Die „gute gesunde Schule“ rückt zunehmend in den Fokus – ein Konzept, das Pädagogik und Prävention zusammenführt. Fast ist es eine Binsenweisheit: An einer guten Schule – also in einer Schule, in der das soziale Klima stimmt, in der Lehrkräfte mehr als nur ihr jeweiliges Fach im Blick haben, in der das Kollegium gemeinsam stets um Verbesserungen bemüht ist – passieren weniger Unfälle und es gibt weniger Gewalt unter Schülerinnen und Schülern. Gleichzeitig wird dort mehr gelernt, weil sich die Schulqualität auch auf die Schülerleistungen auswirkt. Der Zusammenhang ist naheliegend.
Umso mehr erstaunt, dass er in der schulischen Praxis früher kaum eine Rolle spielte. Gesundheitsförderung war allenfalls Thema am Rande. Das aber hat sich in den vergangenen Jahren deutlich geändert: Die „gute gesunde Schule“ rückt zunehmend in den Fokus – ein ganzheitliches Konzept, das Prävention und Pädagogik zusammenführt und dem immer mehr Schulen in Deutschland folgen.
Schule kann krank machen
– auch Lehrer „Vor allem Leistungsschwierigkeiten und Leistungsprobleme führen bei Kindern und Jugendlichen zu spürbaren Beeinträchtigungen ihres Wohlbefindens und zu Auffälligkeits- und Belastungssymptomen“, so heißt es in einem Bericht der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung. Neben den Leistungsschwierigkeiten würden von den Schülern vor allem eine aus ihrer Sicht unzureichende Unterrichtsqualität, fehlende Wertschätzung durch die Lehrkräfte sowie mangelhafte Partizipationsmöglichkeiten als bedrückend wahrgenommen. Anders ausgedrückt: Schule kann krank machen. Und nicht nur Schüler. Der Bericht führt weiter aus: „Was für die Schülergesundheit gilt, gilt auch für die Lehrergesundheit: Für die zum Teil massiven gesundheitlichen Beschwerden der deutschen Lehrerinnen und Lehrer werden vornehmlich strukturelle Aspekte der Berufstätigkeit verantwortlich gemacht.“ Konkret: ein mitunter schwieriges Verhältnis zwischen Lehrkräften und Schülern, Probleme bei der Kooperation mit Eltern und fehlende kollegiale Unterstützung. „Genauso, wie bei jedem Menschen Körper und Psyche zusammengehören, lässt sich das Thema Gesundheit in der Schule nicht auf die einzelnen Personen oder das System beschränken – oder etwa die Schülergesundheit von der Lehrergesundheit trennen. All das gehört zusammen, und es muss stetig entwickelt werden.“ Sagt einer, der es wissen muss: Dr. Heinz Hundeloh, selbst ursprünglich Lehrer von Beruf, leitet den Fachbereich Bildungseinrichtungen der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung – er ist einer derjenigen, die das Konzept „gute gesunde Schule“ entwickelt haben. Der Autor eines Standardwerks zu diesem Thema („Gesundheitsmanagement an Schulen“) weiß: „Eine gute gesunde Schule ist ein Prozess, der im Grunde nicht endet.“ Das klingt nach einer großen Herausforderung für viele Schulen. Hundeloh: „Das ist tatsächlich keine leichte Aufgabe. Wenn sich eine Schule auf den Weg macht, dann muss sie zunächst eine neue Kultur entwickeln – Gesundheit ist kein Additum, sondern sie gehört ins Zentrum der Bemühungen. Das Wohlbefinden aller Akteure muss einen anderen Stellenwert bekommen. Das lässt sich nicht mal nebenbei machen, das kostet Zeit und damit auch Geld. Aber die Mühe lohnt sich.“
Größter Schulpreis in Deutschland
Hundeloh weiß nämlich auch: Es funktioniert. Mehrere Hundert Schulen in Nordrhein- Westfalen (aus insgesamt 1.200 Teilnehmern) wurden bereits mit dem „Schulentwicklungspreis Gute gesunde Schule“ ausgezeichnet – mittlerweile der größte und höchstdotierte Schulpreis in Deutschland (leider bislang auf NRW beschränkt). Alljährlich neu demonstrieren die Teilnehmer, wie sich Schule schrittweise weg von einer belastenden hin zu einer gesundheitsförderlichen Institution entwickeln lässt. Verbesserungen werden dabei in fünf Bereichen festgehalten. Dazu zählt erstens die Gestaltung der Arbeitsplätze und Arbeitsbedingungen. Die Preisträgerschulen konnten beispielsweise mit einer Neugestaltung des Schulgeländes oder ergonomisch ausgestatteten Arbeitsplätzen für Lehrkräfte überzeugen. Der zweite Punkt „Tagesstrukturen und Angebote“ zielt auf ein passendes Gesamtpaket aus Lernen, Erholung sowie Bewegung und Entlastung. Eher auf weiche Faktoren konzentriert sich der dritte Qualitätsbereich „Klima, Inklusion und Partizipation“. Mit Projekten wie „Schule ohne Rassismus“ oder der Einführung eines Schülerparlaments konnten Gewinnerschulen punkten. „Kooperation und Teamarbeit“, so lautet der vierte Aspekt. Das Ziel hierbei: Die Kooperation im Kollegium, mit den Schülern, den Eltern und auch externen Partnern zu stärken. Das letzte Feld schließlich beleuchtet vor allem die Arbeit der Schulleitung: „Gesundheitsmanagement als Führungsaufgabe“ soll dazu beitragen, das Bewusstsein für das Konzept nachhaltig in alle schulischen Strukturen zu bringen.
Teamwork als Vorbeugungsmaßnahme
Was sind denn die Faktoren, die den größten Einfluss auf die Gesundheit in der Schule haben? Hundeloh: „Das sind zwei: das Schulklima, also das soziale Klima, und – damit durchaus verbunden – das Führungsverhalten der Schulleitung. Das ist bei Unternehmen übrigens vergleichbar. Die Schulleitung spielt eine sehr wichtige Rolle in dem Prozess.“ Und was kann ein einzelner Lehrer tun, der sich überlastet fühlt? „Wenn jemand schon Burn-out gefährdet ist, dann reicht es nicht, ein Seminar zum Stressmanagement zu besuchen. Dann muss ein individuelles Verhaltenstraining unter psychologischer Anleitung erfolgen“, meint der Experte. „Vorbeugend lässt sich Lehrerinnen und Lehrern vor allem eines empfehlen: Sie sollten bereit sein zur Kooperation. Wer sich mit Kollegen zusammentut, der erfährt im Team eine echte Entlastung. Wer es weitgehend allein versucht, läuft Gefahr auszubrennen.“
Andrej Priboschek