sie neben dem Graphen selbst Hilfsmittel zur Verfügung, mit denen sie die Wege im Graphen legen können. Bei geschickter Planung können sie mithilfe der verschiedenfarbigen Plättchen alle relevanten Wege vom Startpunkt zum Zielpunkt erfassen und durch die Auswertung der Längen den kürzesten Weg bestimmen.

Mathematischer Hintergrund zum Finden kürzester Wege

Die Frage „Wie komme ich am schnellsten ans Ziel?“ gehört zu den ältesten und bekanntesten Optimierungsproblemen. Im vorgestellten Experiment werden nur zusammenhängende Graphen mit ungewichteten Kanten verwendet. Das Finden eines kürzesten Weges bedeutet, unter allen möglichen Wegen einen Weg auszuwählen, bei dem so wenige Knotenpunkte wie möglich durchquert werden. In diesem Fall bietet die Breitensuche eine anschauliche Methode, um kürzeste Wege zwischen Start- und Endpunkt zu finden; sie gründet auf der Idee, alle Knoten systematisch in Schichten mit gleicher Entfernung zum Startpunkt einzuteilen.

Die Durchführung

Zunächst werden alle Knoten, die direkt mit dem Startpunkt durch Kanten verbunden sind, markiert (hier: grüne Pfeile). Dies sind die Punkte, die einen Abstand von eins zum Startpunkt haben. Als Nächstes wird ein beliebiger Knoten mit Abstand eins gewählt, und alle von dort aus erreichbaren, noch nicht markierten Knoten werden markiert (hier: blaue Pfeile). Das wird für alle Knoten mit Abstand eins zum Startpunkt wiederholt und liefert somit alle Knoten, die den Abstand zwei vom Startpunkt haben, sowie die zugehörigen Wege. Dieses Vorgehen wird so lange wiederholt, bis der Zielpunkt erreicht ist.

Darstellung der Breitensuche zur Bestimmung kürzester Wege

Experimentieren als übergreifende MINT-Kompetenz

Experimente spielen in Mathematik, Naturwissenschaft und Technik eine wichtige Rolle im Unterricht und fördern die kognitive Aktivität und Lernprozesse der Schüler*innen. Für die Schüler*innen kann es schwierig sein, Forschungsfragen zu formulieren, Hypothesen aufzustellen, Variablen zu variieren und zu kontrollieren und schließlich Bezug auf die Hypothese zu nehmen und Rückschlüsse zu begründen. Zusätzlich beeinflussen kognitive Lernvoraussetzungen wie sprachliche Fähigkeiten die Erfolgschancen. Auch motivationale Faktoren wie die Selbstwirksamkeitserwartung spielen eine Rolle. Eine hohe Selbstwirksamkeitserwartung ist mit höherer Motivation, mehr Engagement und besseren Lernergebnissen verbunden. Durch den Einsatz von barrierearmen Instruktionen, unterschiedlichen Darstellungsformen und gestuften Lernhilfen soll den Schüler*innen im AdUmint-Projekt ermöglicht werden, entsprechend ihren individuellen Fähigkeiten, alle Phasen eines Experiments eigenständig zu durchlaufen, um damit einhergehend eine höhere Selbstwirksamkeitserwartung in Bezug auf das Experimentieren sowie eine höhere Experimentierkompetenz zu entwickeln.

Hier geht‘s zum Experiment

Mit der Funktion „Remix“ können Sie das MuxBook (vgl. Tramowsky, 2023) mit Book Creator bearbeiten. Das gesamte Experiment kann mit Papier und Stift umgesetzt werden. In haptischer Form, etwa durch 3D-gedruckte Elemente (Graph, Abstandsplättchen in verschiedenen Farben zum Legen der Wege, Kreuzungen und Auto als Distraktoren) gewinnt das Experiment an Dynamik und Abwechslungsreichtum. Alle Materialien stehen hier zum Download zur Verfügung: 

Das Projekt AdUmint

Gefördert durch das BMBF hat das Projekt AdUmint das Ziel, Experimentierkompetenz und Selbstwirksamkeitserwartung im Bereich MINT zu fördern. Dazu werden digitale, barrierearme Anleitungen, unterschiedliche Darstellungsformen und gestufte Lernhilfen während der Durchführung von Experimenten zum Klimawandel eingesetzt.

Quellen

Schätzle, B. (2023). Konzeptionierung und Pilotierung eines mathematischen Experiments im Kontext von Klimawandel zur Förderung der Experimentierkompetenz, Masterarbeit Pädagogische Hochschule Freiburg.

Tramowsky, N. (2023). MuxBooks. In T. Irion, M. Peschel & D. Schmeinck (Hrsg.), Grundschule und Digitalität (S. 315–324). Beiträge zur Reform der Grundschule, 155. Frankfurt am Main: Grundschulverband.

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