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Bauchweh, Blackout und Vermeidung – Was tun gegen Ängste in der Schule?

Sie fallen wenig auf, stören selten und gehen dadurch manchmal unter: ängstliche Schüler*innen. Dabei sind Ängste in der Schule allgegenwärtig, denn sie gehören zur Entwicklung von Kindern und Jugendlichen dazu. So haben Kinder phasenweise Angst vor Fremden, vor Dunkelheit oder davor, alleingelassen zu werden. Das ist ganz normal. Bei ungefähr 10 Prozent aller Kinder und Jugendlichen sind die Ängste allerdings so stark ausgeprägt, dass sie die Kriterien für eine Angststörung erfüllen.

Ein Beitrag von Natalie Waschke

Angst zeigt sich in der Regel durch körperliche Symptome wie Herzklopfen, Zittern oder Schwitzen, durch Angstgedanken und Misserfolgserwartungen und auf der Verhaltensebene durch Flucht, Vermeidung oder Erstarren. Angst kennt jeder. Es handelt sich um ein Reaktionsmuster, das in Gefahrensituationen automatisch abgespult wird und – so unangenehm es auch ist – überlebenswichtig ist, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Stellen wir uns einen Steinzeitmenschen vor, der auf einen Säbelzahntiger trifft: Die Begegnung mit einem solchen Raubtier bedeutet höchste Gefahr! Bei dem Steinzeitmenschen steigt schlagartig das Stresshormon Adrenalin. Infolgedessen beschleunigt sich der Herzschlag, der gesamte Körper wird mit Sauerstoff und Blut versorgt, Energiereserven werden freigesetzt. Der Steinzeitmensch ist nun in der Lage, besonders schnell zu fliehen oder besonders gut zu kämpfen und so der Gefahrensituation zu entkommen.

Was macht in der Schule Angst?

Zwar begegnen wir heutzutage nicht mehr so oft Säbelzahntigern, doch der Mechanismus ist gleich geblieben. In Situationen, die als bedrohlich erlebt werden, wird er aktiviert. Dabei erleben wir nicht nur tatsächlich lebensgefährliche Situationen als bedrohlich, sondern auch solche, die vergleichsweise harmlos sind. Neben Hundephobien oder Höhenangst, die sich seltener im Schulalltag bemerkbar machen, gibt es auch Ängste, die sich vor allem im Unterricht und in der Schule zeigen können. Welche sind das?

Prüfungsangst
Die Angst vor Bewertungssituationen wie Klassenarbeiten, Tests oder Referaten geht bei der Prüfungsangst über eine „normale“ Nervosität hinaus, beginnt oft schon einige Tage vor der Prüfung und steigert sich dann zunehmend. Neben körperlichen Symptomen kommen Angstgedanken hinzu, die sich um das Versagen in der Leistungssituation drehen. Typische Gedanken sind: „Ich werde bestimmt eine 6 schreiben!“ oder: „Ich kann nichts mehr!“ Die Folge sind vermehrte Konzentrationsschwierigkeiten bis hin zum Blackout, was dazu führen kann, dass die Noten tatsächlich schlecht ausfallen und Misserfolgserwartungen bestätigt werden.

Soziale Angst
Bei der Angst vor sozialen Situationen kann sowohl der Kontakt zu Erwachsenen als auch der zu Gleichaltrigen angstbesetzt sein. Betroffene Schüler*innen vermeiden unter Umständen den Blickkontakt, schauen im Unterricht oft nach unten oder verstecken ihr Gesicht. Im Unterricht beteiligen sie sich selten von allein. Die Betroffenen vermeiden Aufgaben, bei denen sie vor der Gruppe etwas vortragen, vorlesen oder aufführen müssen. Werden sie einfach drangenommen, kann es passieren, dass sie erstarren. Bei älteren Kindern und Jugendlichen kommt eine deutliche Angst hinzu, von anderen negativ bewertet zu werden.

Trennungsangst
Die Angst, von den Bezugspersonen – in der Regel den Eltern – getrennt zu sein, sowie die damit einhergehende Sorge, dass diesen etwas zustoßen könnte, ist im Kleinkindalter entwicklungstypisch und kann auch kurz nach der Einschulung oder bei Klassenfahrten vorübergehend auftreten.

Es gibt aber auch Schüler*innen, deren regelmäßiger Schulbesuch gefährdet ist, weil sie es über Wochen und Monate hinweg nicht schaffen, sich von den Eltern zu trennen und allein in der Schule zu bleiben.

Weitere Ängste
Gelegentlich können sich auch andere Ängste in der Schule zeigen, wie Panikattacken (kurze Phasen extrem erlebter Angst, die oft mit sehr starken körperlichen Symptomen einhergehen) oder Agoraphobie (die Angst vor großen Plätzen und Menschenansammlungen, wie sie etwa im Schulbus oder auf dem Pausenhof auftreten können), um nur zwei Beispiele zu nennen.

