Das Internet ist zu einem unverzichtbaren Teil unseres Alltags geworden. Wir alle nutzen es, wenn auch zu ganz unterschiedlichen Anteilen, zur Kommunikation, Unterhaltung, Arbeit und Bildung. Vor allem das Smartphone ist für die meisten zum wichtigsten Gerät überhaupt geworden. Hier sind alle Schätze und Geheimnisse verborgen, hiermit wird wie selbstverständlich mit Freund:innen und Familie kommuniziert. Doch kaum jemand macht sich Gedanken darüber, wie viel Energie für all diese Dienste und Daten im Netz aufgewendet werden muss. Frei nach dem Motto: Einmal am Tag das Smartphone aufladen – so viel kann das doch nicht sein. Doch weit gefehlt. Der Energieaufwand ist riesig.
Ein Beitrag von Jörg Schieb
Müssten wir den erforderlichen Strom selbst erzeugen, etwa durch Strampeln auf einem Ergometer, würde sich „Binge Watching“ – also das stundenlange Ansehen von Filmen oder Serien bei Streamingdiensten – von selbst erledigen. Selbst sportlichste Naturen würden das Handtuch werfen, denn es sind mehr als zwei Stunden auf dem Trainer erforderlich, um genug Strom für eine Stunde Streaming herzustellen.
Internet ist auf Platz sechs im Stromverbrauch
Das Internet, dieser riesige, unsichtbare, weltumspannende Apparat, verbraucht Unmengen an Energie, ohne dass wir es merken. Doch kaum jemand spricht darüber. Zum einen, weil das Internet eine Art Blackbox ist. Niemand kann sich so recht vorstellen, welcher enorme Aufwand betrieben werden muss, um das Internet mit all seinen Diensten bereitzustellen. Zum anderen, weil es nichts kostet. Bis auf den DSL-Anschluss oder den Mobilfunkvertrag fallen erst mal keine relevanten Kosten an – egal, wie viel man im Internet unterwegs ist. Das erweckt den Eindruck, dass es so schlimm nicht sein kann.
Wäre das Internet ein Land, es wäre in Sachen Stromverbrauch auf Platz sechs, nach Ländern wie USA, Russland, Japan, Indien oder China, aber vor Deutschland. Vorsichtigen Schätzungen zufolge verbraucht das Internet weltweit rund 200 Terawattstunden (TWh) pro Jahr; das entspricht dem Stromverbrauch von kompletten Ländern wie Italien oder Spanien. Zum Vergleich: Die gesamte Luftfahrtbranche verbraucht weltweit rund 160 TWh pro Jahr, also etwa 20 Prozent weniger als das Internet.
CO2-Ausstoß höher als der des internationalen Flugverkehrs
Schauen wir auf den CO2-Ausstoß, fällt die Bilanz ebenso verheerend aus: Laut Studien ist die Informationstechnologie heute für 2 bis 4 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich, während der Anteil des internationalen Flugverkehrs je nach Studie bei 3 bis 5 Prozent liegt. Es wird erwartet, dass die durch das Internet verursachten CO2-Emissionen in Zukunft weiter steigen werden, insbesondere aufgrund erhöhter Datenmengen und fehlender Anstrengungen der Branche und der Politik, den ökologischen Fußabdruck in diesem Bereich zu begrenzen.
Auch in Deutschland stromhungrig
In Deutschland liegt der Anteil des Internets am gesamten Stromverbrauch bei etwa 2,5 Prozent, was immerhin 14 TWh entspricht. Das ist mehr als der jährliche Stromverbrauch von Schleswig-Holstein und Bremen zusammen. Und der Energiebedarf des Internets wächst rasant: Expert:innen gehen davon aus, dass er sich bis 2030 verdreifachen könnte. Haupttreiber sind dabei die zunehmende Digitalisierung, die wachsende Zahl von Internetnutzer:innen und die immer datenintensiveren Anwendungen.
Versteckte Energiesünder: Streaming, Videos und Gaming
Doch woher kommt dieser enorme Energiebedarf? Betrachtet man den individuellen Stromverbrauch eines Smartphones, scheint dieser mit durchschnittlich 5 Kilowattstunden (kWh) pro Jahr vergleichsweise gering. Das entspricht etwa dem Verbrauch einer LED-Lampe, die zwei Stunden pro Tag leuchtet. Allerdings passiert im Hintergrund weitaus mehr, als auf den ersten Blick ersichtlich ist. Die Hauptenergiefresser im Netz sind Streamingdienste, Videoübertragungen und Online-Gaming. Ein gestreamtes Video in HD-Qualität verbraucht pro Stunde etwa 1 Gigabyte (GB) Daten. Das klingt zunächst nicht viel, doch hochgerechnet auf die weltweit rund eine Milliarde Netflix-Nutzer:innen, die im Durchschnitt 1,5 Stunden pro Tag streamen, ergibt sich ein jährlicher Datenverkehr von 547,5 Exabyte (EB). Das entspricht 547,5 Milliarden GB – eine schwer vorstellbare Menge.
