Energie besser verstehen

Energie gilt als schwieriges Thema. In der Physik wird sie häufig ganz abstrakt nur als Bilanzierungsgröße betrachtet. Energie zu bilanzieren ist praktisch, da man verschiedene Prozesse miteinander vergleichen kann. Das ist beispielsweise ökologisch bedeutsam, um die Produktivität und Effizienz in Nahrungsketten und Ökosystemen zu berechnen.

 

Energie als Bilanzierungsgröße zu verwenden ist sinnvoll, erfordert jedoch ein großes Abstraktionsvermögen. Wie soll man sich etwas vorstellen, das man nur als Bilanz, das heißt als Mengenangabe kennt? Wenn dann beispielsweise von „Energiefluss“ die Rede ist, muss sich jeder Lernende (und Lehrende) fragen: „Was fließt denn da?“ Um Energie zu verstehen, muss man über Mengenangaben hinausgehen. Sie wird daher selbst in wissenschaftlichen Darstellungen meist recht anschaulich umschrieben. Für ein zutreffendes Verständnis müssen die Umschreibungen jedoch fachlich geklärt werden.

Energieumwandlung?

Ein bekannter Ökologe formuliert, dass Sonnenenergie bei der Photosynthese in Glukose umgewandelt werde. Energie wird jedoch nicht umgewandelt, schon gar nicht in einen Stoff. Energie ist Energie, bleibt unverändert und wird nichts Anderes. Es sei denn beim Urknall.

Energieformen?

Man redet von chemischer Energie und Bewegungsenergie, gar von Windenergie und Atomenergie. Auch hier gilt: Energie ist Energie und nichts Anderes. Daher gibt es streng genommen keine verschiedenen Energieformen: Unterschiedlich ist nicht die Energie, sondern die Formen, in denen Energie gespeichert oder übertragen wird. Beispielsweise spricht man besser nicht von chemischer Energie, sondern von chemisch gespeicherter bzw. chemisch übertragener Energie. Damit wird klar: Energie verändert sich bei Speicherung und Übertragung nicht! Sie bleibt Energie, nur die Speicherung oder die Übertragung sind unterschiedlich.

Energiereiche Stoffe?

Die Ausdrucksweise, dass Nährstoffe, Treibstoffe oder ATP (Adenosintriphosphat) „energiereich“ seien, nährt die Alltagsvorstellung, dass Energie eine stoffähnliche Substanz sei, die in den Stoffen enthalten ist. In ihnen steckt jedoch niemals Energie. Nicht Stoffe liefern Energie, sondern exergone chemische Reaktionen. Entsprechend werden Nährstoffe vom Organismus nicht durch Abbau energetisch genutzt, sondern durch Umsetzen mit Sauerstoff. Um Nährstoffe energetisch zu nutzen, müssen wir also nicht nur essen, sondern auch atmen! Der Zusammenhang von Ernährung und Atmung ist leider nur selten bewusst und wird im Unterricht meist ungenügend behandelt. Im Prozess der Zellatmung werden (abgebaute) Nährstoffe mit Sauerstoff umgesetzt. Beim Prozess der Zellatmung kommen also die mit Atmung und Ernährung aufgenommenen Stoffe zusammen, weshalb er ebenso gut „Zellernährung“ heißen könnte.

Energieträger?

Kein einzelner Stoff kann allein chemische Energie bereitstellen, sondern nur bestimmte chemische Systeme. Energieträger sind also nicht Nährstoffe, Treibstoffe oder Kohle, sondern chemische Systeme: Nährstoffe Sauerstoff, Treibstoffe- Sauerstoff, Kohle-Sauerstoff. Weil Sauerstoff allgegenwärtig ist, vergessen wir seine Rolle gern und setzen sie einfach voraus. Man beachte aber: Bei Kalorienangaben von Nahrungsmitteln handelt es sich um ihren Brennwert (Name!).

Energiereiche Bindungen?

