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Rechnen wie in der Zimmerei – Berufsorientierung im Mathematikunterricht

Nicht nur in den MINT-Berufen, auch in Handwerksberufen fehlt qualifiziertes Personal. In vielen Berufen werden unterschiedliche mathematische Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten genutzt. Am Beispiel des Ausbildungsberufs Zimmerer/Zimmerin wird in diesem Beitrag ausgehend von einer Fachwerkansicht gezeigt, wie sich Lernende typische Fachbegriffe aneignen und daran anschließend typische Rechnungen aus dem Berufsfeld Zimmerer/Zimmerin ausführen.

Ein Beitrag von Christoph Maitzen

„Wofür brauchen wir das?“ Dies ist eine von Schüler:innen im Mathematikunterricht gern gestellte Frage. Mathematikaufgaben aus verschiedenen Berufsfeldern ermöglichen es, auf diese Frage sinnstiftende Antworten zu geben. Betrachten wir die Giebelansicht eines Fachwerks. Gleich auf den ersten Blick wird klar, dass es hier ohne mathematisches Verständnis wohl nicht gehen wird.

Anregungen für den Unterricht

Professionelle Giebelansicht eines Fachwerks mit Maßen
Um die Giebelansicht eines Fachwerks zu verstehen, sind mathematische Kenntnisse vonnöten | © Mirko Döring

Der Annäherung und Orientierung dienen die Aufgaben 1 bis 6 mit dem Ziel, dass sich die Lernenden mit der Zeichnung Giebelansicht, den Fachbegriffen des Zimmerhandwerks und der Holzliste vertraut machen. In der Holzliste sind die in der Giebelansicht verwendeten Holzelemente nummeriert aufgeführt. Die Längen der Holzelemente werden in der Zeichnung in Zentimeter angegeben, wobei die Millimeter als Hochzahl eingefügt sind.

In den nachfolgenden Aufgaben 7 bis 13 werden typische Rechnungen des Zimmerhandwerks durchgeführt. Mithilfe des Satzes des Pythagoras werden verschiedene Längen berechnet. Für die Längenberechnung muss auch berücksichtigt werden, ob und wie ein Holzelement verzapft wird. Die Fläche der Giebelansicht ist mit oder ohne Tür- und Fensteröffnungen zu berechnen.

Die Aufgaben sind für alle Bildungsgänge, aber auch ausdrücklich für den Bildungsgang Hauptschule geeignet, da fachinhaltlich maximal der Satz des Pythagoras genutzt wird. Die Giebelansicht wurde vom Zimmerermeister Mirko Döring erstellt; mit ihm zusammen erfolgte auch die Aufgabenauswahl.

Materialien für den Unterricht

Aufgaben zur Orientierung

  1. Erkläre, wofür die Zahlen an den Holzbalken in der Zeichnung der Giebelansicht stehen.
  2. Gib an, in welcher Einheit die Längen an der abgebildeten Giebelansicht angegeben sind.
  3. Einige Längen sind mit einer Hochzahl angegeben. Gib an, wofür die Hochzahl steht.
  4. Die waagerecht verlaufenden Balken werden links und rechts in einen Pfosten verzapft. Gib an, wie lang ein Zapfen ist.
  5. Die Breite der Türöffnung wird in der Zeichnung mit 157,5 cm angegeben. Erkläre, weswegen der Riegel 20 die in der Holzliste angegebene Länge hat.
  6. Gib die Länge des Rähms 17 an.

Typische Rechnungen eines Zimmerers / einer Zimmerin

  1. Berechne aus den Längenangaben in der Zeichnung die Länge des Rähms 6.
  2. Zeige mithilfe einer Rechnung, dass die Strebe 22 die Länge 243,8 cm hat.
  3. Berechne die Fläche der Giebelansicht mit bzw. ohne Tür- und Fensteröffnungen.
  4. Beschreibe, was die Pfosten 14 und 15 unterscheidet, und gib an, ob die beiden Pfosten in der Praxis als gleiche Pfosten hergestellt werden können.
  5. Gib zwei weitere Pfosten an, die sich wie 14 und 15 zueinander verhalten.
  6. Gib an, weswegen ein Deckenbalken in der Zeichnung der Giebelansicht nur 14 cm lang ist.
  7. Die lange Kante des Pfostens 2 im Giebel hat vom rechten Eckpunkt des Giebels den Abstand 14 cm + 85,8 cm = 99,8 cm. Die Länge der langen Kante des Pfostens 2 beträgt dann 99,8 cm – 14 cm × = 80 cm.
  8. a) Begründe, weshalb dies so gerechnet werden kann.
  9. b) Berechne die Länge der langen Kante der Pfosten 3 und 4.