Rechenzentren müssen aufwendig gekühlt werden
Für die Übertragung und Bereitstellung dieser Daten sind eine leistungsstarke Netzinfrastruktur und riesige Rechenzentren erforderlich, die rund um die Uhr laufen und gekühlt werden müssen. Allein die Rechenzentren von „Amazon Web Services“, einem der größten Cloud-Anbieter weltweit, verbrauchen jährlich rund 10 TWh – mehr als die Stadt Berlin mit ihren 3,7 Millionen Einwohner:innen. Doch auch die Videos in Social Media wie Instagram, YouTube oder TikTok verbrauchen enorme Mengen an Energie. Videos und Streamingdienste zusammen machen mittlerweile mehr als 65 Prozent des gesamten Daten-Traffic im Internet aus und sind damit auch für den Großteil des Stromverbrauchs verantwortlich. Auch Online-Gaming ist ein echter Energiefresser. Eine Studie der University of California in Berkeley hat ergeben, dass die US-amerikanische Gaming-Industrie jährlich etwa 34 TWh verbraucht; das entspricht dem Stromverbrauch von fünf Millionen Haushalten.
Buch
Tipp
Literaturtipp
Jörg Schieb: Energiefresser Internet – Warum jede E-Mail ein Klimakiller ist und wie unser digitales Leben nachhaltiger wird. Redline Verlag, 288 S., 22 Euro, 2023
Transparenz und Aufklärung sind gefragt
Um den Energieverbrauch des Internets zu reduzieren, sind verschiedene Ansätze denkbar. Eine Möglichkeit wäre es, den Verbrauch transparenter zu machen, indem beispielsweise der Energiebedarf verschiedener Anwendungen und Dienste direkt angezeigt wird. So könnten Nutzer:innen bewusster mit ihrem Internetkonsum umgehen und ggf. energieintensive Anwendungen vermeiden. Eine solche Transparenz wäre nicht nur für Endverbraucher:innen, sondern auch für Unternehmen und Organisationen wichtig. Viele Firmen haben sich ambitionierte Klimaziele gesetzt und wollen ihren CO2-Fußabdruck reduzieren. Doch oft fehlt es an konkreten Daten zum Energieverbrauch der eigenen IT-Systeme und -Anwendungen. Hier könnten standardisierte Messmethoden und Kennzahlen helfen, um Einsparpotenziale zu identifizieren und gezielte Maßnahmen zu ergreifen. Auch eine stärkere Aufklärung, insbesondere von Kindern und Jugendlichen, ist wichtig. In Schulen und Universitäten sollte das Thema „Grüne IT“ fest in den Lehrplänen verankert werden, um frühzeitig ein Bewusstsein für den Energieverbrauch digitaler Technologien zu schaffen. Dazu gehört auch, konkrete Handlungsoptionen aufzuzeigen, wie wir alle durch unser Nutzungsverhalten etwas bewirken können, etwa durch die Wahl energieeffizienter Geräte, die Nutzung von Ökostrom oder den bewussten Umgang mit datenintensiven Anwendungen.
Erneuerbare Energien und effiziente Technologien
Ein weiterer wichtiger Ansatzpunkt ist der verstärkte Einsatz erneuerbarer Energien in Rechenzentren. Viele große Technologieunternehmen wie Google, Apple oder Facebook setzen bereits auf Ökostrom und investieren in eigene Solar- und Windkraftanlagen. Doch nicht nur der Umstieg auf erneuerbare Energien, sondern auch der Einsatz effizienterer Technologien kann den Energieverbrauch deutlich reduzieren. Durch die Verwendung hocheffizienter Chips, wie sie etwa von ARM entwickelt werden, lässt sich die Leistungsaufnahme von Servern und Endgeräten um bis zu 50 Prozent senken. Auch intelligente Kühlsysteme, die die Abwärme der Server nutzen, um Gebäude zu heizen, können den Energiebedarf von Rechenzentren deutlich reduzieren. Expert:innen schätzen, dass sich durch diese Maßnahmen der Stromverbrauch von Rechenzentren bis 2030 um bis zu 40 Prozent senken ließe.
