Quantencomputer versprechen vieles: die Simulation komplexer Moleküle in chemischen Reaktionen, effiziente Primfaktorzerlegung und rasante Fortschritte bei der Künstlichen Intelligenz. All das ist hochrelevant, beispielsweise für die Medizin, Datensicherheit und Automatisierung. Doch wie unterscheiden sich Quantencomputer von herkömmlichen Computern?
Die Überlegenheit von Quantencomputern kommt daher, dass sie anders arbeiten als klassische Computer. Diese führen Berechnungen auf der Basis von Bits durch, die die Werte 0 oder 1 annehmen können. Quantencomputer verwenden stattdessen sogenannte Quanten-Bits, kurz Qubits. Anstelle der Werte 0 und 1 können diese auch einen quantenmechanischen Überlagerungszustand aus beiden Werten annehmen. Diese Überlagerung erlaubt es, verschiedene Lösungen eines Problems gleichzeitig zu erkunden. Ein Algorithmus, der diesen Vorteil ausnutzt, kann so Rechenzeit sparen. Ein Beispiel für einen solchen Algorithmus ist der Shor-Algorithmus, mit dem sich Zahlen in ihre Primfaktoren zerlegen lassen. Es kann mathematisch gezeigt werden, dass er dies effizienter tut als jeder bekannte Algorithmus für klassische Computer. Das heißt jedoch nicht, dass Quantencomputer klassische Computer komplett ersetzen werden. Im Gegenteil: Quantencomputer sind Spezialisten. Sie eignen sich dafür, ganz bestimmte Probleme zu lösen.
Hat Google den Durchbruch geschafft?
Algorithmen, die den Vorteil der Qubits ausnutzen, existieren bereits, und es kann mathematisch gezeigt werden, dass einige effizienter sind als bekannte Algorithmen für klassische Computer. Dass Quantencomputer noch nicht im Einsatz sind, obwohl bereits Algorithmen existieren, liegt an der experimentellen Umsetzung. Jedes Qubit ist ein eigenes Quantensystem, das gezielt manipuliert werden muss. Das ist eine große Herausforderung, da Quantenzustände extrem fragil sind. So waren Quantencomputer lange Zeit kaum mehr als bessere Taschenrechner.
Vergangenen Herbst ist Google-Forschern jedoch ein Durchbruch gelungen. Ihr Quantenprozessor Sycamore arbeitet mit 53 funktionsfähigen Qubits und hat in 200 Sekunden ein Problem gelöst, das den leistungsstärksten Computer der Welt – laut Google – knapp 10.000 Jahre beschäftigt hätte.
Google behauptet damit, die sogenannte „Quantum Supremacy“ (= Quantenüberlegenheit) gezeigt zu haben. Das bedeutet, dass ein Quantencomputer erstmalig eine Berechnung gemacht hat, die auf klassischen Computern praktisch nicht durchführbar ist. Doch was heißt „praktisch nicht durchführbar“? Laut IBM, Googles größtem Konkurrenten, bräuchte der beste Supercomputer lediglich zweieinhalb Tage für diese Berechnung. Das ist zwar immer noch wesentlich länger als die 200 Sekunden, macht dies aber die Berechnung „praktisch nicht durchführbar“? Zu dieser Problematik kommt hinzu, dass klassische Supercomputer stetig verbessert werden. Der Vergleich der Rechenzeiten kann also nur eine Momentaufnahme sein. Auch wenn „Quantum Supremacy“ nicht scharf definiert werden kann, markiert der Begriff einen wichtigen Meilenstein. Er hilft einzuordnen, wie weit Quantencomputer sind.
Quantum Circuit Sampling
Leider kann Googles Sycamore momentan weder Primzahlen effizient zerlegen noch das Verhalten komplexer Moleküle berechnen. In der Tat hat Google auch die Berechnung speziell ausgewählt, um die „Quantum Supremacy“ mit Sycamore zu zeigen. Konkret war die Aufgabe das sogenannte „Quantum Circuit Sampling“. Dabei startet ein quantenmechanisches System in einem zufälligen Zustand, in dem eine Reihe von festgelegten Operationen durchgeführt wird. Dann wird eine Messung vorgenommen. Die Frage lautet: Mit welchen Wahrscheinlichkeiten erhält man welche Endzustände? Als Analogie kann man einen Würfel betrachten, der in einem zufälligen Zustand, also mit einer zufälligen Seite nach oben, startet. Nun werden die Operationen durchgeführt, z. B. „Drehe die Oberseite nach unten, wenn die Augenzahl größer als drei ist. Drehe danach den Würfel um 90 Grad nach links, wenn die Augenzahl ungerade ist.“. In dieser Analogie lautet die Frage: Mit welcher Wahrscheinlichkeit zeigt der Würfel am Ende eine Eins, Zwei, Drei, Vier, Fünf bzw. Sechs? Erhöht man die Anzahl der Würfel und Operationen, gehen klassische Computer schnell in die
Knie. Quantencomputer hingegen nicht, wie Google im Herbst gezeigt hat.
Auch wenn es keine Anwendung für Quantum Circuit Sampling gibt und kritisch debattiert wird, was genau „Quantum Supremacy“ bedeutet – Google hat mit dem Quantenprozessor Sycamore einen großen Schritt auf dem Weg zum universellen Quantencomputer geschafft.
Lucia Härer
(juFORUM e. V.)