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Moore – Pupse, die stinken, und Pupse, die nicht stinken

Frans Martens, ein Bursche aus dem Nachbardorf des Moorprofessors Hans Joosten in den Niederlanden, radelte eines schönen Tages ein bisschen durch die Gegend, da fiel er plötzlich ohnmächtig mit seinem Fahrrad um. Der Pups eines nebenliegenden Moores hatte ihn umgehauen.

Ein Beitrag von Swantje Furtak

Dabei war der Geruch für den armen Frans nichts Neues. In den Pupsen von Menschen und denen von Mooren ist eigentlich das Gleiche drin: Schwefelwasserstoff, auch bekannt als »Geruch von faulen Eiern«. Und genauso, wie beim Menschen Pupse stinknormal sind, erkennt man auch an den Pupsen eines Moores, dass sein Stoffwechsel gut funktioniert.

Der Schwefelgeruch zeigt an, dass das Moor mit Wasser vollgesogen ist und kein Sauerstoff in den Torf eindringt. Unter diesen sauerstoffarmen Bedingungen leben ganz besondere, winzige Kreaturen namens anaerobe Mikroorganismen. Gelangt Schwefel in Form von Sulfat – über den (sauren) Regen, das Meer oder das Oberflächenwasser – in ein Moor, sind sie es, die das Molekül umbauen. Ein kleiner Teil vom Schwefel entweicht gasförmig als Schwefelwasserstoff. Das sind zwar unglaublich kleine Mengen, aber Menschen sind sehr anfällig für den Geruch, denn Schwefelwasserstoff ist stark giftig. Es erschwert die Sauerstoffaufnahme und unsere Nase möchte uns beschützen. Frans Martens seinerseits mied seit seinem kleinen Unfall den Feldweg entlang des Moores.

Kühe sind schlecht fürs Klima, nasse Moore nicht

Es steckt natürlich noch viel mehr in einem Moorpups, und zwar Methan – das sind die Pupse, die man zwar nicht riecht, aber anzünden kann. Ein anderer Bursche aus Hans’ Dorf hat beim Anzünden des Pupses einer seiner Kühe seine Scheune abgefackelt.

Braun-weiße Kuh vor einer Herde auf einer Weide
Kühe pupsen zwar wie Moore ebenfalls Methan, speichern aber keinen Kohlenstoff | © Freepik

Ebendiese Pupse, die man weder riecht noch sieht, sind dennoch in aller Munde. Denn Methan ist ein potentes Treibhausgas und macht klimainteressierten Menschen aktuell viel Angst. Mehr Methan in der Atmosphäre bedeutet, dass sich unser Planet mehr aufheizt. Denkt man jedoch wie ein Moor, ist die Sache mit dem Methan gar nicht so ein großes Ding.

Ist ein Moor nass, dringt kein Sauerstoff in den Boden ein. Dann ersticken die winzigen Mikroorganismen, die Sauerstoff brauchen – so wie auch Feuer erlischt, wenn es keinen Sauerstoff bekommt. Andere Mikroorganismen werden aktiv. Statt Sauerstoff nutzen sie Nitrat, Mangan, Eisen oder Sulfat zur Energieerzeugung. Wenn diese aber auch verbraucht sind, fangen spezialisierte Mikroorganismen an, Pflanzenmaterial mit Pflanzenmaterial zu verbrennen – das ist genauso aufwendig und wenig ergiebig, wie es sich anhört. Dabei entsteht Methan, das als Gas das Moor verlässt.

Für das Klima machen die Methanemissionen aus dem Moor jedoch keinen großen Unterschied, da in der Atmosphäre das Methan vergleichsweise schnell wieder abgebaut wird und jährlich genauso viel verschwindet, wie neu ausgestoßen wird. Das Klima heizt sich also dadurch nicht weiter auf. Im Gegenteil: Weil nasse Moore mit ihrer Torfbildung CO2 festlegen, verringern sie die CO2-Konzentration in der Atmosphäre kontinuierlich. Somit kühlen Moore das Klima, auch wenn sie Methan ausstoßen. Kühe sind da anders: Sie rülpsen und pupsen Methan aus, legen aber kein CO2 fest. Deshalb sind Kühe schlecht fürs Klima und nasse Moore nicht.

Das berühmteste Ökosystem unserer Zeit

Aktuell sind nasse Moore in aller Munde. Denn sie speichern ein Drittel des weltweiten Bodenkohlenstoffs. Das ist doppelt so viel Kohlenstoff wie in der Biomasse aller Wälder der Welt zusammengenommen. Das macht Moore natürlich besonders spannend für den Klimaschutz.

Nur noch mal kurz zur Erinnerung: Moore sind Ökosysteme, in denen es dauerhaft nass ist. Deshalb wachsen dort spezialisierte Pflanzen wie Torfmoose oder Seggen. Sterben diese Pflanzen ab, bleiben ihre Reste teils im Wasser konserviert. Mikroorganismen, die organisches Material abbauen, benötigen meist Sauerstoff. Durch den Wasserabschluss aber können wie gesagt nur spezialisierte, anaerobe Mikroorganismen überleben, die weniger effizient arbeiten und die tote Pflanzenmasse nicht völlig abbauen. Menschen nennen diese Pflanzenmasse im Moor „Torf“.

