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Können Affen eigentlich schreiben? Zusammenhängendes? Sinnvolles? Vielleicht sogar Lyrisches? Seit mehr als hundert Jahren wird diese Frage als „Infinite-Monkey-Theorem“ in der Wahrscheinlichkeitsrechnung diskutiert. Denn das ist einleuchtend: Würde man unendlich viele Affen vor Tastaturen setzen und drauflostippen lassen, gäbe es eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass durch Zufall ein Text wie von Shakespeare entsteht.

Eine Kolumne von Tobias Beck

Wie wahrscheinlich das genau ist, haben jüngst zwei australische Wissenschaftler in einer Studie berechnet. Ihr ernüchterndes Resultat: Die gegenwärtige Schimpansen-Population von etwa 200.000 Affen hätte wohl nie die Chance, per Zufall einen Shakespeare zu generieren. Selbst wenn alle in jeder Sekunde einen Buchstaben drücken und dabei nicht mehr essen und nicht mehr schlafen würden, wäre ein Affen-Shakespeare sehr unwahrscheinlich. Das Wort „Bananen“ würde ein schreibwütiger Affe in dreißig Jahren zwar mit fünfprozentiger Wahrscheinlichkeit hinbekommen. Aber an Shakespeare würden wohl alle bis in alle Ewigkeit scheitern.

Affen versus ChatGPT

Und wie ist es mit künstlicher Intelligenz? Die produziert auf Anfrage schließlich inzwischen viel – auch im Shakespeare-Stil. Ganz erstaunlich liest es sich, wenn man ein Sprachmodell wie ChatGPT um ein Sonett über schreibende Affen bittet:

„In dichten Wäldern sitzt ein Affenheer,
mit Tastenklang erfüllt es still die Nacht.
Ihr Traum: ein Werk so groß und voller Ehr,
wie Shakespeares Wort, das stets von Leben lacht.

Ein jeder tippt mit wirrem Blick und Mut,
die Seiten füllen sich mit wirrem Klang.
Was Chaos scheint, ist ihrer Hoffnung Gut,
dass Sinn einst keimt aus endlosem Gesang.

„O Affe“, spricht die Muse leis und hold,
„wird jemals deine Tat ein Werk vollenden?
Die Ewigkeit ist deines Schicksals Gold,
doch blind die Schrift aus ungeübten Händen.“

Doch einmal nur, in jenem Sternenlicht,
entstand ein Satz — voll Wahrheit, schwer und schlicht.

Nicht nur Deutschlehrer dürften das bemerken: Das Sonett-Schema passt verblüffend. Vermutlich kennt die KI auch das Monkey-Theorem. Und für die allermeisten dürfte das auch ziemlich nach Shakespeare klingen. Hat die KI mit diesem Beweis ihrer lyrischen Fähigkeit die Affen also hinter sich gelassen und setzt jetzt zum Sprung an, auch uns Menschen in den Schatten zu stellen? Dieser Befürchtung hat der diesjährige Physik-Nobelpreis Vorschub geleistet. Den hat im Oktober gemeinsam mit einem Kollegen nämlich der Informatiker Geoffrey Hilton erhalten. Mit seinen Ideen wurden vor Jahren die mathematischen Grundlagen für Sprachmodelle gelegt. Heute warnt er eindringlich vor der Entwicklung einer sogenannten superintelligenten KI, die in der Lage ist, sich selbst zu programmieren. „Als die Chatbots aufkamen, wurde mir die unmittelbare Bedrohung bewusst“, sagte er in einem Interview nach der Preisverleihung.

Kann sich KI fürchten?

Vielleicht werden es ja menschliche Regungen sein, die helfen, eine KI in Zukunft in ihre Schranken zu weisen. Ein Forschungsprojekt, wie man es schafft, eine KI zu erschrecken, hat das Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin gestartet. Noch kann sich jeder an dem Experiment namens „Spook the machine“ beteiligen. Die Teilnehmenden sind aufgerufen, Bildgeneratoren so zu nutzen, dass Werke entstehen, die für eine KI „emotional“ wirken könnten. Gruselt sich eine KI womöglich vor Datenlöschung, dem nächsten Update oder einem apokalyptischen Stromausfall? Das Ergebnis des Experiments wird sicher spannend sein – nicht nur für die Wissenschaft, sondern auch für Affen. Denn sie verfügen bekanntlich über eine sehr große emotionale Intelligenz. Gut möglich, dass es diese Fähigkeit sein wird, die eines Tages die Menschheit rettet.

Tobias Beck

Tobias Beck geht als Lehrer, Wissenschaftsjournalist und unerschrockener Freizeitwissenschaftler für den MINT Zirkel schon seit Längerem Alltagsmythen auf den Grund. Für seine Kolumne schaut er sich regelmäßig auf dem Jahrmarkt der wissenschaftlichen Durchbrüche um und stößt dabei mal auf Sonderbares, mal auf Skurriles – oder auch auf schlichtweg Erstaunliches.

© Headerbild | Freepik

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