Fachbegriffe des Zimmerhandwerks

Eine Zapfenverbindung ist eine Holzverbindung, bestehend aus einem Zapfen (oben) an einem Balken und einem Zapfenloch (unten) in einem anderen Balken. Der Zapfen wird ähnlich einer ausgestreckten Hand an dem Balkenende angeschnitten. Das Zapfenloch als Negativform des Zapfens wird in die Seitenfläche des anderen Balkens eingestemmt. Der Zapfen kann wie eine Hand in eine Hosentasche in das Zapfenloch hineingesteckt werden. Zur Sicherung kann die Zapfenverbindung mit einem Nagel oder einer Schraube versehen werden.

Ein Pfosten ist ein vertikal verlaufender Balken und hat in der Regel einen Zapfen an jedem Ende.

Das Rähm ist der obere waagerechte Abschlussbalken der Fachwerkwand. In ihn werden die Pfosten eingezapft.

Ein Riegel ist ein kurzer waagerecht verlaufender Balken, der zwischen zwei Pfosten verläuft und mit diesen verzapft ist.

Eine Schwelle ist der unterste waagerecht verlaufende Balken einer Fachwerkwand. In ihn werden ebenfalls die Pfosten eingezapft.

Auf das Rähm kommt eine waagerechte Lage von mehreren parallelen Balken. Diese Balkenlage ist die Tragkonstruktion der Decke und gleichzeitig die Auflage für den Fußboden. Die parallelen Balken werden Deckenbalken genannt.

Eine Strebe ist ein diagonal zwischen Schwelle und Rähm verlaufender Balken und stellt die Unverschieblichkeit der Fachwerkwand her. Die gezeigten Streben werden nicht eingezapft.

Auszug Holzliste der verwendeten Elemente für die Giebelansicht

Nr.

Name

Stück

B in m (reell)

H in m (reell)

L in m (reell)

1

Deckenbalken

11

0,140

0,240

0,140

2

Pfosten

2

0,140

0,140

0,902

3

Pfosten

2

0,140

0,140

1,759

4

Pfosten

2

0,140

0,140

2,617

5

Pfosten

1

0,140

0,140

3,560

Download

Das komplette Unterrichtsmaterial inkl. Aufgaben, Fachbegriffe, vollständige Holzliste, Lösungen sowie Giebelansicht des Fachwerks steht hier zum Download für Sie bereit:

Weitere Berufsfelder

Die frühzeitige Auseinandersetzung mit Berufsfeldern im Unterricht gibt Schüler:innen wertvolle Einblicke in ihre zukünftigen Möglichkeiten und hilft ihnen, eigene Interessen und Stärken zu entdecken.

Aufgaben und Materialien, die einerseits an den Lehrplan angepasst, andererseits speziell auf verschiedene Berufe zugeschnitten sind, können bei der Berufsorientierung praktisch unterstützen.

Erprobte und anschauliche Aufgaben für andere Berufsfelder, speziell für nicht gymnasiale Bildungsgänge, sind in den Ausgaben 50/2020 (etwa Fliesenleger:in, Florist:in, Vermessungstechniker:in, Biologielaborant:in) und 67/2024 (etwa Elektroniker:in, Maler:in, Chemielaborant:in, Dachdecker:in) der Zeitschrift Mathematik 5-10 vom Friedrich Verlag zu finden: www.friedrich-verlag.de

Werktisch mit Werkzeug und einem Stück Holz, dass zwei Hände bearbeiten
Die Berufsorientierung in den Unterricht zu integrieren, könnte helfen, den Fachkräftemangel in Handwerksberufen zu verringern | © Freepik

Informationen zum Ausbildungsberuf Zimmerer/Zimmerin

Bundesagentur für Arbeit:

Landesinnungsverband des Bayerischen Zimmererhandwerks:

Meisterschaften im Handwerk

Übrigens: Nicht nur im Sport, sondern auch im Handwerk gibt es Welt- und Europameisterschaften. Die Zimmerer-Nationalmannschaft (www.zimmerer-nationalmannschaft.de) nimmt regelmäßig an diesen Wettbewerben teil. So hat beispielsweise Jonas Lauhoff aus Thüringen beim europäischen Berufswettbewerb EuroSkills 2023 in Gdańsk, Polen, die Goldmedaille gewonnen. Linus Großhardt aus Baden-Württemberg hat bei den WorldSkills 2024 in Lyon, Frankreich, den vierten Platz belegt und wurde mit der Medallion for Excellence für hervorragende Leistungen ausgezeichnet.

Christoph Maitzen

Christoph Maitzen ist Diplom-Physiker und arbeitet als Gymnasiallehrer für die Fächer Mathematik und Physik an der Ziehenschule in Frankfurt/Main. Er ist Mitherausgeber der Fachzeitschrift Mathematik 5–10 (Friedrich Verlag) und aktiv im Verein Mathematik-Unterrichts-Einheiten-Datei e. V. (MUED.de). Seit 2008 veröffentlicht er als Autor Fachartikel, Fach- und Schulbücher.

Headerbild | © Freepik

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