Skip to content

Importierte Störenfriede – Herausforderung durch gebietsfremde Arten

Ob Tigermücke, Asiatische Hornisse oder Nutria: Immer wieder warnen uns Medien vor neuen möglichen Gefahren. „Invasive Arten sind eine globale Bedrohung für Natur, Wirtschaft, Ernährungssicherheit und menschliche Gesundheit“, konstatiert auch der Bericht des Weltbiodiversitätsrates (IPBES) 2023. Dort heißt es weiter: „Arten, die durch menschliche Aktivitäten in neue Regionen eingeführt werden, werden als gebietsfremde Arten bezeichnet. Invasive gebietsfremde Arten sind eine Untergruppe […], von denen bekannt ist, dass sie sich etabliert und verbreitet haben und negative Auswirkungen auf die biologische Vielfalt, lokale Ökosysteme und Arten haben.“ Aber was macht gebietsfremde zu invasiven Arten? Und wie sollte man darauf reagieren?

Ein Beitrag von Dr. Inge Kronberg

Springen, Fliegen, Klettern, Tauchen – mit diesen Fortbewegungsformen verbindet man wohl automatisch Tiere. Durch den Vogelzug oder Wanderungen von Fischen sowie Insekten sind uns auch ihre weiten Reisen vertraut. Bei Tieren unterscheiden sich Dichte und Vielfalt regional und saisonal von Natur aus also viel mehr als bei Pflanzen. Tiere nutzen nicht nur ihre Eigenbeweglichkeit, sondern lassen sich auch über weite Strecken passiv transportieren. Dabei spielen zunehmend die Transportwege des Menschen eine Rolle. Hier sind sie in Form von Nutz- oder Haustieren offiziell Mitreisende oder blinde Passagiere. Am Zielort eingeführt und in die Natur entkommen, gehen die meisten aber zugrunde, weil sie nicht an abweichende Umweltbedingungen angepasst sind. Nur einige der gebietsfremden Arten, fachsprachlich Neozoen genannt, können sich ansiedeln und vermehren. Als „etabliert“ bezeichnet der IPBES eine gebietsfremde Art, sobald sie „eine lebensfähige, sich selbst erhaltende Population hervorgebracht und sich möglicherweise weiter ausgebreitet hat“.

Neozoen weltweit

Weltweit gelten etwa 10 Prozent der 37.000 etablierten, gebietsfremden Arten als invasiv, sie richten also ökologische, wirtschaftliche oder gesundheitliche Schäden an. Von diesen gelisteten invasiven Arten gehören 36 Prozent zu den Tieren, 11 Prozent zu den Mikroorganismen und 6 Prozent zu den Pflanzen. Gebietsfremde Arten konkurrieren mit einheimischen Arten um Ressourcen, fressen sie oder übertragen Krankheiten, Hybridisierungen sind nicht ausgeschlossen. Jede sechste der weltweit ausgestorbenen Arten war ein Opfer invasiver Arten, fast alle lebten auf Inseln – vielen zuvor isoliert lebenden Arten machten hier etwa eingeführte Ratten oder Katzen den Garaus.

Nutria schwimmt im Wasser.
Nutrias stammen ursprünglich aus Südamerika | © wirestock/Freepik

Probleme durch gebietsfremde Arten hängen also auch vom besiedelten Lebensraum ab: Im Wattenmeer traten innerhalb von 100 Jahren etwa 100 Neozoen auf, keine davon hat zum Aussterben einheimischer Arten geführt, Dichteänderungen waren oft vorübergehend. Die einheimische Miesmuschel hat sich offenbar inzwischen mit der aus Muschelkulturen entwichenen Pazifischen Auster arrangiert. Man spricht von „Resilienz“ solcher wechselhafter Ökosysteme.

Unter den Neozoen gibt es zudem willkommene Tiere, die die Artenvielfalt als Nahrungstiere, Blütenbestäuber, Bodenverbesserer oder Schädlingsbekämpfer bereichern. Sie füllen Lücken im Nahrungsnetz, welche am Zielort durch Klimawandel, Verstädterung oder andere Umweltveränderungen entstanden sind. Im Unterricht bieten sich damit Anknüpfungspunkte an Themen wie ökologische Nische und Konkurrenz-Ausschluss-Prinzip.