Angst vor Klassenarbeiten ist verbreitet

Bei einer Umfrage unter Kindern im Alter von 9 bis 14 Jahren im Jahr 2017 gaben etwa 27 Prozent an, manchmal Angst vor Klassenarbeiten zu haben.

Mit einem guten Klima gegen die Angst

Die Wahrscheinlichkeit, ängstliche Schüler*innen im Unterricht zu haben, ist relativ hoch. Aber die gute Nachricht ist: Viele präventive Maßnahmen, von denen auch andere Kinder und Jugendliche profitieren, können bereits deutlich zur Reduzierung von Ängsten im Schulkontext beitragen. Dazu gehören:

  • ein Schul- und Klassenklima, das durch Wertschätzung und soziales Miteinander geprägt ist, sowie eine positive und vertrauensvolle Lehrkraft-Schüler*in-Beziehung
  • Programme zum sozialen Lernen und zur Stärkung der Klassengemeinschaft
  • klare und transparente Regeln und Absprachen sowie frühzeitige Informationen zu Klassenarbeitsterminen, Lernstoff und Bewertungskriterien (davon profitieren insbesondere Schüler*innen mit Leistungsangst)
  • individuelle Rückmeldungen zu Fortschritten und Lob; in keinem Fall sollten negative Rückmeldungen (wie schlechte
    Noten oder Kritik) vor der gesamten Klasse ausgesprochen werden.
  • frühzeitiger und konsequenter Umgang mit Mobbing und Ausgrenzungen; dazu gehören auch so „banale“ Regeln wie,
    dass im Unterricht niemand ausgelacht wird (eine häufige Sorge sozialängstlicher Schüler*innen).
  • Aktivitäten und Angebote in der Schule (z. B. AGs, Projekte, Theater- und Kulturabende, Sommerfeste), die positive Erfahrungen und Selbstwirksamkeit innerhalb der Schule ermöglichen

Wenn die Angst zu groß ist

Bei stärkeren Ängsten reichen schulische Maßnahmen oft nicht aus. Für solche Schüler*innen gibt es unterschiedliche Angebote – von niederschwelliger Beratung bis hin zur langfristigen Psychotherapie. Beratungsstellen bieten kostenfreie, niederschwellige Angebote an, sind daher oft eine gute erste Anlaufstelle und können bei leichteren Ängsten schon eine ausreichende Unterstützung darstellen. Stehen schulische Aspekte der Angst deutlich im Vordergrund, etwa bei Leistungsängsten, ist eine schulpsychologische Beratungsstelle empfehlenswert. Familien- und Jugendberatung sind hingegen gute Anlaufstellen bei familiären Schwierigkeiten wie Trennungsangst oder Problemen unter Gleichaltrigen. Kinder und Jugendliche mit ausgeprägten Ängsten oder mit zusätzlichen Problemen (z. B. vermehrter Traurigkeit) profitieren oft von einer Psychotherapie. Die Behandlung wird bei niedergelassenen Kinderund Jugendlichenpsychotherapeut*innen durchgeführt und die Kosten werden in der Regel von der Krankenkasse übernommen.

Es gibt viele Maßnahmen, um für ein positives Miteinander zu sorgen

Die Verhaltenstherapie hat sich bei der Behandlung von Ängsten besonders bewährt. Auch kinder- und jugendpsychiatrische Praxen können eine Anlaufstelle sein, denn viele von ihnen haben ebenfalls therapeutische Angebote. Bei lang anhaltender Schulvermeidung durch Ängste oder bei schwierigen Verläufen ist manchmal auch eine (teil)stationäre Therapie notwendig.

Individuelle Hilfen vertrauensvoll abstimmen

Entsteht in der Schule der Eindruck, dass Schüler*innen immer wieder Angst haben und dadurch im Alltag beeinträchtigt sind, macht es Sinn, das Gespräch zu suchen und gemeinsam nach Lösungen zu schauen. Für ängstliche Schüler*innen kann ein solches Gespräch zunächst unangenehm sein. Ein entspannter Rahmen und das Gefühl, in ihrer Angst ernst genommen zu werden, ist daher absolut wichtig. Eine vertraute Person sollte das Gespräch suchen. Das Gespräch sollte außerhalb des Unterrichts in einem geschützten Raum stattfinden. Bei jüngeren Kindern ist es sinnvoll, die Bezugspersonen hinzuzuziehen. Was genau macht dem Schüler oder der Schülerin Angst? Was braucht er oder sie im Unterricht, um sich wohler zu fühlen? Und könnte eine externe Unterstützung sinnvoll sein? Da Vermeidung auf Dauer die Angst stärkt, sollte das Ziel nicht sein, Betroffene von Pflichten zu befreien, sondern zu schauen, was sie brauchen, um sich wieder mehr zu trauen. Dabei können schon kleine Schritte in die richtige Richtung zielführend sein. Selbstwirksamkeit ist sozusagen der Gegenspieler von Angst: Je häufiger erfahren wird, dass eine bestimmte Situation trotz Angst bewältigt werden kann, desto geringer wird die Angst.

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