Günstig, leicht, sensibel: Das Sensorsystem LUCY ist dem menschlichen Gehör haushoch überlegen. Befestigt an Drohnen detektiert es Hilfeschreie von Verschütteten und kann so dabei helfen, Leben zu retten. Entwickelt hat das System die Forschungsgruppe von Dr. Marc Oispuu am Fraunhofer-Institut FKIE in Wachtberg.
Ein Beitrag von Monika Goetsch
Manchmal zählt jede Sekunde. Sturzfluten, Gebäudeeinstürze, Erdbeben, Vulkanausbrüche, Wirbelstürme, Waldbrände – überall kann es plötzlich zur Katastrophe kommen. Bei der Suche nach Überlebenden setzen Einsatzkräfte immer häufiger Drohnen ein, die mit Tageslicht- oder Wärmebildkameras ausgestattet sind. Doch die Kameras stoßen an ihre Grenzen, wenn Menschen unter Trümmern begraben sind oder Rauch und Nebel die Sicht erschweren.
Wie das Ohr – nur besser!
Darum hat das Fraunhofer-Institut für Kommunikation, Informationsverarbeitung und Ergonomie FKIE in Wachtberg LUCY entworfen – ein System, das nicht Bildobjekte, sondern Geräusche detektiert. Der akustische Sensor besteht aus mehreren kleinen, leichten, leistungsstarken MEMS-Mikrofonen – Mikrofone also, die üblicherweise in Mobiltelefonen eingesetzt werden. Sie sind so empfindlich, dass sie auch Frequenzen erfassen, die das menschliche Ohr nicht wahrnimmt. Ihre Anordnung in Form eines „Krähennests“ – benannt nach dem höchsten Aussichtspunkt eines Schiffs – ermöglicht es, Signale räumlich zu erfassen.
Sensortaxi mit Krähennest
„Mit 64 Mikrofonen hört man besser als mit zwei Ohren und kann eine größere Reichweite abdecken“, erklärt Dr. Marc Oispuu. „Die Effizienz von Such- und Rettungseinsätzen in großen, unwegsamen oder zerstörten Gebieten kann so deutlich erhöht werden.“ LUCY sei nicht Ersatz, sondern Ergänzung herkömmlicher Systeme. Sehr gut funktioniere es in Kombination mit optischen Sensoren.
Um Hintergrundgeräusche zu unterdrücken, entwickeln die Forscher:innen des Instituts adaptive Filter. Denn wenn man Akustiksensoren an Drohnen verwenden will, können Umgebungsgeräusche wie Wind oder auch der Lärm von Hubschrauberrotoren immens stören.
Mögliche Einsatzgebiete für LUCY sind übrigens nicht nur Naturkatastrophen. Geforscht wird auch für die militärische Nutzung. LUCY könnte Verletzte aufspüren, die nach einem Bombenangriff unter Trümmern begraben liegen.
Tatsächlich liegt der Hauptfokus der Aktivitäten des Fraunhofer-Instituts FKIE bei der Forschung für die Bundeswehr sowie Ämter und Behörden mit Sicherheitsaufgaben. „Als Teil des Fraunhofer-Leistungsbereichs Verteidigung, Vorbeugung und Sicherheit VVS sind wir weltweit vernetzt und arbeiten auch in internationalen Teams zusammen“, betont Marc.
Globales Teamwork
Sensorsysteme haben den gebürtigen Viersener schon während des Studiums der Elektro- und Informationstechnik an der RWTH Aachen fasziniert.
Zu Fraunhofer fand er 2005. Besonders schätzt er die enge, interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Informatiker:innen, Mathematiker:innen, Physiker:innen, aber auch Psycholog:innen oder Sprachwissenschaftler:innen – am Institut wie auch international. Für ihn ist sie der Schlüssel zum Erfolg.
Entscheidend für seine Arbeit ist, dass die Lösungen, die er und seine Kolleg:innen entwickeln, auch bei den Nutzer:innen ankommen. „Dass meine Arbeit nicht nur theoretische Forschung ist, sondern konkrete Anwendung findet und Menschen helfen kann, finde ich besonders spannend“, sagt Marc.
Kurzinfo zum Berufsfeld
Ausbildung: in verschiedenen Bereichen möglich, etwa Elektronik, Mechatronik, Fachinformatik, IT-Systemelektronik
Studium: etwa Elektrotechnik, Geodetic Engineering, Informationstechnik, Physik, Maschinenbau, Mathematik, Psychologie, Sprachwissenschaft
Universitäten: RWTH Aachen, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Universität Bonn
Studieninhalte: mobile Sensorik und Robotik, Programmierung und KI, Drohnentechnik, Signalverarbeitung, interdisziplinäre Zusammenarbeit
Ausbildung beim Fraunhofer FKIE
Übrigens ist auch am FKIE eine Ausbildung möglich, etwa in den Bereichen Fachinformatik (Fachrichtung Anwendungsentwicklung oder Systemintegration) oder Elektronik (Fachrichtung Energie und Gebäudetechnik).
Weitere Infos gibt es auf der Ausbildungsseite des FKIE:
Abschalten? Schwierig!
Nicht ganz einfach ist es für ihn, nach der Arbeit wirklich abzuschalten. „Die Forschung lässt einen manchmal nicht los. Da steckt so viel Leidenschaft drin. Man brennt für sein Thema und das lässt sich manchmal gar nicht bremsen.“ Ihm hilft es an solchen Tagen, Sport zu treiben, zum Beispiel eine Runde zu joggen, um den Kopf freizubekommen.
Einfach ausprobieren!
Aber wie findet man ein Studienfach, das richtig Spaß macht? Und einen Job, der einen so sehr fasziniert, dass man dafür brennt? „Indem man Erfahrungen sammelt“, sagt Marc, „und in Bereiche schnuppert, die man vielleicht noch nicht kennt. Zum Beispiel durch Praktika. Ein Praktikum macht sich nicht nur im Lebenslauf gut, sondern fördert vor allem die persönliche Weiterentwicklung.“
Headerbild | © FKIE












