Obwohl das Standardmodell der Elementarteilchen als umfassende Theorie gelehrt wird, ist es noch nicht vollständig. Mit seiner Hilfe wurden viele Teilchen vorhergesagt und Wechselwirkungen gefunden. Im Universum gibt es aber noch einige Phänomene, die sich nicht in die bisherige Form der Theorie integrieren lassen.
Elektron, Proton und Neutron bezeichnete man als Erstes als Elementarteilchen. Ab 1930 wurde die kosmische Strahlung erforscht und so zum Beispiel das Neutrino theoretisch vorhergesagt. Schon kurz nach dem Zweiten Weltkrieg gab es weitere Entdeckungen durch Experimente an Teilchenbeschleunigern.
Aus dem bis 1961 unsortierten Teilchenzoo wurde so bis 1973 das Standardmodell der Elementarteilchen entwickelt. Sämtliche bekannte Materie besteht hiernach aus Fermionen, die wechselwirkenden Kräfte zwischen diesen werden durch masselose Bosonen vermittelt. Fermionen sind zum Beispiel Protonen und Neutronen, sie werden von Bosonen, den Gluonen, zusammengehalten. Was dem Standardmodell bis jetzt noch fehlt, ist eine Erklärung, die den direkten Bezug zwischen einem Materieteilchen (Fermion) und einem Kraftteilchen (Boson) herstellt. Schon 1973 formulierten Forscherinnen und Forscher das theoretische Modell der Supersymmetrie (SUSY). Dieses besagt unter anderem, dass Kraft- in Materieteilchen umgewandelt werden können. Sie postuliert dafür jedem bekannten Teilchen einen supersymmetrischen Partner, dessen Spin sich von seinem Originalteilchen unterscheidet. Es gibt auch Ansätze, das Standardmodell zum „Minimal Supersymmetrischen Standardmodell“ zu erweitern. Am Large Hadron Collider (LHC) in Genf wird überwiegend nach diesem Ansatz an einem Nachweis dieser Teilchen geforscht.
Neben den drei im Standardmodell durch Bosonen vermittelten Wechselwirkungen existiert eine weitere, vierte Kraft, die Gravitation. Deren Wechselwirkungskräfte wurden dort bisher vernachlässigt, weil sie auf mikroskopischer Ebene sehr schwach sind. Außerdem gibt es für ihre hypothetische Kraftteilchen, die Gravitonen, bisher keinen Nachweis. Genauso ungelöst wie die Integration der Gravitation in das Standardmodell ist die Natur der sogenannten „Dunklen Materie“. Auf ihre Existenz kann bisher nur durch ihre Gravitationswirkung auf die Galaxien des sichtbaren Universums geschlossen werden.
Erweitertes Verständnis des Standardmodells
Die Erforschung der Neutrinos ist wichtig für ein erweitertes Verständnis des Standardmodells. Die fünfzig Jahre alte Annahme, Neutrinos seien masselos, wurde 2015 durch die Beobachtung der Neutrinooszillation widerlegt. Mit Wassertank-Detektoren tief unter der Erde konnten Interferenzeffekte zwischen den drei Neutrino-Typen des Standardmodells nachgewiesen werden, die nach den Gesetzen der Physik nur auftreten können, wenn Neutrinos eine Masse haben. Am „Karlsruhe Tritium Neutrino Experiment“ (KATRIN) wird seit Juni 2018 die genaue Neutrinomasse erforscht.
Eine Erweiterung des Standardmodells ist die Grand Unified Theory. Eine ihrer Hypothesen besagt, dass zum Zeitpunkt des Urknalls von einer einzigen Kraft ausgegangen wird, die sich mit dem Abkühlen in die drei bekannten Wechselwirkungskräfte des Standardmodells aufteilt.
Die Theorie des Standardmodells hat immer noch Bestand, aber sie wird in Zukunft an mögliche neue Entdeckungen von Teilchen oder Wechselwirkungen angepasst werden müssen. Bis dahin bleibt es abzuwarten, welches der derzeit laufenden Experimente zuerst neue Erkenntnisse liefern wird.
Nina Neser, juFORUM e. V.