Das Fachwort „Bindungsenergie“ suggeriert, dass Energie in chemischen Bindungen steckt. Die sogenannte Bindungsenergie bezeichnet jedoch die Energiemenge, die aufgewendet werden muss, um die Bindung zu spalten. Spalten von Bindungen erfordert Energie, Herstellen von Bindungen liefert Energie, und zwar umso mehr, je stärker die entstehenden Bindungen sind. Bei einer exergonen Reaktion haben daher die Produkte in der Summe stärkere Bindungen als die Reaktanden. Im Fall der Knallgasreaktion sind die Bindungen im Wassermolekül stärker als die in den Wasserstoff- und Sauerstoffmolekülen – siehe Abbildung 1.

Abb. 1: Die Knallgasreaktion

Es gibt also keine energiereichen Bindungen, sondern nur schwache Bindungen. Chemische Systeme mit schwachen Bindungen sind energetisch nutzbar. Dieser Zusammenhang kann anhand der Prozesse von Photosynthese und Zellatmung verdeutlicht werden. Chemisch sind beide Prozesse gegenläufig, die Summenformeln lauten:

Auch die Teilprozesse können parallelisiert werden, wobei die endergone Wasserspaltung (durch Nutzung der Energie des Lichts, Photoreaktion der Photosynthese) und die exergone Wasserbildung (Endoxidation der Zellatmung) sowie Synthese Reaktion der Photosynthese (Calvinzyklus) und Zitronensäurezyklus der Zellatmung aufeinander bezogen werden. Der Weg der Wasserstoffatome von der Wasserspaltung bis zur Wasserbildung – blau gekennzeichnet – kann in Abbildung 2 anschaulich nachvollzogen werden.

Abb. 2: Beziehungen zwischen Photosynthese und Zellatmung. Blau markiert: Der Weg der Wasserstoffatome

Dr. Ulrich Kattmann, Professor für Didaktik der Biologie an der Universität Oldenburg (i. R.) . Über 45 Jahre Vermittlung von Themen zur
Biologie, vor allem Evolution und Genetik, in Universität, Schulen, zahlreichen Vorträgen, Aufsätzen und Büchern.

Zum Weiterlesen: Der hier vorliegende Beitrag basiert auf dem Buch von Ulrich Kattmann: Neue Wege in die Biologie – Energienutzung durch Organismen. Buch für Lernende des Sekundarbereichs II. Seelze: Friedrich Verlag 2019. Zu Energiebilanzen vgl.: Mathias Trauschke (2016). Energie fließend verstehen, MINT Zirkel 3-2016

Können Tiere zählen?

„One, two, three“: So ähnlich klingen die Laute eines Orcas über das Unterwasser-Mikrofon – mit „Zählen“ hat das natürlich nichts zu tun. Auch „Wundertiere“ wie das Pferd „Kluger Hans“ (um 1900) konnten nicht wirklich zählen oder rechnen, sondern nur sehr gut auf die Erwartungshaltung ihres Trainers reagieren. Trotzdem sind Zählen und Schätzen keine typisch menschlichen Fähigkeiten – auch Tiere können „mehr“ von „weniger“ unterscheiden, also die Anzahl von Objekten oder Tönen vergleichen. Dieser Zahlensinn bedeutet für Tiere eine Reihe evolutiver Vorteile.

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Seltene Helden – ein Blick auf unsere Wildbienen

Bienen sind faszinierende Insekten, die sich vegetarisch ernähren. Durch die Bestäubung von Blütenpflanzen haben sie einen großen Anteil an der Diversifikation der Blütenpflanzen. Sie sind unersetzlich für die Schönheit und Fülle der Natur. Sie zeichnen sich durch gemeinsame Merkmale wie die Brutpflege mit Nestbau, das Anlegen von Nahrungsvorräten für Larven oder das leckend-saugende Mundwerkzeug aus. Die Insektengruppe ist insgesamt jedoch extrem divers. Weltweit kommen nach Schätzungen bis zu 20.000 verschiedene Bienenarten vor.

