Hamburg hat ein neues Schülerforschungszentrum. In den Laboren und Werkstätten können Kinder und Jugendliche an eigenen wissenschaftlichen Projekten forschen. Die Besonderheit: Im Fokus stehen dabei vor allem naturwissenschaftliche Talente.
Im Arbeitsraum des Hamburger Schülerforschungszentrums herrscht an diesem frühen Nachmittag Denker-Stille. Drei Schüler beugen sich über einen Laptop und diskutieren im Flüsterton, alle anderen Nachwuchsforscherinnen und -forscher haben sich in die Labore und Werkstätten zurückgezogen. Wolfgang Fraedrich ordnet an einem der weißen Gruppentische Gesteinsproben. In wenigen Minuten beginnt sein Forscherkurs. Heute sollen Siebtklässler unterschiedliche Gesteinsstrukturen beschreiben und sortieren. „In meinen Forscherkursen möchte ich den Kindern Lust auf Wissenschaft machen. Dazu gehört am Anfang das genaue Beobachten und Beschreiben. Mittelfristig sollen sie natürlich auch eigene Ideen und Fragenstellungen entwickeln“, erklärt der Mittfünfziger mit dem weißen Schnauzer. Wenn er sich nicht um die Gesteinsforscher der Zukunft kümmert, unterrichtet er Geografie und Geologie an einem Hamburger Gymnasium. Die Förderung von MINT-Begeisterten ist für ihn eine Herzensangelegenheit. Seit über 20 Jahren begleitet er „Jugend forscht“-Projekte an seiner Schule. Außerdem arbeitet er als Betreuer am neuen Schülerforschungszentrum in Hamburg. Die Einrichtung wird von verschiedenen Stiftungen und Hochschulen der Stadt getragen. 4,8 Millionen Euro kostete der Umbau eines ehemaligen Kaffeegeschäfts samt Erstausstattung, das Geld sichert außerdem den Betrieb für die nächsten zehn Jahre.
Vielfältige Projekte und Möglichkeiten
Aus Sicht von Leiter Thomas Garl ist das Geld gut investiert. „Wir kümmern uns hier vor allem um Kinder und Jugendliche, die sich für Naturwissenschaften, Technik und Informatik begeistern. Bei uns haben sie die Möglichkeit sich auszutoben und eigenen Forschungsprojekten nachzugehen“, erklärt der Physiker. Er sieht das Schülerforschungszentrum auch als eine spannende (und kostenlose) Alternative zum Fußballverein oder dem Orchester. Interessierten Nachwuchstüftlerinnen und -tüftlern wird auf den 600 Quadratmetern einiges geboten. Zum Beispiel erfüllt das Chemie- und Biologielabor den Sicherheitsstandard S1 und ermöglicht damit kleinere Experimente zur Gentechnik. Außerdem gibt es eine Dunkelkammer zum Pflanzenwachstum, Arbeitsplätze für Elektro-Arbeiten oder einen 3D-Drucker. Bei den Kindern und Jugendlichen kommt das neue Angebot gut an, besonders jene aus den Forscher-AGs oder mit Ideen für eigene „Jugend-forscht“-Projekte kommen gerne in das Forschungszentrum. Betreut werden sie von insgesamt elf MINT-Lehrkräften. Für ihre pädagogische Arbeit haben diese eine Abordnung von ihren Schulen.
Auch Fraedrich betreut zwei ziemlich ambitionierte Forschungsprojekte. So widmen sich drei Siebtklässler der prähistorischen Klimaentwicklung. In einem Braunkohlebergbau südlich von Helmstedt haben sie dafür Gesteinsproben gesichert. Darin verstecken sich 50 Millionen Jahre alten Pflanzenreste. Im Chemielabor des Forschungszentrums und mithilfe des Elektronenmikroskops des Zoologischen Instituts der Universität Hamburg untersuchen die Schülerinnen und Schüler nun die prähistorischen Pflanzen und zeichnen das Klima der Erde vor 50 Millionen Jahren nach.
Ein ähnliches Ziel hat auch das zweite Projekt. Ein Oberstufenschüler untersucht dabei ein besonderes Gesteinsvorkommen in einer stillgelegten Kalkgrube südöstlich von Elmshorn. In den Schichten aus Braunkohle und verschiedenen Sanden finden sich allerlei Pollen – einige sind bis zu 1,7 Millionen Jahre alt. Die Erkenntnisse über die prähistorische Flora lassen sich mit der heutigen Vegetation vergleichen und es lassen sich daraus Rückschlüsse ziehen, welches Klima damals herrschte.
Kooperation Wissenschaft und Schule
An ihren Schulen wären vergleichbare Projekte kaum möglich. „Wir profitieren sehr von der Kooperation mit der Wissenschaft. Nicht nur wegen der technischen Unterstützung, die Schülerinnen und Schüler erleben so aus erster Hand wie Forschung im Alltag aussieht“, erklärt Fraedrich. Mit seinen Nachwuchsforscherinnen und -forschern besucht er deshalb regelmäßig die Geolabore der Uni Hamburg. Dabei haben sie auch die Gelegenheit mit den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern über ihre Erkenntnisse zu sprechen. In Zukunft will man solche Kooperationen in Hamburg weiter ausbauen. „Die Wissenschaftler könnten uns zum Beispiel helfen, wenn die Forschungsfragen der Schülerinnen und Schüler unseren eigenen Wissenshorizont übersteigen“, sagt Garl. Auch regelmäßige Veranstaltungen mit jungen Forscherinnen und Forschern seien in Planung – zum Beispiel Vorträge zu aktuellen Wissenschaftsthemen oder Informationen zu interessanten Studiengängen.
Birk Grüling
Kooperationen mit Hochschulen
Fast alle Hochschulen kümmern sich inzwischen aktiv um Kooperationen mit Schulen. Studierende leiten Robotik-AGs, mit Labor-Tagen oder eigenen Schülerforschungszentren soll die Neugier für naturwissenschaftliche und technischen Studiengänge geweckt werden. Neben diesen „offiziellen“ Wegen suchen auch zahlreiche Fachlehrkräfte den Austausch mit der Wissenschaft. Gerade bei „Jugend forscht“ gilt der Anschluss an eine Hochschule oder an ein Forschungszentrum als gute Voraussetzung für den Erfolg beim Bundeswettbewerb.
Weitere Informationen
Detaillierte Informationen zum Schülerforschungszentrum Hamburg finden Sie unter www.sfz-hamburg.de
Mehr Informationen zu Schülerlaboren:
www.lernortlabor.de
www.schuelerlabor-atlas.de
www.komm-mach-mint.de