Neozoen in Deutschland

Grafik von importierten und einheimischen Marienkäfern
Der importierte Asiatische Marienkäfer und seine einheimischen Verwandten | © Dr. Inge Kronberg

Von allen Neozoen haben sich 450 Tierarten in Deutschland etabliert, darunter etwa 15 der in Europa als invasiv gelisteten Tierarten. Sie sind regional also schon für Schäden bekannt und damit auch anderswo „potenziell invasiv“. Konkret sind das: Bisam, Marderhund, Nutria, Sibirisches Streifenhörnchen, Nordamerikanischer Waschbär, Nilgans, Amerikanischer Ochsenfrosch, Blaubandbärbling, Schwarzer Zwergwels, Sonnenbarsch, Kamberkrebs, Marmorkrebs, Roter Amerikanischer Sumpfkrebs, Signalkrebs und Chinesische Wollhandkrabbe. Hinzu kommen Einzelfunde oder Neozoen mit ungeklärter Invasivität wie Asiatischer Marienkäfer, Pazifische Auster, Asiatische Hornisse oder Ägyptische Tigermücke.

Im Biologieunterricht lassen sich arbeitsteilig über Internetrecherchen Porträts von Neozoen anfertigen, bei denen auf Herkunft, Transportweg, Auswirkung und Maßnahmen eingegangen wird. Für Naturbeobachtungen eignen sich Neozoen, die wie Marienkäfer direkt vor der Tür beobachtet, gezeichnet oder fotografiert werden können. So wurde etwa der Asiatische Marienkäfer bewusst zur biologischen Schädlingsbekämpfung in Treibhäusern eingeführt, konkurriert jedoch mit heimischen Marienkäferarten um Nahrung und Überwinterungsplätze. Bei der Artenbestimmung sollte man übrigens weniger auf die Farbe der Flügeldecken als auf das Muster des Brustschildes achten; beim „Harlekin“ sieht es einem M ähnlich.

Haupttransportwege von Neozoen

Europa ist übrigens nicht nur das Ziel, sondern auch der Ausgangsort invasiver Arten. Es ist also Vorsorge bei Import und Export nötig. Denn Arten, die bei uns als harmlos gelten, wie Wildschwein, Karpfen oder Strandkrabbe, machen als Neozoen in Amerika und Australien Probleme. Das sind die Haupttransportwege:

  • Flucht aus Kultur oder Haltung: Botanischer Garten, Tierpark, Aquarium, Heimtierhaltung (z. B. Pazifische Auster aus Austernkulturen, Nordamerikanischer Waschbär aus Pelztierfarmen, Asiatischer Marienkäfer aus Treibhäusern)
  • Verunreinigung von transportierten Gütern (z. B. Buchsbaumzünsler oder Kartoffelkäfer mit Pflanzenimporten)
  • blinde Passagiere in oder an Transportmitteln (z. B. Asiatische Tigermücke mit Flugreisenden, Chinesische Wollhandkrabbe mit Ballastwasser von Schiffen)
  • eigenständige Bewegung entlang von Korridoren (z. B. Einwanderung über den Suezkanal in das Mittelmeer, Invasion von Inseln über Dämme)

Buch
Tipp

Cover des Buches "Biologie im Garten" von Dr. Inge Kronberg

Biologie-ABC im Garten

Dr. Inge Kronberg: Biologie-ABC im Garten. Band 2: Gartentiere. Von Ameise bis Zaunkönig.
Verlag Naturverstehen, 79 S., 14 Euro, 2024

Maßnahmen

Als Maßnahmen gegen invasive Arten gelten Vorsorge, Kontrolle und Bekämpfung. Es ist aussichtsreicher, eine Einfuhr problematischer Arten zu verhindern, als bereits etablierte invasive Arten zu bekämpfen. Vor allem ein Gifteinsatz schadet gleichzeitig den einheimischen Arten und potenziellen Feinden der Neozoen: Die Raupen des blattverzehrenden Buchsbaumzünslers werden zunehmend von Gartenvögeln als Nahrung erkannt. Gifteinsatz verlangsamt solche Gewöhnungseffekte und schadet den Prädatoren. Eine Kontrolle invasiver Arten mittels Jagd, Fang oder Absammeln ist oft aussichtsreicher, vorzugsweise in den Randgebieten ihrer Ausbreitung. Einige Neozoen lassen sich durch ihre Nutzung besser kontrollieren: So eignen sich die Chinesischen Wollhandkrabben, die in Europa Ufer und Netze zerstören, als Chitosan-Lieferanten in der Pharmazie, als Tierfutter und sogar als Delikatesse im Restaurant.