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Viren statt Antibiotika

Das zunehmende Auftreten von multiresistenten Mikroorganismen verringert immer mehr die Anzahl an Reserveantibiotika. Die Phagentherapie als Anwendung von Viren, die spezifisch Bakterien angreifen können, ist Gegenstand aktueller Forschung zur Entwicklung neuer Therapiemethode gegen multiresistente Keime.

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Wanted: Retter des Great Barrier Reefs

Ein Hilferuf geht um die Welt: Mit einer offenen Ausschreibung bietet die Australische Regierung zwei Millionen australische Dollar (rund 1,3 Millionen Euro) für Ideen zur Rettung des Great Barrier Reef. Das riesige Riffsystem vor der nordöstlichen Küste Australiens leidet wie viele andere Korallenriffe massiv unter der globalen Erwärmung und weiteren Umweltbelastungen. Der Aufruf gilt gleichzeitig als Fördermaßnahme für Unternehmen, deren Ideen weltweit Anwendung finden könnten. 2018 gilt als internationales Jahr des Riffs.

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Superfood = super gesund?

Was macht ein Lebensmittel zum Superfood? Muss es einen besonderen Inhaltsstoff enthalten oder anders als unsere herkömmlichen Lebensmittel sein? Oder reicht nur ein besonders hoher Gehalt eines oder mehrerer Nährstoffe? Eine offizielle fachliche oder rechtlich bindende Definition für Superfoods gibt es bisher nicht. Interessanterweise werden auf verschiedenen Kontinenten unterschiedliche Eingruppierungen in Sachen Superfood vorgenommen. So führen die Top 10-Liste in den USA Blaubeeren, Sardinen, Spinat, Pistazien und dunkle Schokolade an. In Deutschland hingegen finden sich Goji-­Beeren, Chia-Samen, Matcha-Tee und Mikroalgen auf ihr – also vor allem Lebensmittel, die nicht traditionell auf unserem Speiseplan stehen. Daher lohnt es, sich die Superfoods genauer anzusehen.

Acai-Beeren

Herkunft: unterschiedlichste Gebiete des Amazonas Pflanzenteile: Beeren der Kohlpalme Herausragender Nährstoff: Calcium 133–309 mg/100 g Beeren Gut zu wissen: Die dreifache Menge an Calcium liefern im Vergleich zur Acai-­Beere einhundert Gramm Hartkäse. Die Beeren verderben schnell. Sie enthalten 50 Prozent Fett und damit viele Kalorien. Studien über eine heilsame Wirkung erlauben keine belegbare Aussage zum Gesundheitsbezug, die in der Werbung verwendet werden darf.

Amaranth und Quinoa

Herkunft: Südamerika Pflanzenteile: Körner des Pseudogetreides. Pseudo weil es wie Getreide aussieht, aber botanisch keines ist. Gut zu wissen: Verwendet werden die Nüsschen als Salat, Suppeneinlage oder als Müslizutat. Die Körner sind besonders bei glutenfreier oder rein pflanzlicher Ernährung eine interessante Ergänzung, vor allem wegen des Eisengehaltes. Beide Getreide enthalten als Eigenschutz gegen Schädlinge bitter schmeckende Saponine. Deshalb sollten beide Pseudogetreide­sorten vor der Verwendung gründlich gewaschen werden.

Chia-Samen

Herkunft: Mittel- und Südamerika Pflanzenteile: Samen Gut zu wissen: Die kleinen Samen quellen mit Flüssigkeit vermengt zu einer gelartigen Masse auf, die sich als Alternative zu Eiklar verwenden lässt. Durch ihre Quellfähigkeit machen sie lange satt. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) empfiehlt den Verzehr von maximal 15 Gramm unverarbeitete Chia-Samen pro Tag.

Goji-Beere

Herkunft: Ursprung Asien, aber auch bei uns zu finden Pflanzenteile: Früchte des Bocksdornbaumes Gut zu wissen: Bisherige Studien konnten keine nennenswerten positiven Gesundheitseffekte wie Antiaging oder Stärkung des Immunsystems belegen, so das Bundesinstitut für Risikobewertung. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat keine der beantragten Gesundheitsaussagen zugelassen. Die Inhaltsstoffe der Goji-Beere können den Abbau von Medikamenten zur Hemmung der Blutgerinnung beeinflussen, sodass es zu einer erhöhten Blutungsneigung kommen kann.

