Was bedeutet die Existenz von textgenerierenden KI-Tools für die Weiterentwicklung von schriftlichen Aufgabenformaten, die nicht in der Schule, sondern zu Hause angefertigt werden? Der Schlüssel heißt hier: Transformation statt Substitution! Wie genau das vonstattengehen kann, lesen Sie in diesem zweiten Teil unserer Mini-Reihe zum Thema KI in der Schule.
Ein Beitrag von Svenja Zwirner
Im ersten Teil dieser Minireihe, „Wenn die KI dazwischengrätscht – Unterricht 2.0“, ging es um die Möglichkeiten, wie KI zielführend in den Unterricht eingebunden werden kann, wie Lehrkräfte darin unterstützt werden können und welche Verhaltensregeln es bei der Nutzung von KI für schriftliche Aufgaben gibt. Hier soll es nun um Hausaufgaben und Facharbeiten gehen.
Einfluss von KI-Tools auf schriftliche Aufgabenformate
Ob beispielsweise die Facharbeit als Aufgabenformat zur Anwendung von Methoden wissenschaftspropädeutischen Arbeitens in fünf Jahren noch Teil der gymnasialen Oberstufe ist, sei dahingestellt – Überlegungen zu neuen Erlassen mit neuen Abiturfächern und neuen Prüfungsformaten lassen daran zweifeln. Unbestritten ist jedoch, dass in erster Linie schriftliche Lernaufgaben, vor allem in Form von Hausaufgaben, weiterhin fester Bestandteil unserer Unterrichtspraxis sein werden und auch sollen. Und selbst außerhalb des Unterrichts angefertigte schriftliche Leistungsaufgaben wie Facharbeiten können weiterhin bestehen, wenn sie entsprechend modifiziert werden.
Sowohl bei Lern- als auch bei Leistungsaufgaben müssen textgenerierende KI-Tools Anwendung finden dürfen. Sie bieten unter anderem Möglichkeiten der Recherche von Inhalten, der Erarbeitung von Themenvorschlägen oder Gliederungen und auch der Überarbeitung erster Formulierungsansätze im Hinblick auf Ausdruck, Rechtschreibung oder Zeichensetzung.
KI bewirkt ein Umdenken der Rolle als Lehrkraft
Der Einsatz von KI bewirkt, dass wir auch unsere Rolle als Lehrkraft anders definieren müssen. Wir sind noch viel mehr Beratende im Sinne einer engmaschigen Lernbegleitung während der Erarbeitungsphase als nur die bewertende Instanz von fertigen Lernprodukten. Und hier steckt der Kern des Transformationsprozesses von schriftlichen Aufgaben: Die vornehmliche Produktorientierung muss zugunsten einer stärkeren Prozessorientierung aufgegeben werden. Das heißt keineswegs, dass ein Lernprodukt in Zukunft keinen Wert mehr hat. Vielmehr bietet diese Schwerpunktsetzung den Lernenden die Möglichkeit, durch die Fokussierung auf den Prozess qualitativ bessere und auch kreativere Lernprodukte zu schaffen. Ein Prozessleitfaden für eine sogenannte Facharbeit 2.0 unter Mitwirkung von KI kann hier vorbereitend unterstützend wirken (siehe Download-Kasten unten).

Dass KI im Hinblick auf die Bearbeitung von schriftlichen Aufgaben auch Herausforderungen hinsichtlich der Überprüfbarkeit der eigenständigen Anfertigung und damit der Vergleichbarkeit mit sich bringt, steht außer Frage – das Zauberwort hier lautet Reflexion, eine wichtige Phase im Prozessleitfaden.
Wie Schüler:innen den Einsatz von KI reflektieren können
Eine Reflexionsphase im Erarbeitungsprozess schriftlicher Lern- und Leistungsaufgaben unter Einbindung von KI kann dabei in Form von persönlichen Gesprächen und/oder schriftlichen Erläuterungen erfolgen. Sie soll Transparenz im Hinblick auf die Passagen des schriftlichen Lernprodukts schaffen, die mithilfe von KI er- oder überarbeitet wurden. Hier zeigt sich dann, ob KI wirklich notwendig und zielführend für den Schreibprozess war oder ob sie lediglich als Substitut für eigene Denkleistungen eingesetzt wurde. Die verschiedenen Arbeitsschritte bieten eben auch ein unterschiedliches Maß an sinnvollen Möglichkeiten der KI-Einbindung und lassen sich so gemäß der Anforderungsbereiche abstufen, was im Erwartungshorizont zum Tragen kommen muss, um zu einer schlüssigen und nachvollziehbaren Bewertung zu kommen.
Gleichzeitig wird im Reflexionsprozess deutlich, ob die Schüler:innen in der Lage sind, fachmethodisch und wissenschaftspropädeutisch im Sinne eines korrekten Umgangs mit Quellen und Verweisen auf diese zu arbeiten. Um ein solches Reflexionsgespräch oder eine schriftliche Reflexion zu strukturieren und vorzubereiten, bietet es sich an, den Lernenden Aufgaben an die Hand zu geben, die sie begleitend bearbeiten müssen, etwa:
- Nenne alle KI-Tools, die du für die Bearbeitung deiner Aufgabe genutzt hast. Verlinke diese.
- Halte deine Prompts und die Ergebnisse per Screenshot fest.
- Benenne und begründe Textstellen/Kapitel, an/in denen du KI zielführend eingesetzt hast. Worin besteht dieser Mehrwert?
- Wie hast du im Text auf die KI verwiesen? Markiere die Verweise.
- Erläutere, welche individuellen Schwierigkeiten/Probleme du mithilfe der KI lösen konntest.
- Erläutere, welche Möglichkeiten, aber auch Grenzen/Schwächen dir KI-Tools im Hinblick auf die Bearbeitung der Aufgabe aufgezeigt haben. Mache deine Begründungen an konkreten Beispielen fest.
Fazit
Der Nutzen von KI-Tools für die Bearbeitung von schriftlichen Lern- und Leistungsaufgaben sollte in Zukunft keine Besonderheit darstellen. Statt die bloße Existenz von KI zu verteufeln, sollte das Potenzial von KI im Kontext des Unterrichts in den Fokus rücken und – ganz zentral – auch von allen Beteiligten der Institution Schule als solches wahrgenommen werden. So werden wir auch unserem Bildungsauftrag gerecht – nämlich der Erziehung unserer Schüler:innen zu selbstständigen und mündigen Individuen, die mit unterschiedlichsten gesellschaftlichen Herausforderungen ihrer Zeit umgehen können.
Download
Den Prozessleitfaden zur Erstellung einer Facharbeit unter Mitwirkung von KI gibt es hier zum Download: