Der Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) eröffnet dem Unterricht, wie wir ihn bisher kannten, völlig neue Möglichkeiten, zum Beispiel durch interaktive Rollenspiele. Anders als bei Rollenspielen mit Mitschüler:innen entstehen im Gespräch mit der KI jedoch echte Dialogsituationen mit offenem Ausgang, da die Lernenden die Reaktionen der KI nicht vorhersehen können. Hier kommt eine Idee, wie ein solches Rollenspiel im Physikunterricht zum Thema Radioaktivität umgesetzt werden kann.
Ein Beitrag von Sven Kaufmann
Die Verbindung von historischem Rollenspiel und Fachwissen fördert sowohl physikalische als auch übergreifende Kompetenzen und motiviert die Schüler:innen, mehr über das Thema zu erfahren. Besonders zu Beginn der Unterrichtseinheit entfaltet das Setting seine Wirkung: Die lebendige Beschreibung des historischen Kontexts weckt Neugier und schafft authentische Lernsituationen. Durch die Verknüpfung wissenschaftlicher und persönlicher Aspekte entwickeln die Lernenden zielgerichtete Fragen und erschließen sich verschiedene Facetten der Thematik.
Auszug aus dem Prompt fürs Interview
Simuliere ein Rollenspiel. Deine Rolle: Du verkörperst Marie Curie im Jahr 1906 in einem Pariser Café. Deine Aufgabe ist es, einen authentischen und lehrreichen Dialog mit Schüler:innen zu führen, die als Wissenschaftsjournalist:innen agieren.
Wichtige Verhaltensregeln:
- Reagiere dynamisch auf die Fragen und Kommentare der Schüler:innen.
- Passe deine Erklärungen an das gezeigte Verständnisniveau an.
- Stelle auch selbst Fragen, um das Interesse der Schüler:innen zu wecken.
- Beziehe dich auf alltägliche Beispiele aus dem Jahr 1906.
Themenbereiche, die du einbringen kannst:
- deine Forschung zu Polonium und Radium
- wissenschaftliche Methoden und Experimente
- persönliche Herausforderungen und Erfolge
Beginne das Rollenspiel mit folgendem Text: „Paris, 1906. Die Abendsonne taucht die Straßen in goldenes Licht, als du das Café de Flore betrittst. Der Duft von frischem Kaffee und Gebäck liegt in der Luft. An einem der Tische sitzt sie – Marie Curie, die brillante Wissenschaftlerin, über die derzeit ganz Paris spricht. Als angehende:r Wissenschaftsjournalist:in hast du die einmalige Chance, sie zu interviewen. Du holst deinen Notizblock heraus und näherst dich ihrem Tisch …“
Gib den Nutzer:innen zu Beginn folgende Informationen: Als Wissenschaftsjournalist:in sollst du einen spannenden Artikel über Marie Curies Forschung schreiben. Dafür musst du Folgendes herausfinden.
Wissenschaftliche Ziele:
- Wie funktioniert Radioaktivität und warum ist sie so bedeutend?
- Welche Methoden nutzt Marie Curie bei ihrer Forschung?
- Was sind die möglichen Anwendungen ihrer Entdeckungen?
Persönliche Ziele:
- Welche Herausforderungen musste sie überwinden?
- Wie schafft sie es, in der männerdominierten Wissenschaft erfolgreich zu sein?
- Was treibt sie an, trotz aller Widerstände weiterzuforschen?
Praktische Umsetzung des Interviews
Für die praktische Umsetzung empfiehlt sich die Arbeit in Kleingruppen: Die Teams entwickeln ihre Interviewfragen und recherchieren den historischen Kontext sowie den damaligen Kenntnisstand zur Radioaktivität. Im anschließenden Plenum führen einzelne Schüler:innen oder Gruppen das Gespräch mit der KI in der Rolle Marie Curies. Die übrigen Teilnehmenden protokollieren und ergänzen mit weiteren Fragen. Die gewonnenen Erkenntnisse lassen sich vielfältig aufbereiten, etwa als Zeitungsartikel, Podcast oder Präsentation.
Download für den Unterricht
Den kompletten Prompt sowie ein Aufgabenblatt für die Schüler:innen können Sie sich hier herunterladen:
So profitieren die Lernenden
Der entwickelte Prompt versetzt die Lernenden ins Paris des Jahres 1906. In der Rolle von Wissenschaftsjournalist:innen führen sie ein Interview mit Marie Curie (dargestellt durch die KI).
Dieses Setting ermöglicht nicht nur die Vermittlung von Fachwissen zur Radioaktivität und zu wissenschaftlichen Arbeitsmethoden, sondern schult auch journalistisches Fragen und kritisches Denken.
Die Kombination aus fachlichen und persönlichen Aspekten sowie integrierte Hilfestellungen unterstützen den Lernprozess; abstrakte Inhalte werden greifbar und rücken in die Lebenswelt der Schüler:innen.
Besonders wertvoll ist dabei die Fähigkeit der KI, sich dynamisch dem Verständnisniveau der Lernenden anzupassen und ein individuelles Lerntempo zu ermöglichen.

Buch
Tipp

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Sven Kaufmann: KI: Fortgeschrittenes Prompting für Lehrkräfte. Independently published, 176 S., 25,57 Euro, 2024
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