Mehr Schein als Sein

Bei genauerer Betrachtung werden aus den meisten Superfoods doch eher nur Zutaten, die Abwechslung in die Küche bringen. Sie sind den traditionell verwendeten Lebensmitteln auch hinsichtlich Fragen der Gesundheit nicht überlegen. So basiert das oft angepriesene antioxidative Potenzial vieler Superfoods meist auf Ergebnissen von Studien an Zellkulturen. Und viele Ergebnisse relativieren sich durch die Bioverfügbarkeit. Diese liegt beispielsweise bei dem dunklen Pflanzenfarbstoff (Anthocyane) bei einem Prozent. Und für die antioxidative Wirkung benötigen wir auch keine Superfoods, da alle Pflanzen mit intensiven Farben, wie Heidelbeeren oder Brombeeren, sekundäre Pflanzenstoffe wie Carotinoide oder Flavonoide enthalten, denen eine antioxidative Wirkung nachgesagt wird. Angelika Severin

Mehr Durchblick – ein Plädoyer für das Mikroskopieren

Mikroskopieren ist eine bedeutende MINT-­Kompetenz, die man sukzessiv und zielgerichtet in einem modernen anspruchsvollen Biologieunterricht bei Schülerinnen und Schüler zur Entwicklung bringen sollte.

Bilder bereichern unser Leben, il­lus­trie­ren Sachinformationen und veranschaulichen Erklärungen. So ist es mehr als naheliegend, mikroskopische Aufnahmen direkt im Unterricht durch digitale Präsentation zu verwenden bzw. sie sogar als Ersatz für eigenes praktisches Tun zu nehmen. Aber: Fehlt dem neuronalen Lern­pro­zess in dieser bunten, schnell ein­ge­blen­de­ten Bil­der­welt nicht Zeit und Asso­zia­tions­gelegen­heit, die präsentierte mikroskopische Aufnahme sinnvoll im Wis­sens­ge­dächt­nis der Lernenden zu verankern?

In der neuronalen Verarbeitung müsste das Bild im Buch von Vorteil sein. Ein modernes Biologiebuch ist reich an Zeichnungen zur Erklärung biologischer Phänomene und deren komplexer Vorgänge. Ergänzt werden Zeichnungen durch eine Vielfalt an Fotos, darunter ein Mix an mikroskopischen Aufnahmen, die mit Hilfe eines Licht-, Fluoreszenz- oder Elektronenmikroskops erstellt worden sind. Aber: Bieten einzelne mikroskopische Bilder mit Kurzlegende im stets individuellen Lernprozess hinreichend Anschlussfähigkeit an den Wissensspeicher?

Von der Makro- in die Mikrosphäre

Der Übergang von der Makro- in die Mikrosphäre will didaktisch und methodisch gekonnt sein und stellt für jede Lehrkraft immer aufs Neue eine Herausforderung dar. Im Anfangsunterricht des Mikroskopierens geht es darum, den dreidimensionalen Raum der allgegenwärtigen Makrosphäre auch in der Mikrosphäre erleb- und verstehbar zu machen, denn das zweidimensionale Bild im Mikroskop ist zunächst eine Fläche. Erst der Einsatz des Feintriebs am Mikroskop erzeugt im dünnen Schnitt eines Präparats ein räumliches Bild in der Mikrosphäre (siehe Modellversuch „Feintrieb am Mikroskop“).

Den Lernendem kann so verdeutlicht werden, dass das Linsensystem des Mi­kro­skops, wie der Overheadprojektor, lediglich eine Ebene innerhalb des räumlichen Präparates scharf einstellen kann. Eine Zelle im echten Präparat kann man in ihrer Räumlichkeit durch kontinuierliches Drehen des Feintriebs sichtbar machen.

