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Anforderungen an ein Schulgebäude

Dr. Otto Seydel vom Institut für Schulentwicklung in Überlingen gilt als Pionier an der Schnittstelle von Pädagogik und Architektur. Viele seiner Erfahrungen decken sich mit denen der Hohenloher Academy – der Schulausstatter Hohenloher beschäftigt sich ebenfalls seit Langem intensiv mit Pädagogik, Didaktik und pädagogischer Architektur und gibt die Erfahrungen aus zahllosen Leuchtturmprojekten im Rahmen von Veranstaltungen der Hohenloher Academy weiter.

Ein Beitrag von Dr. Dr. Dierk Suhr

Seydel studierte Pädagogik und Theologie, absolvierte ein Vikariat sowie ein religionspädagogisches Praktikum und promovierte im Fachbereich Pädagogik an der Universität Bielefeld. Anschließend war er 23 Jahre Lehrer und Mitglied der Schulleitung an der Schule Schloss Salem. Neben Religion, Psychologie, Deutsch und Ethik unterrichtete er dabei auch Informationstechnische Grundbildung (ITG) und kam so auch mit dem MINT-Bereich in Berührung. Nach dieser intensiven Auseinandersetzung mit fast allen Facetten der Pädagogik gründete er 2002 das „Institut für Schulentwicklung“ am Bodensee, zunächst mit den Schwerpunkten Unterrichts-, Organisations- und Personalentwicklung, ab 2010 mit dem Schwerpunkt Grundlagenplanung für Schulneu- oder -umbauten, die sogenannte Phase null. Seine umfangreichen praktischen Erfahrungen als Pädagoge halfen ihm dabei, mit Architekt:innen über pädagogische Bedarfe im Bildungsbau ins Gespräch zu kommen und ihnen die pädagogische Perspektive zu vermitteln.

Schulen planen und bauen

Seydel wirkte bereits an dem 2012 erstmals im Friedrich Verlag erschienenen Buch „Schulen planen und bauen“ mit. 2023 ist sein aktuelles Buch „Anforderungen an ein Schulgebäude: Lernräume – Arbeitsräume – Lebensräume“ erschienen, das sicherlich für die nächsten Jahre das Standardwerk zum Thema pädagogische Architektur darstellen wird. Seydel betrachtet dabei alle relevanten Aktivitäten des Schulalltags und überprüft die raumrelevanten Anforderungen dieser Aktivitäten: Wie sollen die Räume beschaffen sein, in denen zentrale Aktivitäten stattfinden sollen? Wie soll ihre Ausstattung aussehen? Welche Regeln sollen für ihre Nutzung gelten? Dabei beschäftigt er sich wirklich mit nahezu allen Belangen und Bedürfnissen, die Schüler:innen während eines Schultages haben können – und kommt zu teilweise erschreckenden Ergebnissen. So stellt er beispielsweise fest, dass „der einzige Ort, an dem sich Schüler:innen für eine kurze Zeit aus dem Sozialstress zurückziehen und allein sein können“, mangels Alternativen unpassenderweise die Toilette sei (S. 41). Wenn wir uns vor Augen und Nasen führen, in welchem Zustand die Schultoilette häufig ist, wird klar, wie fürchterlich es ist, wenn die Toilette der einzige Rückzugsort für introvertierte Kinder, Kinder aus dem Autismus-Spektrum oder sonstige neurodiverse und neurodivergente Kinder ist.

Hohenloher Academy

Die Hohenloher Academy beschäftigt sich mit innovativer Pädagogik, Didaktik und Digitalität und mit deren Anforderungen an zeitgemäße Lernräume vor allem im MINT-Bereich. Die Erfahrungen aus der Begleitung zahlreicher Leuchtturmprojekte gibt sie in Online- und Präsenzveranstaltungen weiter. Online gibt es weitere Informationen zum aktuellen Programm.

Sie planen einen Neubau, Umbau oder Anbau oder wollen Ihre Lernräume im Bestand an neue pädagogische Konzepte anpassen? Die Hohenloher Academy veranstaltet (hersteller- und produktneutrale) Workshops auch bei Ihnen vor Ort und entwirft gemeinsam mit allen Beteiligten Lösungsansätze für Ihre konkreten Herausforderungen – sprechen Sie uns an: Dr. Dr. Dierk Suhr, Leiter Pädagogik & Hohenloher Academy, dierk.suhr@hohenloher.de

Buch
Tipp

Anforderungen an ein Schulgebäude

Dr. Otto Seydel: Anforderungen an ein Schulgebäude. Lernräume – Arbeitsräume – Lebensräume.
Friedrich Verlag, 272 S., 44,95 Euro, 2023.
Ein ausführliches Gespräch mit Dr. Otto
Seydel über sein aktuelles Buch finden Sie in der Aufzeichnung des „Bildungslunches“ der Hohenloher Academy hier:

Lernen in Werkstätten und Fachräumen

Das Kapitel „Lernen in Werkstätten und Fachräumen“ (S. 88 ff.) beschäftigt sich mit den Aktivitäten in Werkstätten und Fachräumen und den daraus resultierenden Anforderungen an den Raum. Früher war der Hörsaal im naturwissenschaftlichen Fachunterricht das vorherrschende Raumkonzept, abgestimmt auf die damaligen Aktivitäten „sitzen“, „zuschauen“, „zuhören“, „schreiben“. Die Aktivitäten heute und erst recht in der Schule von morgen sind aber andere; Seydel unterscheidet hier fünf verschiedene Aktivitätstypen:

  1. Informationen aufnehmen, Demonstrationsexperiment anschauen. Interaktionsform: frontal auf die oder den Vortragenden / das Präsentationsmedium gerichtet oder fragend-entwickelndes Unterrichtsgespräch.
  2. Experimentieren, beobachten, messen. Interaktionsform: allein oder Kleingruppe, auf den Experimentiertisch / die Werkbank gerichtet.
  3. Dokumentieren, recherchieren, reflektieren, Begriffe und Konzepte einprägen. Interaktionsform: allein oder Kleingruppe, auf den Lese- und Schreibplatz/ Computer gerichtet.
  4. Gemeinsam auswerten. Interaktionsform: face to face/Gesprächskreis oder frontal gelenktes Unterrichtsgespräch.
  5. Experiment auf- und abbauen. Interaktionsform: Bewegung im gesamten Raum zu den Regalen, Waschbecken etc.
Zonierungskonzepte für MINTSPACES: klassische Flurschule, Klassenraum plus mit Aktivierung des Flurs, Cluster- oder Marktplatzkonzept, teiloffene Lernlandschaft, offene Lernlandschaft (v. l. n. r.)

Als räumliche Antwort auf diese Aktivitäten und Anforderungen fasst Seydel wiederum fünf verschiedene Raumsettings zusammen:

  1. „All in one“: Der naturwissenschaftliche Fachraum wird ausstattungsmäßig für unterschiedliche Settings optimiert, alle Standardsituationen des naturwissenschaftlich- technischen Unterrichts können innerhalb eines Raumes bedient werden.
  2. „Rucksack“: Der Experimentierbereich wird in einem eigenen Raum platziert, der mit großer Sichtverbindung unmittelbar an einen Unterrichtsraum anschließt.
  3. „Fachraumcluster“: Mehrere All-in-one- Fachräume werden zu einem Cluster zusammengefasst, einschließlich Nebenräumen wie Sanitäranlage, Lager und Vorbereitungsraum.
  4. „MINT-Werkstatt“: Ähnlich einer teiloffenen Lernlandschaft wird die Gesamtfläche für den naturwissenschaftlichen Unterricht nicht durch fachbezogene, sondern durch funktionsbezogene Bereiche bzw. Räume definiert.
  5. „Makerspace in jedem AUR-Cluster“: Jedes Cluster im allgemeinen Unterrichtsbereich (AUR) erhält zusätzlich zu Unterrichts- und Gruppenräumen einen nutzungsoffenen Makerspace als technisch- künstlerischen Multifunktionsraum für den fächerübergreifenden
    Unterricht oder entsprechende Projekte. Auch die Hohenloher Academy arbeitet mit diesen Raumkonzepten, abgestimmt auf den jeweiligen Aktivitäts- und Nutzungsbereich, und definiert dabei ebenfalls fünf verschiedene Raumsettings (siehe Abbildung unten).

Raumkonzepte sind individuell

Dr. Otto Seydel wie die Hohenloher Academy sind sich dabei im Fazit einig: Es gibt nicht „die eine“ Lösung, die für alle Schulen, alle pädagogischen und didaktischen Konzepte passt. Es ist immer im Einzelfall auszuhandeln, welches Raumkonzept am besten zu den pädagogischen Vorstellungen von Schulleitung und Kollegium passt – idealerweise bereits in einer sogenannten Phase null vor Baubeginn, wenn tatsächlich noch alle Möglichkeiten offen sind.

Fachtage „Schule der Zukunft – Pädagogik trifft Raum“

Die Fachtage „Schule der Zukunft – Pädagogik trifft Raum“ der Hohenloher Academy widmen sich jeweils ganztägig einem Schulbesuch und versuchen, das Konzept dieser Schule ganzheitlich verständlich zu machen. Die „Fachtage“ werden an bundesweiten Leuchtturmprojekten durchgeführt – Vorträge von der pädagogischen Vision über digitale didaktische Konzepte bis zur Philosophie der Architektur werden durch geführte Besichtigungen der Schule abgerundet, verbunden mit einem gemeinsamen Mittagessen und ausreichend Gelegenheit zum Netzwerken. Die nächsten Fachtage finden am 07.05.2024 an der Ernst-Reuter-Schule in Karlsruhe und am 18.09.2024 am Theresianum in Mainz statt.

Dr. Dr. Dierk Suhr

Dr. Dr. Dierk Suhr ist Diplom- Biologe und hat sowohl in Biophysik als auch in Technikdidaktik promoviert. Drei Jahre lang durfte er die Entwicklung der „Louisenlunder Pädagogik“ und der korrespondierenden Neubauten als Schulentwickler vor Ort begleiten – und verbreitet die Vision vom „Raum als drittem Pädagogen“ seitdem als pädagogischer Leiter des Schulausstatters Hohenloher, wo er Lernräume unter dem Primat von Pädagogik und Didaktik entwirft.

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