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Wenn das Heimweh mit im Gepäck ist

Klassenfahrt der 6b: Der Ankunftstag ist soweit reibungslos verlaufen, das Abendessen ist gerade vorbei, und die meisten Schülerinnen und Schüler freuen sich auf die geplante Nachtwanderung. Ben ist während des Abendessens schon etwas stiller gewesen als sonst. Plötzlich steht er mit Tränen in den Augen vor der Lehrerin. Er klagt über Bauchschmerzen. Auf die blöde Nachtwanderung habe er auch keine Lust – und überhaupt wolle er nach Hause.

Ben hat Heimweh – und damit steht er nicht alleine da. Laut einer Befragung von Kindern in amerikanischen Ferienlagern hatten 90 Prozent der Kinder an mindestens einem der Tage Heimweh – 20 Prozent davon sogar stark. Dass mindestens eine Schülerin oder ein Schüler auf einer Klassenfahrt Heimweh bekommt, ist demnach ein eher wahrscheinliches Szenario.

Manche Kinder äußern ganz direkt, dass sie nach Hause möchten. Bei anderen zeigt sich Heimweh vielleicht etwas diffuser: durch Bauch- oder Kopfweh, Verdauungsprobleme, vermehrtes Weinen, Reizbarkeit und Schlafschwierigkeiten. Manche Kinder sind einfach anhänglicher als sonst und weichen der Lehrkraft nicht von der Seite, vor allem wenn es auf den Abend zugeht.

Heimweh kann überraschend kommen

Manchmal weiß man bereits im Vorfeld, dass eine bestimmte Schülerin oder ein Schüler zu Heimweh neigen könnte. Das sind oft Kinder, die generell ein unsicheres Temperament haben und sich mit neuen, unbekannten Situationen schwertun. Manche Kinder sind unselbstständig oder einfach ungeübt darin, woanders zu übernachten. Aber nicht immer gibt es im Vorfeld Hinweise. Schülerinnen und Schüler können vor der Klassenfahrt ganz unauffällig sein und sich total auf die Klassenfahrt freuen – wollen aber am ersten Abend in der Jugendherberge auf einmal nach Hause.

Oft sind es die ungewohnten Abläufe, der unbekannte Ort und die Trennung von den Eltern, die Bauchweh bereiten. Heimweh ist dabei nicht nur ein Problem der „Kleinen“. Zwar leiden Jüngere besonders oft unter Heimweh, weil sie noch nicht so oft geübt haben, selbstständig von zu Hause weg zu sein, aber auch Jugendliche können Heimweh haben. Möglicherweise gibt es in der Familie eine schwierige Phase, die das Heimweh fördert: Streit zwischen den Eltern, eine Trennung oder ein Verlust in der Familie, aber auch die
Pubertät können solche Krisen sein. Auch etwas auf der Klassenfahrt selbst kann der Auslöser sein, z. B. ein Streit mit Mitschülerinnen und Mitschülern, den man nicht klären kann.

Im Vorfeld informieren und aufklären

Bereits im Vorfeld der Klassenfahrt kann man viel tun, um dem Heimweh vorzubeugen. Das A und O ist, die Klasse frühzeitig in die Planung miteinzubeziehen. Informationen über den Ort, die Abläufe, geplante Aktivitäten etc. können für Transparenz sorgen und Sicherheit bieten. Gibt es vielleicht Bilder von der Jugendherberge, die man zeigen kann? Einen typischen Tagesablauf, den man besprechen kann? Das steigert die Vorfreude; es ermöglicht den Schülerinnen und Schülern, Fragen zu stellen; Wünsche und Bedürfnisse zu äußern, aber auch die Abläufe der Klassenfahrt gedanklich schon mal durchzugehen und so einzuüben.