Zeichnung eines pflanzlichen Modellkörpers mit Hervorhebung von drei Betrachtungsebenen

Bei manchen großen Präparaten bietet sich ein schrittweises Vorgehen an, zunächst ein Betrachten mit einer guten Lupe oder Stereolupe. Dies gestattet Orientierung in einem vielfältig strukturierten, meist angefärbtem Gewebe. Dann erst sollte das Präparat mit dem Mikroskop betrachtet werden.

Frisch- und Dauerpräparate

Kleinstlebewesen im Wassertropfen oder selbst hergestellte pflanzliche Frischpräparate sind ein Muss im Anfangsunterricht des Mikroskopierens. Der didaktisch bedeutsame Übergang von der Makro- zur Mikrosphäre ergibt sich von selbst. Auch lernt der Anfänger am Mikroskop mit Hilfe eigener Präparate am besten, wie dünn ein Schnitt sein muss, um Licht hindurchzulassen oder auch einzelne Strukturen zu entdecken. Doch die Herstellung von Frischpräparaten macht das Mikroskopieren zum zeitaufwändigen Unterrichtsvorhaben. Im ein- oder zweistündigen Biologieunterricht sind die zeitlichen Grenzen dann bald erreicht und das Mikroskopieren wird zum seltenen Ereignis. Und warum diese Methode im Biologieunterricht zeitaufwändig einführen, wenn sie in der Folgezeit wenig oder über Jahre hinweg gar nicht mehr praktiziert wird?

Will man das Mikroskopieren als fachspezifische Arbeitsmethode im Biologie­unterricht verstanden wissen, ist das Verwenden von Dauerpräparaten eine Selbst­­ver­ständ­lich­keit. Modern hergestellte Dau­er­prä­pa­rate sind hauchdünn und gleichen einander hochgradig, wenn sie aus einer Serie bestehen. Letztgenannte Eigenschaft gereicht dem Fertigpräparat geradezu zum Vorteil, weil die Lehrkraft sich darauf verlassen kann, dass alle Lerngruppen gleiche Lernobjekte derselben Qualität vor Augen haben.

Das Fertigpräparat als spannender Forschungsraum

Professionell hergestellte Mikropräparate sind sehr exakte Ergebnisse einer wissenschaftlichen Untersuchungsmethode, nämlich eines Gewebeschnittes. Gibt man den Lernenden die Farbcodierung bekannt, können sie selbst die Unterschiedlichkeit der Zellstrukturen erkennen, interpretieren und einordnen. Die Lehrkraft kann Arbeitsaufträge gezielt erteilen, um das Mikropräparat von den Lernenden nach und nach erforschen zu lassen. Es erscheint paradox, aber das „tote“ Mikropräparat bringt die Lebendigkeit des Lerngegenstandes wieder zurück.

Ein Beispiel: Im Kontext Verdauung wird der Aufbau der Darmschleimhaut thematisiert. Der Sachgegenstand wird mithilfe von Text und Zeichnungen, vielleicht auch mit einer Filmsequenz erarbeitet. Für Schülerinnen und Schüler ist es dann sehr spannend, das erworbene Wissen nun im Präparat selbst entdecken zu können (siehe Arbeitsblatt Mikrofoto).

Modell und Realität

Die Vielzahl der Zeichnungen im Biolo­gie-­Lehrbuch erhöht das Risiko von Fehlvorstellungen bei den Lernenden. Gut gemachte, klare Zeichnungen könnten durch ihre Häufigkeit als „reale Darstellung“ wahrgenommen werden. In dieser Fehlvorstellung sind Organe und Gewebe zellenlos. Aber jede Zeichnung ist ein Strukturmodell. Dies sollte hin und wieder ins Bewusstsein der Lernenden gerückt werden. Wenn Schülerinnen und Schüler sicher mit Modellen und realen mikroskopischen Darstellungen umgehen können, verbessert sich ihr Verstehen und ihre Merkfähigkeit, da das Wissensgedächtnis, das Vertrautheitsgedächtnis und das episodische Gedächtnis (Gerhard Roth, 2017) so angesprochen wird. Und solche Lernende haben in Biologie einfach mehr Durchblick!