Moore sammeln so schon seit Jahrtausenden tote Pflanzenmasse an. Heute gelten sie deshalb als größter terrestrischer Kohlenstoffspeicher. Jedoch werden Moore weltweit entwässert. Menschen nutzen den Torf zum Heizen ihrer Häuser, als Blumenerde und als künstlichen Boden im industriellen Gartenbau. Das meiste Gemüse und Obst, das wir im Supermarkt kaufen, ist als Jungpflanze einmal auf Torf großgezogen worden. Außerdem entwässern Landwirt:innen Moore, um mehr Nutzfläche für ihre Milchviehhaltung und Maisanbau zu haben. In Deutschland sind deshalb 95 Prozent der Moore entwässert.

Moore sind mehr als Klima

Das ist ein riesiges Problem: Dem Moor fehlt nun das konservierende Wasser, Sauerstoff dringt in den Torfboden ein und die aeroben Mikroorganismen können das organische Material zersetzen. Dabei entstehen Treibhausgase.

Innerhalb der EU ist Deutschland der größte Emittent von Treibhausgasen aus entwässerten Mooren. In Mecklenburg-Vorpommern machen entwässerte Moore sogar ein Drittel der Emissionen des Bundeslandes aus – mehr als der Verkehrssektor. Für unsere Klimaziele müssen wir die Entwässerung stoppen: Nur nasse Moore sind Kohlenstoffspeicher.

Zwar finden Menschen Moore wegen dieser bedeutenden Rolle fürs Klima gerade sehr spannend, aber Moore sind noch viel mehr. Und so endet dieser Text hier auf einem letzten Moorpups, bei dem man nicht ganz sicher sein kann, ob es tatsächlich ein Pups ist.

Moorlandschaft in warmem Licht
Moore speichern bis zu ein Drittel des weltweiten Bodenkohlenstoffs | © Rene Rauschenberger – Pixabay

Die letzten Irrlichter Deutschlands

»Ganz in der Nähe der Stadt Greifswald wurden an einem äußerst warmen und schwülen Juliabend 1901 gegen 1⁄2 11 Uhr auf einer Moorstelle am rechten Ryckufer etwa 30–40 blasse und hüpfende Flämmchen beobachtet, von denen nur 3–4 größer als anscheinend 2–3 cm waren. Diese Erscheinung wurde mehr als 30 Minuten gesehen, und es unterliegt – nach der genaueren Beschreibung der Beobachter zu urteilen – keinem Zweifel, dass es sich in diesem Falle um wirkliche Irrlichter handelte.« (Klose, H. (1904) „Jahrbuch der Pommerschen geographischen Gesellschaft sitz Greifswald“, S. 42)

Aus Mooren in Deutschland ist seitdem keine weitere Sichtung von Irrlichtern bekannt. Das mag drei Gründe haben: Erstens gibt es viel weniger nasse Moore. Zweitens gibt es viel weniger Finsternis. Und drittens geht keine Sau mehr nachts ins Moor.

Daher weiß bis heute keiner, was die Leuchterscheinungen in Mooren wirklich sind. Glühwürmchen? Entzündete Sumpfgase? Sowohl Methan als auch Schwefelwasserstoff können mit blauer Flamme brennen. Aber wer weiß, Phosphine vielleicht? Glaubt man den Legenden, handelt es sich bei den Lichtern um die Seelen von unglücklich Verstorbenen. Wer sich also gerne die Nächte um die Ohren schlägt, hat hiermit seinen perfekten Forschungsgegenstand gefunden – sobald wieder genügend Moore dafür nass sind.

Buch
Tipp

Cover des Buches "Moore sind wie Menschen, nur nasser" von Swantje Furtak und Hans Joosten

Moore sind wie Menschen, nur nasser

Dass man keine Torferde für die Blumenkübel verwenden sollte und trockene Moore schlecht für das Klima sind, wissen mittlerweile die meisten. Doch warum ist das eigentlich so? Swantje Furtak und Hans Joosten räumen in ihrem Buch mit zahlreichen Mythen auf und geben uns an die Hand, was wir wirklich wissen wollen: Wie kommen all die Leichen ins Moor? Wie komme ich da wieder raus? Wie finde ich ein Moor in der Wüste? Gibt es Moore im Weltall? Und müssen wir Menschen wirklich verschwinden, wenn wir Moore schützen wollen? Aber vor allem zeigen sie eins: wie ein gutes Miteinander von Mensch und Moor funktionieren kann.

Swantje Furtak und Hans Joosten: Moore sind wie Menschen, nur nasser. Katapult Verlag, 180 S., 20 Euro, 2024

Swantje Furtak

Swantje Furtak engagierte sich nach dem Dreh eines Dokumentarfilms über das Moor im Jugendkollektiv RE-PEAT und schrieb ihre Bachelorarbeit über Mikroorganismen im Moor. Heute arbeitet sie als freie Journalistin und versucht, sich in ihrem Master „Environment & Society“ der Schnittstelle Mensch-Natur zu nähern.

© Headerbild | Herbert Aust – Pixabay

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