Die Energie im Smartphone
Was bei der Betrachtung häufig außer Acht gelassen wird: Nicht nur der Betrieb des Internets, sondern auch die Herstellung der dafür benötigten Geräte verschlingt enorme Mengen an Energie. Ein durchschnittliches Smartphone enthält rund 60 verschiedene Metalle, darunter seltene Erden wie Neodym oder Dysprosium, deren Abbau und Verarbeitung enorm energieintensiv ist. Schätzungen zufolge macht die Produktion eines Smartphones rund 80 Prozent des gesamten Energieverbrauchs während seiner Lebensdauer aus. Bei einem iPhone sind das rund 80 kWh. Das entspricht dem Stromverbrauch eines durchschnittlichen Zwei-Personen-Haushalts für etwa zehn Tage. Hinzu kommen die Umweltauswirkungen durch den Abbau der benötigten Rohstoffe, der oft unter fragwürdigen Bedingungen in Entwicklungsländern erfolgt.
Die Lehre daraus: Geräte sollten möglichst lange genutzt und nicht schon nach wenigen Jahren ausgetauscht werden. Eine Verlängerung der durchschnittlichen Nutzungsdauer von Smartphones von 2,7 auf vier Jahre könnte den jährlichen CO2-Fußabdruck in der EU um 2 Millionen Tonnen reduzieren. Das entspricht den jährlichen Emissionen einer Stadt mit 100.000 Einwohner: innen.
Energieautarkie durch eigene Stromproduktion?
Eine radikale Lösung wäre es, den Strom für den eigenen Internetkonsum selbst zu produzieren. Rein rechnerisch wäre dies durchaus möglich: Um den jährlichen Stromverbrauch eines Smartphones von 5 kWh zu decken, würde eine Photovoltaikanlage mit einer Fläche von etwa 0,5 Quadratmetern ausreichen. Bei einem Laptop mit einem Verbrauch von 50 kWh pro Jahr wären es entsprechend 5 Quadratmeter. Allerdings ist eine vollständige Energieautarkie für die meisten Menschen kaum praktikabel – schon allein aus Platzgründen. Sinnvoller wäre es, überschüssigen Solarstrom ins Netz einzuspeisen und so die Energiewende insgesamt voranzutreiben. Dafür müssten allerdings die politischen Rahmenbedingungen verbessert werden, etwa durch eine Reform des Erneuerbare- Energien-Gesetzes (EEG) und den Abbau bürokratischer Hürden.
Bewusstsein schaffen und Lösungen entwickeln
Der Energieverbrauch des Internets ist ein komplexes Thema, das in der öffentlichen Debatte bislang kaum eine Rolle spielt. Dabei ist es angesichts der Klimakrise dringend notwendig, auch in diesem Bereich umzudenken und nach Lösungen zu suchen. Wichtig ist vor allem, ein Bewusstsein für den Energiebedarf digitaler Technologien zu schaffen – bei Nutzer:innen, Unternehmen und politischen Entscheidungsträger: innen. Denn nur wenn alle Beteiligten an einem Strang ziehen, lässt sich der Energiefresser in unserer Hosentasche in den Griff bekommen. Das fängt bei jedem einzelnen Menschen an, der durch sein Nutzungsverhalten und seine Kaufentscheidungen Einfluss nehmen kann. Verantwortung haben aber natürlich vor allem die Unternehmen, die in energieeffiziente Technologien und erneuerbare Energien investieren müssen. Und es erfordert nicht zuletzt politische Rahmenbedingungen, die Anreize für eine nachhaltige Digitalisierung schaffen. Die gute Nachricht ist: Es gibt bereits viele innovative Ansätze und Technologien, um den Energieverbrauch des Internets zu reduzieren. Von satellitengestützten Solarkraftwerken über intelligente Netze bis hin zu grünen Rechenzentren – die Lösungen sind also da. Jetzt müssen sie nur noch konsequent umgesetzt werden. Dann kann das Internet nicht nur ein Segen für unsere vernetzte Welt sein, sondern auch ein Vorbild für eine nachhaltige Zukunft.
Jörg Schieb
Jörg Schieb ist Digitalexperte der ersten Stunde. Er ist nicht nur „Digitalexperte“ der ARD, sondern hat auch bereits über 100 Ratgeber und Sachbücher veröffentlicht, unter anderem Der Digitalschock (Redline, 2023).