Mikroskopieren als MINT-Kompetenz

In der Geschichte der Naturwissenschaften sind im 17. Jahrhundert durch die Entwicklung des Mikroskops einerseits als auch das akribische Forschen mit dem Mikroskop durch Wissenschaftler wie Marcello Malpighi und Anton van Leeuwenhoek bedeutende biologische Erkenntnisse gewonnen worden, wie beispielsweise die Entdeckung von Kapillaren, Blutzellen und Spermien und die Bestätigung der Theorie vom Blutkreislauf von William Harvey.

Die Bedeutung des Mikroskopierens ist bis heute ungebrochen. So ist das Arbeiten am Mikroskop eine Routinemethode in der Medizin, z. B. bei Operationen und in der Diagnostik. Ärzte und medizinische Assistenten nutzen sie gleichermaßen. Darüber hinaus wird das Mikroskop vielfältig in der Industrie eingesetzt. Viele Materialprüfungen und Oberflächenentwicklungen basieren auf dem Einsatz von Mikroskopen als hochtechnologisches Arbeitsmittel.

Modernisierung von Fachräumen und Biosammlung

In vielen Schulen werden zurzeit neue Mikroskope angeschafft, weil diese den elektrischen Sicherheitsprüfungen nicht mehr standhalten bzw. technologisch veraltet sind. Sowohl der Zugang und als auch der Einsatz der Mikroskope muss schnell und mit geringen organisatorischen Hindernissen verbunden sein. Als Möglichkeiten bieten sich: Bio-Fachraum mit Schwerpunkt Mikroskopie, fahrbarer Schrank oder Tisch mit Mikroskopen, zentrales Lager mit Mikroskopen im Flur vor den Fachräumen etc. Einer Erneuerung sollte auch das in der Biosammlung vorhandene Material an Dauerpräparaten unterliegen. Es sollte kritisch überprüft werden, ob sich das Material curricular und qualitativ für einen modernen schulischen Mikroskopierunterricht eignet oder Neuanschaffungen anstehen.

Angelika Frank

Modellversuch „Feintrieb am Mikroskop“

  1. Basteln Sie aus einer durchsichtigen Pralinenbox, brauner und grüner Knete ein transparentes Modell einer grünen Pflanzenzelle mit Zellkern und einigen randständigen Chloroplasten (siehe Abb). Eine tierische Zelle lässt sich entsprechend aus einer durchsichtigen Frühstücks­tüte, Wasser und einem (Tee-)Ei nachstellen. Mit einem Gummiband fest verschließen.
  2. Das Zellmodell wird auf der Glasscheibe eines Overheadprojektors (OHP) platziert und im Klassenraum projiziert.
  3. Stellen Sie nun unterschiedliche Ebenen im Zellkörper scharf und lassen Sie die Schülerinnen und Schüler nennen, was diese gerade in der Scharfeinstellung erkennen.
  4. Stellen Sie eine nächste Ebene ein und wiederholen Sie das Vorgehen.
  5. Lassen Sie die Schülerinnen und Schüler eine Erklärung für das Auftauchen und Verschwinden der Strukturen selbst formulieren.

Weitere Informationen

Gerhard Roth, Was das Gehirn zum Lernen braucht. In: Biologie in unserer Zeit, Heft 5, 2017, S. 326–331
http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/biuz.201710632/full

Lehr- und Lernmaterialien zum Mikroskopieren
www.facilius.de

Der unsichtbare Hunger

Angesichts des sichtbaren Übergewichts bei Kindern und Jugendlichen ist klar, dass in unseren Breitengraden niemand verhungern muss. Nach der Arbeitsgemeinschaft „Adipositas in Kinder- und Jugendalter“ sind schon 17 Prozent der 14–17-Jährigen übergewichtig. Warum sich also über deren Nährstoffversorgung Sorgen machen? Continue reading