Persönlicher Beitrag

Auf Reisen ist der Mensch ein häufiges, meist unbeabsichtigtes Transportmittel für Tiere. Es gibt also einiges, was wir selbst tun können, um den Im- und Export von Neozoen zu verhindern. Das gilt bei der Rückkehr aus fremden Ländern und auch bei der Einreise: Schuhe, Kleidung, Gepäck und Ausrüstungsgegenstände vom Wandern, Tauchen, Klettern oder Angeln sollten gereinigt sein. Bei einer Reise nach Australien oder Neuseeland werden am Flughafen sogar Schuhsohlen akribisch kontrolliert, um die Einschleppung von gebietsfremden Arten zu verhindern. Es versteht sich von selbst, dass Wildtiere weder importiert noch exportiert werden sollten und Haustiere nicht ausgesetzt werden dürfen. Pflanzen, die von invasiven Tieren befallen sind, gehören in den Restmüll, nicht auf den Kompost.

Grafik einer importierten und einer exportierten Krabbe
Import und Export gebietsfremder Krebse | © Dr. Inge Kronberg

Linktipps

Youtube-Video „IPBES Invasive Alien Species Assessment“ (englisch mit deutschen Untertiteln):

Europäische Neobionten in Amerika:

Liste invasiver gebietsfremder Arten beim Bundesamt für Naturschutz:

Inge Kronberg

Dr. Inge Kronberg

Dr. Inge Kronberg ist promovierte Biologin, Fachautorin und Wissenschaftsjournalistin. Sie schreibt in Lehrbüchern und Fachzeitschriften über aktuelle Themen aus der Ökologie, Genetik und Evolutionsbiologie. Im Schulbereich ist sie als Autorin von Natura Oberstufe, Markl Biologie und verschiedenen Unterrichtsheften tätig.

Hat Ihnen dieser Artikel gefallen?

Mehr davon finden Sie in unserer Lehrerzeitung MINT Zirkel! Mit dem digitalen MINT Zirkel-Abo erhalten Sie regelmäßig neue Ausgaben der digitalen Lehrerzeitung – vollgepackt mit praxisnahen Fachartikeln, didaktisch fundierten Materialien und exklusiven MINT Zirkel-Zusatzmaterialien. Speziell für Lehrkräfte im MINT-Bereich.

Beitrag teilen:

Facebook
X
LinkedIn
Pinterest
XING
WhatsApp
Email

Ähnliche Beiträge

Junger Mann, der eine große Drohne in beiden Händen hält
5. November, 2025
Günstig, leicht, sensibel: Das Sensorsystem LUCY ist dem menschlichen Gehör haushoch überlegen. Befestigt an Drohnen detektiert es Hilfeschreie von Verschütteten und kann so dabei helfen, Leben zu retten. Entwickelt hat das System die Forschungsgruppe von Dr. Marc Oispuu am Fraunhofer-Institut FKIE in Wachtberg.
Nutria schwimmt im Wasser.
29. Oktober, 2025
Wie fängt man Sonnenlicht am besten ein? Das ist nicht nur bei der Aufstellung von Photovoltaikanlagen wichtig, sondern auch für die Sonnenenergiewandler der Pflanzen, also bei ihren Blättern und deren Verzweigung und Ausrichtung. Es ist nicht vorteilhaft, wenn sie sich gegenseitig im Wege stehen und beschatten. Die Blattstellung folgt einem geometrischen Muster, das, mathematisch betrachtet, mit Spiralen, Selbstähnlichkeit, Fibonacci-Zahlen und dem Goldenen Winkel zu tun hat.
Junger Schüler schreibt eine Matheaufgabe, neben ihm ein Taschenrechner
21. Oktober, 2025
„Der Rest ist Hausaufgabe.“ Nicht originell, dieser Spruch, aber zehn Minuten vor Stundenende wirksam. Zumindest, wenn man als Lehrkraft seine Ruhe haben möchte. Aber hilft eine solche Hausaufgabe den Schüler:innen auch, den Inhalt des Unterrichts wirklich zu verstehen?
Antik anmutende Grafik mit einem alten weißbärtigen Mathematiker, der etwas aufschreibt
15. Oktober, 2025
In der Mathematik gibt es berühmte Fragen, die erst nach Jahrhunderten vergeblicher Versuche beantwortet wurden. Es gibt jedoch auch Probleme, die sich schließlich als beweisbar unlösbar erwiesen. Ihre Geschichte offenbart einiges über den Wandel, den die Mathematik in der Moderne durchmachte.
Autor Rainer Schall erklärt Kindern draußen etwas zum Thema Wald und Natur
7. Oktober, 2025
Draußen zu lernen heißt, die Natur mit allen Sinnen zu erleben. Eine Waldtour bietet Schulklassen unzählige Gelegenheiten zum Entdecken, Staunen und gemeinsamen Erforschen. Die jungen Waldforscher:innen können den Wald frei erkunden, ihre Beobachtungen teilen, gefundene Waldschätze zeigen und über spannende Waldphänomene diskutieren. Es ist ein Lernen, das verbindet und neugierig macht. Wie so ein Ausflug ins Waldglück aussehen kann, zeigt dieser Beitrag.
Kind aus der Vogelperspektive fotografiert, das Mathe lernt
29. September, 2025
Das Schuljahr ist wieder gestartet. Für Millionen Schüler:innen, Lehrkräfte und Eltern fühlt sich der Alltag jetzt, nach dem Sommer, ähnlich an wie der davor. Es gibt wieder: frühes Aufstehen, verstopfte Schultoiletten, Formeln, Vokabeln und unrenovierte Gebäude. Für alle, die dabei Gefahr laufen, in den Trott vom letzten Jahr zu verfallen, hilft vielleicht der Blick auf zwei wissenschaftliche Highlights der letzten Zeit.
Lehrer und Schüler arbeiten mit LEGO Naturwissenschaften
Gesponserte Inhalte
24. September, 2025
Wer schon einmal eine Grundschulklasse in Naturwissenschaft unterrichtet hat, kennt das: Manche Kinder rufen ihre Ideen begeistert in den Raum, andere diskutieren miteinander, wieder andere sind so vertieft, dass sie die Zeit vergessen.
Zwei Jugendliche sitzen an einem Schultisch und lesen etwas von einem Zettel ab
23. September, 2025
Der weitverbreitete Mythos, Bildungseinrichtungen seien politikfreie Räume, entspringt der Annahme, politische Themen seien für Schüler:innen zu komplex. Diese Vorstellung ignoriert jedoch die Realität, denn das Leben der Kinder und Jugendlichen ist keineswegs unpolitisch. Sie sind nicht nur direkt von politischen Entscheidungen betroffen, sondern werden auch ständig mit gesellschaftlichen und historischen Themen konfrontiert, ohne diese immer als solche zu erkennen.
Technikmuseum Sinsheim
Gesponserte Inhalte
18. September, 2025
Lust auf eine Reise in die aufregende Welt der Technik? Die Technik Museen Sinsheim Speyer bieten Schülerinnen und Schülern aller Altersstufen spannende Einblicke in Technikgeschichte, Luft- und Raumfahrt sowie Automobilität. Auf über 200.000 m² können sie historische und ikonische Flugzeuge, Oldtimer, Lokomotiven, Nutzfahrzeuge und imposante Großexponate entdecken – vom Maschinenraum eines U-Boots über die Concorde bis zu Europas größter bemannter Raumfahrtausstellung.
Dunkelblauer Laufkäfer, der von Ameisen transportiert wird
9. September, 2025
Selbst wenn manchem Lesermanchen Menschen Ameisen in Haus und Garten lästig geworden sind, haben es diese Insekten nicht verdient, dass sie schnell und unbedacht als Schadinsekten eingeordnet werden. Das gilt erst recht für die Waldameisen, die in Haus und Garten gar nicht vorkommen. Unterstützen wir die Waldameisen, indem wir ihren Lebensraum erhalten oder ihn, wo er bereits verloren ist, neu erschaffen, tun wir auch uns Menschen und unser aller Zukunft einen größeren Gefallen, als die meisten von uns ahnen.
Junge, der angestrengt eine Klausur schreibt
3. September, 2025
Prüfungen gehören zum Schulalltag – doch wie zeitgemäß sind sie wirklich? Immer mehr Schulen erproben neue Formate der Leistungsmessung, die weniger Druck erzeugen und stattdessen Lernprozesse sichtbar machen. Im Gespräch mit dem MINT Zirkel erklärt Lehrer und Speaker Murat Alpoğuz, warum sich die Prüfungslandschaft verändern muss, ob ein Bewerten ohne Noten funktionieren würde und wie Schulen näher an die Lernrealität der Schüler:innen rücken können.
Bunte Blumenwiese mit einem Schmetterling
2. September, 2025
Die Krise der Biodiversität ist auch eine Krise des bisherigen Umweltschutzes. Dass dessen Fokus lange auf dem Klimawandel lag, wirkt sich fatal aus. Aber auch, weil anderes falsch läuft im Naturschutz, konnte das Artensterben bisher nicht verhindert werden. Der Beitrag zeigt auf, wo wir hinsichtlich Umweltschutz derzeit tatsächlich stehen und was dringend getan werden muss, um die Biodiversität zu erhalten.

Vielen Dank, dass Sie sich für den MINT Zirkel interessieren. Registrieren Sie sich jetzt, um Zugriff auf alle Zusatzmaterialien zu erhalten oder melden Sie sich mit Ihren bestehenden Zugangsdaten zu Ihrem “Mein MINT Zirkel-Account“ an.