Auch die Eltern sollten im Vorfeld einbezogen werden. Viele Eltern erschrecken, wenn sie sehen, dass ihr Kind am Bus zu weinen beginnt und nicht mitfahren möchte – obwohl es sich vorher so gefreut hat! Es kann daher hilfreich sein, an einem Elternabend vor der Klassenfahrt über Heimweh aufzuklären. Auch hat es sich als wichtig erwiesen, Regelungen über Telefonzeiten zu besprechen. Gerade besorgte Eltern haben die Tendenz, auf der Klassenfahrt anzurufen, um „mal eben zu hören, wie es dem Kind geht“. Was auf der einen Seite ein nachvollziehbarer Wunsch ist, kann in der Praxis kontraproduktiv sein. Das Kind spielt vielleicht grade mit den anderen Kindern und hat sein Heimweh für den Moment vergessen, wird aber durch den Anruf wieder davon eingeholt. Optimalerweise rufen die Eltern daher nicht von sich aus auf der Klassenfahrt an. Die Kinder können sich im „Notfall“ selbst bei den Eltern melden.

Offen über Heimweh sprechen

Ist bereits abzusehen, dass ein Kind Heimweh bekommen wird, ist es gut, bereits vor der Klassenfahrt offen darüber zu sprechen. Folgende Punkte sind wichtig:

  • Ängste ernstnehmen und Verständnis zeigen
  • vermitteln, dass Heimweh etwas normales ist, das vorkommen kann
  • ermutigen, dennoch mitzufahren
  • fragen, was man tun kann, damit sich das Kind auf Klassenfahrt wohlfühlt

Das Kind und auch die Eltern erfahren so, dass die Lehrkraft die Situation im Blick hat. Das Kind wird sich bei Heimweh leichter an die Lehrkraft wenden können – und alleine das Wissen darum kann die Angst abmildern. Je nach Alter des Kindes kann man auch vorschlagen, etwas zum Trost von zu Hause mitzunehmen, z. B. das Lieblingsstofftier. Ältere Kinder oder Jugendliche können stattdessen etwas mitnehmen, um sich zu entspannen, z. B. Lieblingsmusik.

Da bleiben oder abholen lassen?

Natürlich kann es trotz aller Vorbereitungen dazu kommen, dass ein Kind nach Hause möchte. Optimal ist, wenn das Kind es schafft, das Heimweh zu bewältigen. In der Regel werden Angst und Anspannung mit der Zeit von alleine weniger, wenn das Kind sich an die Situation gewöhnt hat. Das Kind macht dann die Erfahrung, dass es eine schwierige Situation gemeistert und am Ende noch eine Menge Spaß auf der Klassenfahrt gehabt hat.

Wird die Schülerin oder der Schüler hingegen abgeholt, führt dies zwar zu einem sofortigen Rückgang der Angst, das Kind entwickelt aber keine Bewältigungsmechanismen, mit der Situation umzugehen. Die Angst vor der Klassenfahrt oder vor Trennungssituationen wird dadurch eher verstärkt.

Das Ziel sollte es also erst mal sein, gemeinsam mit dem Kind zu schauen, ob es nicht doch noch bleiben kann: Wo genau liegt das Problem? Gibt es vielleicht eine konkrete Situation, die die Schülerin bzw. den Schüler ängstigt? Und wenn ja, was könnte eine Lösung sein? Was würde helfen, damit das Kind sich wieder wohler fühlt? Gibt es vielleicht eine schöne Aktivität, z. B. ein gemeinsames Spiel, auf das das Kind jetzt Lust hätte? Danach geht es oft schon wieder etwas leichter.

Nicht immer klappt das. Bei manchen Schülerinnen und Schüler bleibt das Heimweh trotz Gesprächen und Abwarten groß. Und wenn es gar nicht anders geht, ist Abholen die einzig wirksame Lösung. Das sollte aber nicht als Niederlage gesehen werden! Vielmehr kann der Schülerin oder dem Schüler vermittelt werden, dass es super ist, dass es das probiert und so lange geschafft hat. Die nächste Klassenfahrt kommt bestimmt! In der Zwischenzeit gibt es noch viele Möglichkeiten „zu üben“.

Natalie Waschke

 

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